Einleitung
Der Spanische Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Kriegsdokumentation in Bildern. Zuvor waren zwar schon Aufnahmen von Militärfotografen veröffentlicht worden, auf denen getötete Soldaten aus dem amerikanischen Sezessionskrieg oder Verstümmelte und Leichen aus den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zu sehen waren, aber eine derartige Flut von fotografierten Schreckensbildern hatte die breite Öffentlichkeit noch nicht gesehen. Zum ersten Mal in der Mediengeschichte reisten Foto- und Filmreporter aus aller Welt an die Front, um das Kriegsgeschehen im Bild festzuhalten. In auflagenstarken Magazinen und Zeitschriften zur Illustration aktueller Reportagen verbreitet oder in Wochenschauen einem Publikum vorgeführt, boten diese Bilder den Rezipienten die Möglichkeit, scheinbar direkt bei den Kampfhandlungen dabei zu sein. Eine Zensur fand kaum statt. In diesem ersten modernen Medienkrieg wurde das Bild vielmehr selbst zur "Waffe", die propagandistische Wirkung schockierender, realistischer Bilder, die Tod und Leid scheinbar nüchtern und sachlich dokumentierten, wurde rasch erkannt und schließlich systematisch ausgereizt. Auch im Spanischen Bürgerkrieg lieferten Kriegszeichner zahlreiche Darstellungen des Kampfgeschehens, die der Öffentlichkeit als authentische Dokumente galten, die traditionellen Bildmedien Graphik und Malerei gelangten aber besonders im Verbund mit Fotografie im politischen Plakat zum Einsatz. Mit dem Zweiten Weltkrieg dominierten allmählich fotografische Techniken die massenhafte Bildproduktion. Die handwerklich aufwendigeren und zudem auflagenschwächeren Graphikverfahren konnten das Verlangen nach aktuellen und authentischen Bildern immer weniger befriedigen.
Nicht nur hinsichtlich der Waffentechnik wurde Spanien zu einer Art europäischem Kriegslaboratorium. Die Chefideologen der dreißiger Jahre fanden Spanien auch in ideologischer Hinsicht als ein Gebiet vor, in dem die zeitgenössischen gesellschaftlichen Utopien noch fremd, ja unschuldig waren und das politische Ringen linker und rechter Kräfte, das die modernen Massengesellschaften jenseits der Pyrenäen längst gesellschaftlich dominierte, noch kaum eine Rolle spielte. Bis in die 1930er Jahre beherrschte eine seit dem Mittelalter von ihren Privilegien besessene Adelskaste das Land, die sämtliche Reformversuche schon im Keim erstickte. Durch ein Neutralitätsabkommen war Spanien zwar vom Ersten Weltkrieg verschont geblieben, durch seinen Isolationismus hatte es aber im 19. Jahrhundert den Anschluß an die westeuropäischen Industrienationen verpaßt. Wirtschaftlich lastete auf dem Land die Hypothek eines zerfallenen Kolonialreiches, und das im Vergleich zu Frankreich, England, Deutschland und Italien nur schwach ausgeprägte Bürgertum war kaum eine politisch ernstzunehmende Kraft. Nach dem Sturz der Militärdiktatur von Diego Primo de Rivera und der Entmachtung der Monarchie mit der Vertreibung von Alfons XIII. 1931 stand eine neue spanische Regierung vor der Aufgabe, das heruntergewirtschaftete Land zu modernisieren und zugleich das entstandene Machtvakuum zu füllen. Dabei mußten demokratische Kräfte etabliert und gegen Angriffe reaktionärer und monarchistischer Bestrebungen verteidigt werden. Das Volk der Zweiten Spanischen Republik spaltete sich bald in ein rechtes und ein linkes weltanschauliches Lager, so daß sich einerseits Monarchisten, Konservative, Großgrundbesitzer, der Klerus und eine Minderheit von Parteien, die nach dem Vorbild faschistischer und nationalsozialistischer Organisationen gebildet wurden, und andererseits Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, die zumeist gewerkschaftlich in der U.G.T., C.N.T. und F.A.I. organisiert waren, sowie die nach Autonomie strebenden Katalanen, Basken und Galizier gegenüberstanden. Das Land war 1931 eine Art "Amerika", das es von den verschiedenen politischen Gruppierungen zu erobern galt. Die ideologischen Machtkämpfe begannen als innenpolitische Angelegenheit, weiteten sich jedoch 1936 zum europäischen Konflikt aus, als ausländische Diktatoren jede Möglichkeit einer Einflußnahme nutzten, um ihre Anziehungskraft auf die Massen zu erproben. Willy Brandt bewertete 1937 als zeitgenössischer Beobachter die Ereignisse in Spanien vorausschauend als "Vorgefecht in der großen, unweigerlich herannahenden Weltauseinandersetzung zwischen Fortschritt und Reaktion, zwischen Faschismus und Sozialismus".(1)
Die Kunst- und Bildproduktion im Spanien der dreißiger Jahre sind ohne die ihnen eigenen politischen Funktionen nicht denkbar.(2) Diese Dimension gilt es hier nachzuzeichnen. Im Kontext des politischen Tauziehens zwischen Republikanern und Franquisten werden Werke ganz unterschiedlicher Künstler vorgestellt. Dabei werden dem Material aus dem 1997 erworbenen Konvolut des Fotoarchivs Schostal, das mit seinen Agenturen in den europäischen Metropolen einen wesentlichen Anteil von Pressefotos in den dreißiger Jahren lieferte, Plakate, Postkarten, Fotobroschüren und Objekte aus den Beständen des Deutschen Historischen Museums (DHM) an die Seite gestellt.