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Die Taktik gründet in der Tatsache, daß die Villa Marie nicht
das einzige Podium der umtriebigen Subkultur-Protagonistin ist: Seit 1985
fungiert Claudia Reichardt als hauptamtliche und damit weisungsabhängige
Leiterin des Studentenklubs Wendel an der Dresdner Kunsthochschule. Sie
ist damit für eine der wichtigsten Szene-Adressen im Lande zuständig.
Die Möglichkeiten, die sich mit ihr für die unangepaßte
Künstlerschicht bieten, nutzt sie rigoros und geschickt. So beginnt
Wanda fast zeitgleich zu ihren Expositionen in der Villa Marie auch im
Studentenklub ein anspruchsvolles Ausstellungsprogramm. Das Spektrum reicht
von bacchantischer Kneipengrafik bis zu den avantgardistischen Schmerz-Attacken
der damals noch in Dresden studierenden Autoperforationsartisten Micha
Brendel, Else Gabriel, Rainer Görß und Via Lewandovsky. Im
Januar 1986 stellt sie Grafik von Inge Thiess-Böttner aus, eine ihrer
wenigen Ausstellungen in der DDR. Nebenher organisiert Wanda ab 1987 federführend
drei landesweit offene Filmfestivals für unabhängige Schmalfilmer
im Rahmenprogramm der zu dieser Zeit etablierten Frühlingssalons,
mit denen die eher konservative Dresdner Schule vernehmbar an die morschen
Pforten des Staates pocht. Zur Nachtmär, einer nächtlichen
Performance- und Aktionsshow, liest Richard Mansfeld bis zur Erschöpfung
acht Stunden lang aus dem Märchenbuch der Gebrüder Grimm, schließen
sich die Autoperforationsartisten zehn Stunden in einen Käfig ein
und installiert der Leipziger Dadaist Klaus Rudolf das Büro
für direkte Kommunikation.
Zuviel Trouble im schönen Elbetal, finden die führenden Genossen.
Zwar hat Wanda bereits einige Male unliebsamen Kontakt mit überängstlichen
Kulturfunktionären so wird die bereits aufgebaute Ausstellung
des Berliner Fotografen Matthias Leupold wegen seines Ausreisantrages
in der Kunsthochschule verboten , aber mit einem Verbot ihrer Villa-Galerie
rechnet sie nicht. Im Juni 1987 wird sie zum Kulturstadtrat Seltmann bestellt,
Autoperforationsartist Rainer Görß ist als Zeuge dabei. Seltmann
untersagt vorerst weitere Projekte und fordert ein Konzept für die
weitere Ausstellungstätigkeit. Dies ist ein kluger Schachzug der
Nomenklatura, denn als das Konzept vorliegt, kann sich Seltmann bei dem
im September endgültig Ausgesprochenen Verbot auf das angeblich mangelhafte
und aus kulturpolitisch-ästhetischer Sicht nicht akzeptable
Papier berufen. Damit ist die Galerie fotogen im Sinne der Staatssicherheit
mit offiziellen Maßnahmen erfolgreich erledigt.
Claudia Reichardt richtet zum Abschluß im Januar 1988 noch eine
eintägige Gerüche-Ausstellung aus. Im ganzen Haus
verteilt sie 150 Flakons mit Geruchsproben vom französischen
Luxusparfüm bis zum verwesenden Schweinefleisch. Die schweren Düfte
vernebeln die Villa, das Galerie-Verbot aber stinkt zum Himmel.
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