Trotz der zahlreichen Bergarbeiter*innen- und Protestlieder, die die Kultur des Bergbaus prägen, denkt man nicht gleich an Musik, wenn man an den Alltag unter Tage denkt. Dabei kann das rhythmische Hämmern, Kratzen und Klopfen durchaus eine eigene Musik erzeugen. Die Wahrheit ist, dass die Arbeiter*innen oft singen, um die schwere Arbeit gemeinsam zu ertragen. Die beiden Filme wählen nochmal einen anderen musikalischen Ansatz. Mit Hilfe der Komponisten Benjamin Britten und Jóhann Jóhannsson versuchen sie aus verschiedenen Perspektiven greifbar zu machen, was diese Arbeit gesellschaftlich, politisch und kulturell bedeutet. Coal Face, produziert von der legendären GPO Film Unit, entsteht in einer Hochphase der britischen Kohleindustrie. Der Film zeigt die Wichtigkeit des Bergbaus für die britische Infrastruktur, aber insbesondere die am sowjetischen Kino geschulte Bildsprache und die experimentelle Musik legen eine andere Lesart nahe, die nicht über die Unmenschlichkeit der Arbeit hinwegsehen kann. The Miner’s Hymns dagegen beginnt mit einem Flug über stillgelegte Bergbaugebiete im Nordosten Englands. Der elegische Soundtrack versetzt sofort in eine Melancholie, die die folgenden Archivbilder von Arbeit und Konflikten zwischen Bergarbeiter*innen und Polizei als ins Heute wirkende Vergangenheit greifbar macht. Die Archivbilder laufen verlangsamt ab, so werden die Zuschauer*innen mit dem eigenen Blick konfrontiert: Wie blicken wir auf industrielle Arbeit? Was können wir aus der Vergangenheit lernen? (ph)
Eva Königshofen arbeitet als Dramaturgin, Kulturjournalistin und Vermittlerin.
Weitere Notizen von Eva Königshofen zu The Miners' Hymns und Bianca Jasmina Rauch über Coal Face auf Jugend ohne Film
The Miners’ Hymns
R: Bill Morrison, B: Bill Morrison, Jóhann Jóhannsson, David Metcalfe, M: Jóhann Jóhannsson, 52’
Coal Face
R: Alberto Cavalcanti, B: Alberto Cavalcanti, Montagu Slater, K: Stuart Legg, Basil Wright, Harry Watt, Humphrey Jennings, M: Benjamin Britten, 12’