Lebensstationen, das sind Gliederungselemente des individuellen Lebens. Über große Zeiträume hinweg erfuhren sie innerhalb gleichbleibender Schichten und Klassen wenig Änderungen. In diesem Jahrhundert aber haben sich diese Stationen einschneidend gewandelt, bis zu einem Punkt, wo früher obligate Einschnitte, die sozusagen Markierungen auf dem Lebensweg abgaben, verschwinden.
Dokumentarfilme, wie sie Koepp und Junge gemacht haben, können die Anwesenheit der Kamera nie verstecken, nie so tun, als handle es sich um Beobachtungen, die ohne Wissen der Beobachteten zustande gekommen sind. Das gibt ihren Filmen die Besonderheit der dokumentarischen Wahrheit, die nur in der Zusammenarbeit aller Beteiligten entsteht. Daher sind die Menschen, die beide beobachtet haben, auch die Stars der Filme. Sie werden in eine Konstruktion eingebunden, die sie zugleich durch ihr Auftreten, ihre Präsenz, mitbestimmen. Eine Konstruktion anderer Art sind die beiden Fernsehprojekte von Edgar Reitz »Heimat« und »Die zweite Heimat«, die unabhängig von der Auftragssituation auch als Filme konzipiert wurden. Eine Fiktion, die sich um die »Lebensstationen« und deren Wandel rankt, eine Story über die historischen Veränderungen in Deutschland seit 1919, in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Ihr Ideal ist nicht dokumentarisch sei es die Arbeit des Chronisten, wie bei Junge, sei es eine poetisch aufgefaßte wie bei Koepp. Reitz' Ideal heißt Authentizität, die entsteht, wenn die fiktionalen Erzählungen so angereichert mit historischen Details, mit »stimmigen« Ausstattungen erscheinen, daß sie auch als Geschichts-Erzählungen überzeugen. Die Autoren dieses »Magazins« fragen, welche Wirklichkeit diese verschiedenen Filme behandeln, welcher Identität sie Ausdruck geben wollen. Damit untersuchen sie exemplarisch filmische Formen, in denen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der DDR und der Bundesrepublik artikuliert wurden. Rainer Rother |