The Ecstasy of Wilko Johnson
The Ecstasy of Wilko Johnson
GB 2015, R: Julien Temple, K: Steve Organ, S: Caroline Richards, P: Richard Conway, Andrew Curtis, Julien Temple, 91' · DCP, OF
FR 21.10. um 21 Uhr
In den 1970er Jahren erlangte Wilko Johnson als Leadgitarrist der britischen Pub-Rock-Band Dr. Feelgood Berühmtheit. Bis heute lebt der Musiker, mittlerweile Ende sechzig und verwitwet, in der Region, in der er seine Kindheit und Jugend verbracht hat – einem abgelegenen Teil der Themse-Mündung, dem es gelungen ist, sich seinen working-class-Charakter zu bewahren.
Hier unternimmt Johnson seine täglichen Spaziergänge und erzählt vor der Kamera wortgewandt aus seinem ereignisreichen Leben. Gerade hat man sich auf einige interessante Anekdoten aus seiner Zeit als Rockstar eingestellt, da erhält er aus heiterem Himmel eine vernichtende Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs mit einer verbleibenden Lebenserwartung von zehn Monaten. Angesichts dieser Hiobsbotschaft erwartet man den Wechsel zu einer nachdenklichen und melancholischen Tonlage.
Nachdenklich, ja – aber nicht melancholisch! Denn Johnson sieht dem drohenden Ende mit einer beinahe euphorischen Heiterkeit entgegen. Dies ist die „Ekstase“, von der im Titel des Films die Rede ist. „Das Bewusstsein, dass der Tod unmittelbar bevorsteht, führt einem vor Augen, wie wunderbar es ist, lebendig zu sein“, erklärt er. Und dann wird ihm unerwartet ein Aufschub gewährt.
Der britische Filmemacher Julien Temple hat in seiner mehr als 30-jährigen Schaffenszeit zahlreiche Dokumentarfilmen über das Rockgenre gedreht, doch keins seiner Werke ist poetischer als dieses Porträt. Johnsons wundervolle Schilderungen sind mit gekonnt bearbeiteten Filmausschnitten durchsetzt, die das Dilemma des Musikers indirekt zu kommentieren scheinen. Auf diese Weise legen große europäische Filmemacher wie Cocteau, Tarkowski, Paradschanow, Bergman und Buñuel wohlwollend Zeugnis von Johnsons Schicksal ab. (mlf)