Auf der Suche nach verschütteten Teilen der ukrainischen Filmgeschichte führen die Wege auch in deutsche Archive. So konnte erst jüngst in den Filmbeständen des Bundesarchivs ein entzückender ukrainischer Animationsfilm aufgefunden werden, in dem Teilnehmer einer sowjetischen Nordpol-Expedition Freundschaft schließen mit Eisbären, Robben, Walrossen und Pinguinen. Anlässlich des Welttages des audiovisuellen Erbes ist Provody na l’dine in einer kürzlich digitalisierten Kopie erstmals auf der Kinoleinwand zu erleben.
Der Hauptfilm Wolga-Wolga des ukrainischen Regisseurs Viktor Tourjansky entstand 1928 in Deutschland unter Mitwirkung mehrerer Emigranten aus dem Zarenreich. Erzählt wird die Geschichte des legendären Donkosaken-Oberhauptes Stenka Razin (1630-1671), der sich gegen die Bojaren wandte und als Pirat die Wolga unsicher machte. „Eine Ballade voller Trotz und Hoffnung, voller Kampf und Mut und Blut“, rühmte der Kritiker Hans Horkheimer. „Das ist von V. Turjanski nach grandiosen Vorbildern grandios inszeniert. Er hat den atelierfremden Mut, endlich einmal aufrichtig und wahr den halbbarbarischen Helden so barbarisch zu zeigen, wie es unsere weiche Publikumsseele zunächst vertuscht haben möchte.“ (Berliner Tageblatt, 23.12.1928). Überliefert ist der Stummfilm Wolga-Wolga im Bundesarchiv in einer 1933 neu herausgebrachten, gekürzten amerikanischen Fassung mit Musik, Toneffekten und Erzählerstimme. (ah/ps)
Die Digitalisierung des Films Provody na l’dine fand im Rahmen eines Projekts zur Sicherung von im Bundesarchiv überlieferten Filmen mit ukrainischem Bezug statt, das vom Oleksandr Dovzhenko National Centre (Dovzhenko Centre) in Kyïv unterstützt wurde.
Petra Rauschenbach ist Archivwissenschaftlerin und leitet seit 2018 die Abteilung Filmarchiv im Bundesarchiv, Berlin.
© Bild: Bundesarchiv, FilmSg 1 Bild-19829-01
Provody na l’dine
R: Ippolit Lazarčuk, P: Kac., 12‘
Ufa-Babelsberg und Oberlandstraße Berlin
6‘
Wolga-Wolga
R/B: Viktor Tourjansky, K: Franz Planer, Akos Farkas, D: Hans Adalbert Schlettow, Lilian Hall-Davis, Rudolf Klein-Rogge, Boris de Fast, 75’