Die unter dem Einfluß der Renaissancekultur entstandenen neuen geistigen Strömungen beeinflußten auch die Jagd, die jetzt verstärkt nach ökonomischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen organisiert wurde. Die Landesherren legten in speziellen Jagdordnungen die Hoheitsrechte zur Jagdausübung fest, bestimmten die Jagdzeiten und Strafen für Wilddiebe. In diesem Zusammenhang entstanden verschiedene juristischen Abhandlungen zur Jagd. Das neue Fachwissen fand in oft reich illustrierten Jagdbüchern seinen Niederschlag, denn mit der Erfindung des Buchdrucks war eine schnellere Verbreitung der Jagdschriften gewährleistet. Das erste in deutscher Sprache gedruckte Jagdbuch erschien 1531 in Augsburg unter dem Titel "Meysterliche stuck von Bayssen und Jagen."4
Hobusch, S. 98.
Die meisten gedruckten Jagdbücher des 16. und 17. Jahrhunderts waren vom französischen Vorbild beeinflußt oder überhaupt Übersetzungen aus dem französischen5Deutsche Jagdtraktate, S. 52.
. Daneben existierten zahlreiche Handschriften deutschsprachiger Autoren, die oft erst lange nach ihrer Abfassung im Druck erschienen. Die Arbeiten stammten häufig aus der Feder von Berufsjägern, die in der Regel an kleinen fürstlichen Höfen angestellt waren. Die Autoren gehörten dadurch dem niederen Beamtenstand an und waren mit dem praktischen Weidwerk besser vertraut, als mit dem Abfassen von Lehrbüchern6Deutsche Jagdtraktate, S. 52.
. Im Zeitalter der religiösen Auseinandersetzungen wurde das umstrittene Jagdwesen aus der Sicht der Theologen oft einer scharfen moralischen Kritik unterzogen. Bezeichnend dafür ist der mehrfach aufgelegte "Jagdteufel" des Cyriakus Spangenberg, der 1560 erstmals erschien.Die Einführung der Feuer- waffen am Anfang des 16. Jahrhunderts brachte einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der Jagd und zog grundlegende Veränderungen der Jagdmethoden nach sich. Für den Jagd- und Forst- betrieb benötigten die Landesfürsten, aber auch die kleineren Herrschaften ein ausgebildetes Fachpersonal. Aufgrund dessen entstanden im 16. Jahrhundert die Berufe der Jäger und Förster, die eine langjährige Berufsaus- bildung erforderten. Die im Durchschnitt drei Jahre dauernde Ausbildung schloß der Jägerbursche mit einer Prüfung ab und erhielt als äußeres Zeichen des bestallten Jägers einen Hirschfänger7
Hobusch, S. 100 ff.
. (Kat.-Nr.37, Kat.-Nr.39)
Obwohl die Feuerwaffen auf die Ausübung der Jagd wesentlichen Einfluß hatten, überwog im 16. und 17. Jahrhundert die Verwendung der Blankwaffen. Die ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts produzierten Jagdschwerter waren in erster Linie Stichwaffen, denn einem Wildschwein oder Bären konnte man mit Schwerthieben wenig anhaben. Vielmehr wurde das von den Hunden gestellte oder schon verwundete Wild mit einem gezielten Stich getötet. Einen angreifenden Eber mit einem Schwert zu töten, erforderte viel Mut und Geschicklichkeit. Gewöhnlich stieg der Reiter vom Pferd, umfaßte das Schwert mit zwei Händen und stützte sich auf das rechte Knie. In dieser Stellung erwartete er das herausstürmende Tier, das zwischen Hals und Schulter direkt ins Herz getroffen werden mußte, so daß es sofort tot zusammenbrach8
Bohlmann, S. 118.
.
Für die geschilderten Zwecke hatte das Jagdschwert eine breite Rückenklinge, die oft erst im unteren Viertel zweischneidig zugeschliffen wurde. Damit die Waffe mit beiden Händen umfaßt werden konnte, findet man an den Jagdschwertern oft einen Griff "zur anderthalben Hand". Aus diesen Jagdschwertern entstanden vermutlich am Ende des 15. Jahrhunderts Blankwaffen, die nur für die Schweinsjagd geeignet waren. Man nimmt an, daß es sich hierbei um eine Erfindung Kaiser Maximilians I. handelt9
Seitz, S. 302.
. Die Waffen sind überwiegend mit einem konventionellen Kreuzgefäß ausgestattet, das für die mittelalterlichen Schwerter üblich war. Lediglich die Klinge hatte eine besondere Form: die verbreiterten Vorderenden waren zweischneidig angeschliffen, während Dreiviertel der Klinge häufig aus einem stählernen Vierkant oder Rundstab bestanden. Hinter der Schneide saß ein kurzer Knebel, der das zu tiefe Eindringen des lanzettenförmigen Blattes verhindern sollte. Da das Schwert beim Reiten in einer Lederscheide getragen wurde, machte man die Querknebel beweglich, so daß sie sich erst beim Ziehen aus der Scheide aufrichteten10Bohlmann, S. 119; Müller/Kölling, S. 67.
. Nur wenige dieser speziellen Jagdwaffen sind erhalten geblieben11Katalog Deutsches Jagdmuseum, S. 45.
. (Kat.-Nr.9)Speziell für die Jagd auf Wildschweine und Bären waren der Sauspieß und der Bärenspieß geeignet, die vom Ende des 15. bis zum 18. Jahrhundert zu den gebräuchlichsten Jagdwaffen ge- hörten. Beide Waffen unter- scheiden sich nur durch die Stärke ihrer Klingen. Der Sauspieß, auch Saufeder genannt, hat eine zwei- schneidige, blattförmige Klinge, die nach hinten in eine Tülle ausläuft. In die Tülle ist der Schaft eingesteckt und dort durch vernietete Querstifte befestigt. Vergleichbar mit den militärischen Stangenwaffen gibt es neben der Tüllenschaftung auch Jagdspieße mit Schaftfedern als zusätzliche Befestigung12
Katalog Deutsches Jagdmuseum, S. 41.
. Die sichere Halterung am Schaft war wichtig, denn in die Enge getriebene Bären und Wildschweine waren sehr gefährlich. Eine Besonderheit der Sau- und Bärenspieße ist der unterhalb des Blattes angebrachte Knebel. In der Regel handelt es sich dabei um ein mit Lederriemen beweglich befestigtes Horn- oder Holzstück. Bei den Bärenspießen bestand der Knebel oft aus Eisen. Ebenso wie die kleinen Knebel an den Schweinsschwertern sollte dieser sogenannte "Auflaufknebel" das zu tiefe Eindringen der Waffe in den Tierkörper verhindern und das angreifende Tier auf Distanz zum Jäger halten.(Vgl. Kat.-Nr.22-26) Nicht selten waren am Übergang von der Tülle zum Schaft Fransen, Troddeln oder Samtbahnen angebracht, die den Schweiß des Tieres abfangen sollten, damit der Schaft sauber und griffig blieb13Schöbel 1976, S. 20.
.
Auch der Schaft der etwa zwei Meter langen Waffe war auf der Jagd hohen Belastungen ausgesetzt, deshalb wurden zur Herstellung der Schäfte keine geschnittenen Hölzer, sondern speziell präparierte kleine Stämme benutzt. Die dafür benötigten kleinen Baumstämme wurden in Baumschulen gezüchtet. Um den Stamm besonders griffig zu machen, versuchte man u.a. mit verschiedenen Schnitten in die Rinde die Astbildung anzuregen. Bei der Verarbeitung blieben dann die Astansätze zur Verbesserung der Handhabung stehen. Einen ähnlichen Zweck erfüllten auch über den ganzen Schaft gezogene Lederstreifen, die mit großen Ziernieten befestigt wurden, oder in den Schaft geschnittene Kerben (gepickter Schaft).
Die Mischform als Kriegs- und Jagdwaffe repräsentiert der Knebelspieß aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. In verschiedenen zeitgenössischen Berichten über den Schmalkaldischen Krieg wird er als eine typische Reiterwaffe erwähnt. Die lanzettförmige Klinge mit hohem Mittelgrat und den zwei flachen Eisenknebeln an der achtkantigen Tülle ermöglichte ebenfalls den Einsatz zur Jagd.
Im 16. Jahrhunderts blühte die Herstellung von kostbar verzierten Jagdsäbeln und Schwertern mit Kalenderklingen über deren gesamte Klingenfläche ein Kalender geätzt war. Dabei handelt es sich um einen immerwährenden Kalender für einen Zeitraum von etwa zwanzig bis dreißig Jahren. Anhand eines am Klingenansatz befindlichen Umrechnungsschlüssels konnte der Besitzer den geeigneten Jagdtag herausfinden, denn neben dem Datum stand oft der Name des Schutzheiligen. Da man nicht nur auf sein Geschick, sondern auch auf sein Jagdglück vertrauen mußte, war ein solcher Kalender für die Wahl des richtigen Termins nicht unwichtig. (Kat.-Nr.7, Kat.-Nr.10) Die schweren Weidmesser des 16. bis 18. Jahrhunderts mit breiter, am Ort erweiterter Rückenklinge werden Praxe oder Plötze genannt. Weidmesser ist in diesem Fall nur der Überbegriff, der verschiedene Messerformen beschreibt, und die Praxe ist gewissermaßen die spezielle Ausführung eines Weidmessers. Die Klingenform der Praxe erlaubt nur eine Verwendung als Hiebwerkzeug. Die Praxen wurden zum Zerlegen des Wildes, zum Ausschlagen des Gehörns oder zum Freischlagen des Jagdstandes und der Pürschpfade von Ästen benutzt. Entstanden sind diese Messer sicherlich aus dem Sax und der noch im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Bauernwehr14
Seifert, S. 78 ff.
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Um die Jagdwaffen auch als Handwerkszeug verwenden zu können, gehörte zum Schwert, dem Weidmesser oder der Plaute gelegentlich ein Besteck, das aus Aufbruch- sowie Zerwirkmessern und einem Priem bestand. Dieses Beiwerk wurde in kleinen, in die Scheide eingearbeiteten Taschen aufbewahrt. Einige der Bestecke bestanden aus über zwanzig Einzelteilen und waren offensichtlich für die Benutzung durch mehrere Personen gedacht. Die Jagdbestecke wurden vorwiegend von den Jagdbediensteten geführt, die auch das erlegte Wild aufzubrechen und auszulösen hatten. Besonders kunstvolle Bestecke aus der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert bewahrte die kursächsische Jagdkammer auf. Die von dort stammenden Gerätschaften sind an dem kursächsischen Hoheitswappen leicht zu identifizieren. Die sächsischen Kurfürsten galten als passionierte Förderer der Jagd und hatten zeitweise das Erzjägeramt inne15
Schöbel 1976, S. 25.
. (Kat.-Nr.11, Kat.-Nr.12)