Im Sommer 2002 zeigt das Deutsche Historische Museum
auf 3000 m2 im Erdgeschoss des Martin-Gropius-Baus in Berlin eine
umfangreiche Ausstellung mit insgesamt ca. 250 Gemälden, Photographien
und Graphik zum Thema Industriebild' von der Mitte des 18.
bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Wenngleich sich in der Industrie
der westlichen Länder gegenwärtig ein fundamentaler Wandel
hin zur sauberen High-Tech-Industrie vollzieht und der Beginn der
postindustriellen Gesellschaft eingeleitet ist, reflektiert dieses
eigene Genre bis heute das Verhältnis von Mensch, Technik und
Natur. Ein Katalog, der mit Essays die Schwerpunkte der Entwicklung
vertieft, wird die Ausstellung ergänzen.
Ausgehend vom Beitrag Deutschlands und mit wesentlichen
Beispielen aus dem europäischen Ausland folgt die Ausstellung
dem Leitgedanken einer "zweiten Schöpfung" durch
die industrielle Revolution. Die Eigenwertigkeit der Kunstwerke
und ihre spezifische Rezeption des Industrialisierungsprozesses
steht im Mittelpunkt. Dabei werden zwei Innovationslinien verfolgt:
eine technisch-wirtschaftliche und eine ästhetische. Das Interesse
gilt der Verknüpfung dieser beiden Stränge: Wann hat das
Streben nach Darstellung neuer technischer und wirtschaftlicher
Phänomene eine neue Bildsprache provoziert, wann nicht? Der
Begriff der "zweiten Schöpfung" bezieht sich insofern
einerseits auf das durch die Industrie veränderte Verhältnis
des Menschen zur Natur, andererseits auf die Transformation von
Wirklichkeit der industriellen Welt durch die Kunst.
Im Anschluss an den einleitenden Ausstellungsauftakt mit Darstellungen
handwerklicher und manufakturaler Produktion seit dem späten
15. Jahrhundert verweisen die Malerischen Ansichten' der neuen
Industrielandschaften in der englischen Kunst des 18. und frühen
19. Jahrhunderts auf den Beginn eines neues Zeitalters. Die Veränderung
der Landschaft durch die Eisenbahn und immer größere
Abbaugebiete, die Selbstdarstellung der neuen Unternehmerschicht
und die Thematisierung des Arbeiters als Heros der neuen Zeit durch
die belgische Malerei bilden Schwerpunkte der Industriedarstellung
des 19. Jahrhunderts. Die Schönheit der großen
Stadt' als Folge industrieller Errungenschaften sowie die Übertragung
des Themas in eine abstrahierende künstlerische Sprache, die
Formen der Energie' im Sinne einer neuen Licht-, Geschwindigkeits-
und Zeitmetaphorik verwendet, führen ins 20. Jahrhundert. Die
zwanziger Jahre tragen durch die Auseinandersetzung mit der Metaphysik
der Maschine' neue Akzente bei. Die Sicht auf Kunst als Produktivkraft'
bestimmt nach dem Zweiten Weltkrieg die Bearbeitung des Themas im
Osten und Westen Deutschlands. Die Ausprägung Moderner
Landschaften' als Resultat von Naturüberformung und Umweltzerstörung
sowie die fortschreitende Technisierung der Arbeitswelt führen
Ende der sechziger Jahre zu kritischer Reflexion der industriellen
Gesellschaft.
Mit dem Beginn des von der Globalisierung geprägten postindustrielle
Zeitalters nimmt die Photographie zunehmend den Platz der Malerei
in der Dokumentation und Interpretation der industriellen Welt ein.
Der Rundgang endet im Lichthof mit der Präsentation von Industriepanoramen,
die den Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart spannen.
In der Ausstellung werden u.a. Werke von Marten van Valckenborch,
Joseph Wright of Derby, Pehr Hilleström, Carl Blechen, François
Bonhommé, Adolph Menzel, Georges Seurat, Constantin Meunier,
Giacomo Balla, Willi Baumeister, Carl Grossberg, Albert Renger-Patzsch,
Hans Finsler, Franz Radziwill, Karl Hofer, Wolf Vostell, Wolfgang
Mattheuer, Bernd und Hilla Becher, Andreas Gursky, Klaus Ritterbusch
und Josef Koudelka gezeigt.
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