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Nötigen Platz für die vielseitigen Projekte des mitunter auch hermetisch wirkenden Freundeskreises schafft ein für Hans Scheib eher trauriger Anlaß: Als Reinhard Stangl 1980 das Land verläßt, übernimmt Ursula Scheib sein Atelier im vierten Stock des Seitenflügels in der Sredzkistraße 64. Sie nutzt es als Bühnenbildnerin allerdings nur zeitweilig. Zusätzlich zum Bildhaueratelier in der Raumerstraße steht nun also eine alte Fabriketage zur Verfügung. Der großzügig geschnittene Raum, über den Ursula und Hans Scheib die Schlüsselgewalt haben, ist für viele Gruppen und Aktivitäten im Prenzlauer Berg ein echter Glücksfall, bietet er doch eine handfeste Alternative zu den wenigen privaten Ausstellungsmöglichkeiten, etwa in den Ateliers von Uta Hünniger oder Reinhard Zabka, oder den für nonkonforme Kunst offenen halböffentlichen Räumen, beispielsweise der Buchhandlung Tannert in Karlshorst. So finden in der Sredzkistraße 64 bemerkenswerte Expositionen statt, unter anderem von Erasmus Schröter, Horst Bartnig, Agnes Grambow, Michael Freudenberg oder vom bildkünstlerisch ambitionierten Zinnober-Mitglied Steffen Reck. Die Ausstellung von Zeichnungen des im Prenzlauer Berg umtriebigen Boheme-Originals Kurt Wanski wird im Februar 1984 gar zum städtischen Ereignis. Das Ehepaar Scheib stellt das ehemalige Stangl-Atelier jedoch auch für Feste, Auktionen und Lesungen zur Verfügung. Selbst Sascha Anderson, zu dem Scheib frühzeitig auf Distanz geht und der eine Zeitlang sogar ‘Hausverbot’ in seinen Räumen hat, kann das Atelier für eintägige Verkaufsausstellungen in Anspruch nehmen. Dort bringt er seine Künstlerbücher, die in der Werkstatt von Wilfriede Maaß kollektiv gefertigte Malerkeramik oder auch vom Maler Wolfgang Adalbert Scheffler gebaute Kunstmöbel an die meist aus dem Westen kommende Kundschaft. Für Scheib sind diese Fremdnutzungen schlicht Wochenenden der Westkohle, für die er nur ein verächtliches Grinsen übrig hat. Dennoch bleibt das Atelier in der Sredzkistraße für viele, weiß Hans Scheib, der damals einzig wirklich vakante Raum im Prenzlauer Berg.(14) Volker Henze nimmt 1985 in der obersten Etage der Sredzkistraße 64 den Stafettenstab auf. Nach der Ausreise von Ursula und Hans Scheib bezieht er als neuer Mieter das geräumige Atelier. Neben seiner Arbeit organisiert Henze Ausstellungen und knüpft an die rege Kulturtradition an. Mittlerweile sind dort auch andere aktiv. Bevor Anfang der 80er Jahre der Performer Erhard Monden in ein freistehendes Atelier im selben Seitenflügel einzieht und die Selbsthilfegalerie Sredzkistraße 64 rot - grün gründet, sorgt Stefan Kayser für eine kleine künstlerische Sensation. Aus westlichen Werbeverpackungen und östlichem Alltagsmüll leimt, nagelt und malträtiert Kayser von 1979 bis 1981 eine schier unglaubliche Grottenwelt zusammen. Von aufgeschichteten Orwo-Tonbandhüllen bis zu turmartig vergipsten Margarineschachteln, von leeren bulgarischen Konservendosen bis hin zum Elektro-Schrott aus der Wohlstandsmülltonne. Seine bizarre Installation, die er Environment k nennt, steht nach Meinung des ostdeutschen Kunsthistorikers Eugen Blume(15) in Parallelkontakt zu Joseph Beuys’ Installation Wirtschaftswerte von 1980. Auch Erhard Monden orientiert sich stark an der westlichen Lichtgestalt. Er lädt zu Performances in seinen Werkraum ein. Beispielsweise im September 1983 zu Bemühungen den Fernsehapparat zu überspringen oder zu einer gemeinsamen Aktion mit Joseph Beuys, dem allerdings am 8.4.1984 rüde die Einreise in die DDR verweigert wird. In seinem Atelier betreibt er zugleich einen Zeichenzirkel, eine Schule der erweiterten bildnerischen Arbeit. Im xerokopierten Konzeptionspapier heißt es: Die Schule für erweiterte bildnerische Arbeit ist ein Organ des erweiterten Kunstbegriffs für die Soziale Plastik. Sie ist als Aktion ein dynamisches Kunstwerk, die Weiterführungen meiner handlungssymbolischen Aktionen.(16) Die Kostüm- und Bühnenbilderin Sabine von Oettingen erinnert sich an den Zirkel als eine intensive Schule des Malens: Monden hat nur vier Menschen in seinen Kurs aufgenommen, und der ging dann über ein dreiviertel Jahr. Vier Intensivstunden jedesmal, ohne Raucherpause. Bei Monden lernten wir, uns an ein scheinbar fertiges Bild wieder heranzusetzen, es zu zerstören und neu zu montieren.(17) Als Beuys stirbt, berichtet Eugen Blume(18), stellt Erhard Monden den Antrag zur Beerdigung nach Düsseldorf fahren zu dürfen. In die Rubrik Verwandtschaftsgrad des Formulars schreibt er: Geistige Verwandtschaft 1. Grades.
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