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Einführung und Filmgespräch: Fabian Schmidt

"Westerborkfim"

Der sogenannte „Westerborkfilm“ wurde im Frühjahr 1944 im Polizeilichen Judendurchgangslager Westerbork (Niederlande) im Auftrag des Lagerkommandanten Gemmeker gedreht. Gefilmt wurden fast alle Bereiche des Lagers: die Werkstätten, das Krankenhaus, die Landwirtschaft, ein Fußballspiel sowie Ausschnitte aus dem Westerborker Kabarett, darüber hinaus auch ankommende und abgehende Deportationszüge. Das Material enthält zwei der am häufigsten verwendeten, quasi ikonischen Archivfilmpassagen aus dem kollektiven Bildergedächtnis des Holocausts: den abfahrenden Deportationszug nach Auschwitz und das Sinti-Mädchen Settela-Blieta, das uns aus der Tür des Güterwaggons anschaut.

Die UNESCO hat den „Westerborkfilm“ 2017 ins Register des Weltdokumentenerbes eingetragen. 2019 wurden daraufhin erstmals die zahlreichen in den holländischen Archiven überlieferten Duplikate und Fragmente des Filmmaterials genau analysiert und digitalisiert. Dabei tauchten bisher unbekannte Einstellungen und ein Teil des Negativs auf. Nachträglich am Material vorgenommene Änderungen wurden revidiert, so dass der Film nun erstmals in einer der 1945 überlieferten Fassung bestmöglich angenäherten Version vorliegt.

Einem einfachen Zugang entzieht sich der „Westerborkfilm“ aber nach wie vor, da er in Vielem unseren Erwartungen an einen Film aus einem Lager widerspricht und für eine angemessene Beurteilung der Aufnahmen eine Vergegenwärtigung der Umstände, unter denen diese entstanden sind, notwendig ist. Am 27.1.2022, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz findet deshalb unter Anleitung des Filmhistorikers Fabian Schmidt, der für die Ludwig Boltzmann Gesellschaft im Projekt „Visual History of the Holocaust: Rethinking Curation in the Digital Age” arbeitet und an der Filmuniversität Babelsberg beim Projekt „(Con)Sequential Images – An archaeology of iconic film footage from the Nazi era“ angestellt ist, eine rekonstruktive Sichtung des „Westerborkfilms“ statt. (fsch)