Unter freiem Himmel

Clarissa Dreyer-Patrix (1903-1999) gehört zu den wenigen im Filmbereich tätigen Frauen der Kriegs- und Nachkriegszeit, die ein umfangreiches Œuvre hinterlassen konnten. Dennoch ist sie heute nahezu vergessen. Die ausgebildete Tänzerin lernte Mitte der 1930er Jahre den Regisseur Herbert Dreyer kennen und gründete mit ihm in Berlin eine Produktionsfirma für Kulturfilme. Nachdem ihr Film Das Haus der armen Seelen (1936) verboten wurde, drehte Dreyer-Patrix fast nur noch Landschaftsfilme. In der Nachkriegszeit ließ sich das mittlerweile verheiratete Paar in Düsseldorf nieder. Doch verunglückte Herbert Dreyer 1947 tödlich. Clarissa Dreyer-Patrix übernahm die Produktionsfirma, führte weiterhin Regie und arbeitete mit Filmemachern wie Herbert Vesely und Willy Maybach zusammen.

Ein Querschnitt durch ihr Schaffen verdeutlicht, wie Dreyer-Patrix poetische Momente in der freien Natur suchte. Sie drehte für Kurenfischer (1941) in den unwirtlichen Dünen an der Ostsee ebenso wie für Die Provence (1955) in den farbenprächtigen Blumenfeldern im Süden Frankreichs. Fern jeder Idylle ist zwar der titelgebende Hafen Duisburg-Ruhrort, doch verwandelt er sich unter Dreyer-Patrix‘ Regie in eine verwirrende Flusslandschaft. Die Aufmerksamkeit, die die Filmemacherin den sportlichen Körpern zweier Berlinerinnen beim Besuch einer finnischen Sauna schenkt, erinnert in Geheimnis um Schönheit und Jugend (1939) an die Begeisterung der NS-Propaganda für alles Athletische. (sa)

Stephan Ahrens ist Mitarbeiter des Zeughauskinos und Mitglied von Cinegraph Babelsberg. Er forscht an der Universität Paderborn zur Geschichte des Lehrfilms in Deutschland.