Mehr als 3.000 Kilometer liegen zwischen der Schwäbischen Alb und der vor Norwegen liegenden Inselgruppe der Lofoten. Und 30 Jahre liegen zwischen Peter Nestlers Erkundungen dieser Orte, die seinen Zugang zur Welt bezeugen, geprägt von Wachsamkeit und Sorge. Mit Ödenwaldstetten (1964) hat Peter Nestler ein nachhallendes Dokument über die Verdrängungsmechanismen der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg realisiert. Hinter den menschenzugewandten Bild- und Stimmdokumenten rund um Kleinbetriebe und das Schulwesen im süddeutschen Dorf zeigt sich nach und nach verdrängte Geschichte. In seiner Arbeit Lofoten (1994) steht die Geschichte gleich zu Beginn auf einem Hügel, eine alte Burg, die den Deutschen 1942 zur Überwachung diente. Die Spuren des deutschen Faschismus haben sich auch in diese Landschaft eingeschrieben. Nestler filmt einige Menschen, die auf der Insel leben und arbeiten. Die Bildebene interessiert sich für Gesichter, die Tonebene für Geschichte. Beides ist nicht voneinander zu trennen, jedes Bild erdet sich in den konkreten Lebensverhältnissen der Menschen. „Was hinter einem ist, ist gemäht“, heißt es in Ödenwaldstetten. Nestler aber sammelt die liegengebliebene Mahd auf und zeigt die sich fortsetzenden Spuren des Vergangenen im Gegenwärtigen. Er zeigt nicht nur, er schärft die Sinne für all das, was nur angeblich vergangen ist. (ph)
Weitere Notizen von Sebastian Höglinger zu Ödenwaldstetten und Simon Wiener über Lofoten auf Jugend ohne Film
Ödenwaldstetten
R/B/S/: Peter Nestler in Zusammenarbeit mit Kurt Ulrich, K: Kurt Ulrich, 36‘
Lofoten
R/B/S: Peter Nestler, K: Manfred Schmidt, 44’