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Neben der EP Galerie gibt er unter dem Label EP Edition ab 1975 etwa zehn Grafikmappen heraus darunter eine Edition, die unter dem programmatischen Titel Muttererde unterm Hammer Texte von sieben Lyrikern und acht grafische Werke vereint. Sein ureigenes Motiv für die Balance zwischen Lust und Frust, Last und Knast benennt Schweinebraden so: Es war eine Form der Selbstbefriedigung, die aus der Lust am Tun, aus der Lust an der Organisation und am Spaß daraus resultierte, der Obrigkeit ein Schnippchen zu schlagen.(10) Dieses Motto gilt modifiziert auch für andere unabhängige Galerien und Atelierausstellungen, doch existiert im Prenzlauer Berg bis zum Ende der DDR keine annähernd so kontinuierlich arbeitende und international orientierte Privatgalerie mehr. Doch der rebellische Geist und das fintenreiche Repertoire des Privatgaleristen Jürgen Schweinebraden lebt in zahllosen Legenden und Berichten fort. Erst ab 1986 suchen jüngere Galeristen nach neuen Konzepten. Sie werden allerdings in ihrer Arbeit durch die Staatsmacht massiv behindert. Den Anfang macht Jörg Deloch im September 1986. In seiner Wohnung im zweiten Stock des Hinterhauses in der Schönhauser Allee 50 führt er bis zum Verbot im Mai 1988 immerhin vierzehn Ausstellungen durch. Auch die von Martin Schröter gegründete Galerie manufraktur in einer Ladenwohnung der Knaackstraße 6 lebt nicht lange. Noch kurz vor Toresschluß, im September 1989, wird der seit Anfang 1988 bestehende Treffpunkt geschlossen. Mehr Glück hat Friedrich Loock mit seiner Galerie Die Wohnmaschine. Sie wird im November 1988 in seiner Kleinstwohnung in der Tucholskystraße 36 gegründet und besteht auch heute noch. Die Atmosphäre in den Wohnungsgalerien Ende der 80er Jahre hat der Dichter Thomas Günther am letzten Tag des Bestehens der Galerie de Loch eingefangen: Kurios ist, daß an diesem Abend keine Bilder hängen. Draußen auf der Schönhauser lauern ein paar Polizisten, und hinter der Wohnungstür im zweiten Stock ist die Luft zum Zersäbeln dick. Freunde und Fremde kommen, neugierige, schrille Vögel und graue Gesichter, Beobachter der Szene und Zuträger staatlicher Organe. Und einfach nur Gelangweilte: eben normales Publikum Ende der 80er Jahre im Prenzlauer Berg Berlin. An einer der kahlen Wände steckt eine Postkarte, provisorisch mit einer Reißzuwecke. Darauf steht, fast bis zur Unkenntlichkeit zerkritzelt: Die Gedanken sind frei.(11) Solche Denkanstöße sind freilich in den frühen 80er Jahren überflüssig. In der von vielen Zeitzeugen als Hochzeit des Prenzlauer Bergs beschriebenen Periode gehen von sporadisch betriebenen Atelierausstellungen größere Wirkungen aus. So schafft der Bildhauer Hans Scheib, Jahrgang 49, ein wichtiges Podium. Nach seinem Studium an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste baut er sich 1977 zusammen mit dem befreundeten Kollegen Anatol Erdmann in der Raumerstraße 23 ein Ladenatelier aus. Bereits in der ersten Zeit organisiert er sporadisch kleinere Expositionen, mehrtägige Verkaufsausstellungen vor den Weihnachtstagen und Feste für den Freundeskreis, zu dem neben Ursula Scheib und Anatol Erdmann auch Reinhard Stangl, Karla Woisnitza, Volker Henze, Harald Toppel, Cornelia Schleime sowie die Literaten um die Untergrundzeitschrift Mikado gehören. Die Situation in Berlin hatte sich stark verändert, berichtet Scheib über seine ersten Eindrücke von Berlin nach seiner Rückkehr, wenn ich vom Balkon runtersah, standen die komischen Kuttenträger von der Stasi dichter als die Laternenpfähle. Nach der Biermann-Ausbürgerung war der kollektive Impuls unter den Künstlern ein ‘Trotzdem.’(12) Einige Jahre später folgen auch größere Expositionen in der Ateliergalerie. So etwa 1980 eine unter das Motto Herbst gestellte Gemeinschaftsausstellung. Hier beteiligen sich neben dem oben genannten Freundeskreis auch der Fotograf Erasmus Schröter und der in Westberlin lebende Sohn Robert Havemanns, Florian Havemann. Mit ihm ist Scheib seit dem in Kindertagen gemeinsam besuchten Zeichenzirkel befreundet. Havemann schickt seine Werke mit der Post. Die A4-Blätter klebt Hans Scheib vor Ort zum Originalformat zusammen. Ein Jahr später folgt eine Ausstellung anläßlich des 100. Geburtstages Pablo Picassos. Am 24.10.1981 wird die Ausstellung eröffnet, und es gelingt sogar auf verschlungenen Wegen, ein kleines Offset-Plakat drucken zu lassen. Wie schon bei Jürgen Schweinebradens Eröffnungsschau führt das in der DDR uneingelöste Vermächtnis des spanischen Modernisten viele unangepaßte Künstler zusammen. Unter den 17 beteiligten Malern, Grafikern und Bildhauern befinden sich auch die Dresdner Maler Eberhard Göschel, Peter Graf, Peter Herrmann und Michael Freudenberg sowie die im Oderbruch-Dorf Lietzen lebende Erika Stürmer-Alex, die eine mannshohe Polysterol-Skulptur beisteuert. Die Feste der Künstlergemeinschaft, erzählt Klaus Michael, in die die Ausstellungseröffnungen, Auktionen und Veranstaltungen stets mündeten, wurden schnell zum Inbegriff eines ‘heiteren’ Prenzlauer Bergs, wie das Uwe Kolbe einmal nannte. Der ‘heitere’, von den Beteiligten mitunter auch der ‘alte’ Prenzlauer Berg genannt, hing einem Ideal an, in dem die Kunst, gemeinsames Leben und kritisches Engagement eine selbstverständliche Einheit bilden sollten.(13)
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