5. Verhöre

Nach der »Constitutio Criminalis Carolina«,
dem im gesamten Reich gültigen Prozessrecht,
konnte das Verbrechen der Hexerei
nur durch das Geständnis des Angeklagten bewiesen werden.
Um den der Hexerei Verdächtigten bestrafen zu können,
musste dieser vor dem weltlichen Gericht gestehen,
dass er der teuflischen Hexensekte angehörte.
Wenige taten dies freiwillig,
viele nur unter Androhung und Anwendung der Folter.
Während der Tortur, der »peinlichen Frage«,
wurden die Angeklagten gezwungen,
vermeintliche Mitschuldige zu benennen,
die dann ebenfalls vor Gericht gestellt werden konnten.
So zog jeder Prozess weitere Prozesse nach sich.

Die Geständnisse der angeblichen Hexen und Zauberer
wurden vor den Hinrichtungen öffentlich verlesen.
Die farbigen Schilderungen des lasterhaften Treibens
standen in starkem Kontrast zu christlichen Tugenden
und weltlichen Gesetzen, die es zu verteidigen galt.
Die erzwungenen Geständnisse der vermeintlichen Hexen
befestigten den Glauben an eine bedrohliche Hexensekte,
deren Mitglieder zu Recht von der Obrigkeit verfolgt wurden.

Zum Einführungstext im Katalog

 


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Zwei Prangerketten
Wurde eine Person der Hexerei und eines weiteren Delikts angeklagt, jedoch nur dieses Delikts, nicht aber der Hexerei für schuldig befunden, konnte sie an den Pranger gestellt werden. Es wurde die Prügelstrafe vollzogen, auch Hausarrest verhängt, bis neue Verdachtsmomente eine neue Anklage wegen Hexerei ermöglichten. So heißt es in der Akte über den ersten Prozess gegen die der Hexerei verdächtigte Anna Hesen aus Föhren im Trierer Land: Demnach diese Person dreymahl in der tortur gewesen, gleichwohl ratione magie nichts bekenet.
Jedoch den incestum mith dem Stieffvatter gestandten, alß kausa in Branger gestellt, mit ruthen außgestrichen, und biß auff weitere inqusition wiederumb zu Hauß vermittehls bezahlung billiger uncosten gelassen worden, Trier den 4. Oktober Anno 1630).
Literatur: Brief Dr. Rita Voltmer, Trier, 21.01.2002
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

‚Folterstuhl'
Historiker und Museumsfachleute haben besonders in den letzten Jahren verstärkt zu einem vorsichtigen Umgang mit den Sachzeugen zur Kriminalgeschichte aufgerufen. Folterinstrumente und -stühle, die sich heute in historischen Sammlungen befinden, sind häufig keine Originale. Im
19. Jahrhundert wuchs neben einer neuen Begeisterung für das Mittelalter auch ein gesteigertes Interesse an der vermeintlich mittelalterlichen Folterpraxis.

Viele Folterinstrumente wurden nachgebaut oder sogar neu erfunden, um sie auf Jahrmärkten und in Schaubuden dem zahlenden Publikum zu zeigen.
Folterstühle fesselten die Phantasie offensichtlich auf besondere Weise, denn Nachbauten dieser Stühle finden sich an vielen Orten.
Von den Bedenk- und Marterstühlen, die in Rechnungen und Hexenprozessakten des 17. Jahrhunderts erwähnt werden, ist vermutlich keiner erhalten. Die Quellenangaben liefern nur fragmentarische Hinweise auf ihre Gestalt. Offenkundig waren die Sitzflächen mit Nägeln bestückt. Die Stühle dienten sowohl dazu, Schmerzen zuzufügen als auch Schlaf zu entziehen, und wurden zudem nur zum Erschrecken des Inquisiten verwendet. Im Stadtarchiv in Lemgo (auch die Grafschaft Lippe war ein Zentrum der Hexenverfolgungen) hat sich ein Dokument aus dem Jahr 1669 erhalten, in dem von einem 1666 angeschafften Stuhl "mit langen spitzigen Nägeln durch geschlagen" die Rede ist. Dessen Einsatz ist jedoch nur in einem Fall vermerkt und war damals schon umstritten.
Der Folterstuhl aus der Fronfeste Eichstätt kam 1860 aus dem Besitz des Eichstätter Landgerichts in das Bayerische Nationalmuseum. Die Exaktheit der Schnittflächen und die Präzision der gedrehten Spitzen lassen, neueren Untersuchungen zufolge, den Einsatz von Maschinen bei der Herstellung vermuten. Der Stuhl ist daher mit großer Wahrscheinlichkeit nicht authentisch, sondern ein Nachbau, vielleicht sogar die ‚Erfindung' eines sich als rational und modern definierenden Zeitalters, das mit Verachtung auf die ‚finstere' Vorzeit zurückschaute. Auch an der Authentizität der folgenden Folterinstrumente sind Zweifel angebracht.
Literatur: Bauer 2002; Scheffler 2002; Schild 2002; Scheffler 1999; Ausst. Kat. Karlsruhe 1994
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

‚Hexenhemd' (‚Folterhemd', ‚Marterkittel')
Körper und Seele der Hexen galten als Sitz des teuflischen Feindes, dem gegenüber vor einem Verhör Schutzmaßnahmen ergriffen werden mussten. Vor der Tortur wurden den Inquisiten deshalb oft sämtliche Haare entfernt, konnten diese doch vom Teufel verliehene magische Kräfte besitzen. Diese Kräfte vermochten, ebenso wie in den Haaren versteckte Zaubermittel, gegen die Folter unempfindlich zu machen. Die Angeklagten mussten vor dem Verhör oft ein neues härenes Hemd anlegen, damit auch in ihrer Kleidung keine Zaubermittel verborgen werden konnten.
In katholischen Gegenden wurden sie zusätzlich mit Weihwasser besprengt und beweihräuchert. Zudem mussten sie ein geweihtes Hemd überziehen.
Anna Kramerin, heilkräuterkundige Frau eines Baders, wurde 1680 in Veringenstadt der Hexerei angeklagt. Die Prozessakten halten fest, dass auch ihr vor der Tortur der Körper rasiert und anschließend zwei geweihte Hemden übergestreift wurden, wohl um einen besonders starken Schutz vor dem Wirken des Teufels zu erzielen. Die Vermutung, das ausgestellte Hemd sei mit einem dieser beiden Hemden identisch, konnte bislang nicht eindeutig belegt werden.
Vielfach wurde berichtet, dass das Veringenstädter Hemd erhalten blieb, weil seine Trägerin zum Tod durch Enthaupten anstelle des Scheiterhaufens ‚begnadigt' wurde. Dies lässt sich jedoch anhand der Prozessakten nicht verifizieren.
Literatur: Schild 2002; Dillinger 2000; Brief Anita Raith, Stuttgart, 18.02.2002
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)

 

 

So dann soll man sie mit einem neuen Hemd
bekleiden, das am Sonntag in der Fronfasten
mit Weihwasser und geweihtem Salz getauft
worden ist.

Folterprozedur nach dem Bericht des Henkers
Diebolt von Miltenberg, der 1492 bis 1494 in
Boppard bei Hexenprozessen assistierte

 

Cautio criminalis

Friedrich Spee, Jesuit, Priester und bedeutendster katholischer Barockdichter, gehört zu den einflussreichsten Kritikern der Hexenverfolgungen. Seine Streitschrift Cautio criminalis erschien 1631 anonym, da Spee die Inquisition fürchten musste. In seiner Schrift, zu der Spee durch eigene Erfahrungen als Beichtvater zum Tode verurteilter Hexen bewogen worden war, übte er massive Kritik an der Praxis der Hexenprozesse und appellierte an das Gewissen der Fürsten, ihrer gelehrten Ratgeber und Priester, den Hexenprozessen in der bestehenden Form die Unterstützung zu entziehen.
Die von begeisterter Zustimmung wie vehementer Ablehnung begleitete Schrift bedeutete einen Durchbruch in der Geschichte der Hexenverfolgung und veranlasste katholische wie evangelische Fürsten zur Einschränkung der Hexenprozesse. Besonderes Augenmerk richtete Spee auf die Folter
als vermeintliches Instrument der Wahrheitsfindung. Er zeigte den Teufelskreis des Verfahrens auf, aus dem es kein Entrinnen mehr gab, war man einmal der Hexerei angeklagt. Eindringlich legte Spee dem Leser den Schluss nahe, dass die gängige Prozesspraxis die Hexen und Hexenmeister, die sie angeblich zu bekämpfen suche, überhaupt erst hervorbringe.
Literatur: Behringer 2000; Nesner 1989; Ausst. Kat. Düsseldorf/Trier 1985/91; BBKL 14/1998
(Zum bibliographischen Nachweis des Kataloges)