Moral 63
Moral 63
BRD 1963, R/B: Rolf Thiele, K: Wolf Wirth, M: Norbert Schultze, D: Nadja Tiller, Mario Adorf, Charles Regnier, Fritz Tillmann, Erika von Thellmann, Thilo von Berlepsch, Peter Parten, Rudolf Forster, 100’ · 35mm
SA 10.11. um 21 Uhr · Einführung: Borjana Gakovic
Schon wenige Monate nach Venusberg kam Moral 63 in die deutschen Kinos: Statt wie 1958 bei seinem größten Erfolg Das Mädchen Rosemarie aus einem aufsehenerregenden Einzelfall einen Film zu machen, verwob Thiele (mit Heinz Pauck als schließlich ungenanntem Co-Drehbuchautor) hier verschiedene, heute weitgehend vergessene Skandale und reicherte diese nach Bedarf an – womit er sich genau jenes Verfahrens bediente, das er in diesem Film beklagt. Roter Faden ist die Geschichte einer jungen Frau (wieder gespielt von Thieles bevorzugter Darstellerin Nadja Tiller), deren Mutter den vermögenden Stiefvater zu Tode brachte. Nach deren Tod in der U-Haft wird die Tochter von einem erzkonservativen Verleger engagiert, um ein „Bonner Büro“ zu eröffnen: Ein Bordell für Honoratioren, mit deren Eskapaden entweder sie erpresst oder Schlagzeilen gemacht werden könnten.
Dies alles wird geschildert in Form einer großen Rückblende, nachdem die Dame verhaftet worden ist und sich bereiterklärt hat, einem Reporter ihre „Lebensbeichte“ zu verkaufen – nicht wahrheitsgemäß, sondern mediengerecht. Thiele nutzt dies für viele kabarettistische Seitenhiebe, und Norbert Schultze lässt sich in seinen besten Momenten wie bei Das Mädchen Rosemarie von Kurt Weill inspirieren. Erneut spielt Thiele auch mit Toneffekten, er arbeitet mit Zeitraffer und inszeniert streckenweise vor ausgestellten Rückprojektionen. Wolf Wirth liefert dazu souverän stilisierte Bilder ebenso wie mit schwankender Handkamera gedrehte Impressionen aus dem Kölner Karneval. „Der Film langweilt nicht, aber er überreizt durch allzu viele Gags, Kameratricks, Schwenks und ‚originelle’ Sichtpunkte.“ (B.J., Frankfurter Allgemeine, 26.8.1963) (gym)