Wir lassen uns scheiden
Wir lassen uns scheiden
DDR 1968, R: Ingrid Reschke, B: Rudi Strahl, Kurt Belicke, Ingrid Reschke. K: Helmut Grewald, M: Wolfram Heicking, D: Monika Gabriel, Dieter Wien, Martin Grunert, Angelika Waller, Reiner Schöne, Brigitte Krause, Gerhard Bienert, 91’ · 35 mm
Vorfilm:
Petras Erlebnis DDR 1956, R: Ingrid Reschke, 6‘ · DigiBeta
FR 04.03. um 18.30 Uhr · Einführung: Jan Gympel
Ein Ehepaar entzweit sich über die Erziehung seines zirka zehnjährigen Sohnes. Nach der Trennung versteht es der aufgeweckte Knabe, die unterschiedlichen pädagogischen Konzepte seiner Eltern für sich auszunutzen und Mutter und Vater gegeneinander auszuspielen. Anders als es der Filmentwurf von Rudi Strahl vorsah, durfte die im Titel angekündigte Scheidung auf Geheiß des DDR-Volksbildungsministeriums nicht stattfinden. Auch wurde das Drehbuch so verändert, dass die diversen Streiche des Jungen meist umgehend geahndet werden. Ingrid Reschkes erster abendfüllender Film schwankt daher etwas unentschlossen zwischen fröhlicher (Tragi-)Komödie und allzu deutlicher pädagogischer Absicht. Ursprünglich wurde das Filmehepaar von dem damaligen realen Ehepaar Monika Gabriel und Armin Mueller-Stahl gespielt. Letzterer fiel jedoch nach einigen Drehtagen krankheitsbedingt aus, weshalb Dieter Wien seine Rolle übernahm. Für den Part als möglicher neuer Partner der Frau wurde Reiner Schöne engagiert. Wie Monika Gabriel verließ er wenige Jahre später die DDR. Vielleicht auch deshalb wurde der Film Wir lassen uns scheiden fortan kaum mehr gespielt, obwohl er ebenso ein ausgesprochener Berlin-Film ist, den großangelegten Umbau des Alexanderplatzes zeigt und sogar auf dem noch nicht fertiggestellten Fernsehturm spielt. Nicht nur bei den Stadtansichten legte Ingrid Reschke erkennbar großen Wert darauf, das Scope-Format (in der DDR „Totalvision“ genannt) gut auszunutzen. (gym)
Ingrid Reschke, deren Geburtstag sich im März 2016 zum achtzigsten Male jährt, wurde während ihres Schaffens immer wieder als „der erste weibliche Regisseur im DEFA-Studio für Spielfilme“ bezeichnet. Sie war zugleich „der“ einzige, zu einer Zeit, als auch in anderen Ländern Filmemacherinnen noch eine Ausnahme darstellten. Gleich nach der Schule war Ingrid Reschke zur DEFA gekommen, hatte zum ersten Jahrgang von Regiestudenten an der Babelsberger Filmhochschule gehört und Heiner Carow bei Sie nannten ihn Amigo und Das Leben beginnt assistiert. 1963 inszenierte sie, noch unter ihrem Mädchennamen Ingrid Meyer, mit Daniel und der Weltmeister ihren Diplomfilm. Das Drehbuch zu ihrer vierten Regiearbeit Kennen Sie Urban? schrieb Ingrid Reschke zusammen mit Ulrich Plenzdorf. Mit ihm entwickelte sie gleich darauf auch ihr nächstes Projekt: Die Legende von Paul und Paula. Welch große Anerkennung sie für Kennen Sie Urban? erfuhr, erlebte Ingrid Reschke nur noch ansatzweise: Am 9. Mai 1971 starb sie mit nur 35 Jahren an den Folgen eines Autounfalls. Anschließend geriet Ingrid Reschke ebenso in Vergessenheit wie ihr notgedrungen schmales Schaffen.