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Einführung: Tobias Hering

Point of Order

Vor dem Senat in Washington fand 1954 eine aufsehenerregende Anhörung statt, bei der sich die Armeeführung und der berüchtigte Kommunisten-Jäger Joseph McCarthy gegenseitig geheimer Machenschaften beschuldigten. Das gesamte Tribunal wurde damals im Fernsehen live übertragen und aufgezeichnet. Aus 188 Stunden Filmmaterial schuf Emile de Antonio zehn Jahre später den Dokumentarfilm Point of Order. Als radikaler Kritiker des politischen Establishments der USA pflegte de Antonio eine lange und für beide Seiten produktive Beziehung mit Filminstitutionen in der DDR. Das galt insbesondere für die Leipziger Dokumentarfilmwoche, wo fast alle seine Mythen sprengenden Filme gezeigt wurden. Seinen ersten Auftritt in Leipzig hatte Emile de Antonio bereits 1965 mit seinem Regiedebüt Point of Order, der wohl der erste abendfüllende Film war, der ausschließlich aus Fernseharchiv-Bildern bestand. De Antonios Montage destilliert daraus einen possenhaften Schauprozess, an dessen Ende eigentlich alle wie Verurteilte vor uns stehen. Was bleibt ist die lächerlich deklamierende Stimme McCarthys in einem leeren Saal. (th)