Katalog - Vorwort
Prof. Dr. Hans Ottomeyer
Dr. Dieter Vorsteher
Am 26. Juni jährt
sich der Berlin-Besuch des amerikanischen Präsidenten
John F. Kennedy. Dies war vor 40 Jahren ein unvergesslicher
Tag für die Westberliner wie auch für den
Präsidenten. Sein legendärer Satz "Ich
bin ein Berliner" gab ein überwältigendes
Bekenntnis ab für die Verteidigung der Demokratie
und Freiheit an diesem Brennpunkt des Kalten Krieges.
Mit diesem Buch und einer Ausstel-lung erinnern das
John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien
der FU Berlin und das Deutsche Historische Museum an
jenen Politiker, von dessen Amtszeit bis heute Faszination
ausgeht.
Eine neue Generation von Politikern trat
mit ihm auf. Er verkörperte spürbar das Ende
der unmittelbaren Nachkriegszeit und den Aufbruch in
eine gerechtere und friedlichere Zukunft. So setzte
er sich während des Wahlkampfes für die Freilas-sung
des Bürgerrechtlers Martin Luther King ein. Zwar
griff er nach der erfolg-reichen Wahl die Ziele der
Bürgerrechtsbewegung nur zögerlich auf, aber
sein ganzer Habitus versprach den Aufbruch in eine neue
Ära. Für diesen "Griff nach den Sternen"
sprach auch das von ihm aufgelegte Programm zur Raumfahrt.
Aber diese Amtzeit zeigte sich auch janusköpfig:
die Verstärkung des amerikanischen Engagements
in Vietnam beschloss Kennedy. Eine folgenreiche Entscheidung,
die wenige Jahre später zum größten
nationalen Desaster der USA werden sollte.
In seine kurze Präsidentschaft fiel
die Verschärfung des Kalten Krieges. Dafür
stehen die erfolglose amerikanische Invasion in der
kubanischen Schweinebucht 1961 und die Kubakrise von
1962. In den berühmten "dreizehn Tagen"
im Okto-ber bangte die Welt vor einem Dritten Weltkrieg.
Kennedy gab zu verstehen, dass er vor dem äußersten
Einsatz militärischer Mittel - im Klartext dem
Einsatz ato-marer Waffen - nicht zurückschrecke.
Die UdSSR lenkte schließlich ein. Chruschtschow
beorderte seine raketenbeladenen Schiffe auf hoher See
zurück und sagte dem Präsidenten die Demontage
der Raketenbasen auf Kuba zu. Vor der Öffentlichkeit
geheim blieb die amerikanische Zusage, ihre Raketen
im Ge-genzug aus der Türkei abzuziehen. Kuba, das
war die letzte direkte Konfrontation der USA und UdSSR
im Kalten Krieg. Danach setzte ein erstes zaghaftes
"Tau-wetter" zwischen den Machtblöcken
ein. Ein Paradigmenwechsel bestimmt seit-dem den Ost-Westkonflikt:
Man scheute den direkten militärischen Krisenherd
und begann dafür mit einer Phase der weltweiten
Stellvertreterkriege in Asien, Afrika und Südamerika.
Jugendlichkeit, Intellektualität,
Charme, ein vor der Öffentlichkeit inszeniertes
Familienleben, Aufbruchstimmung, Einsatz für die
Anliegen der Bürgerrechtler, der Beginn der Raumfahrt
und ein erfolgreiches Krisenmanagement sind Begriffe,
die sich leicht mit der Person Kennedy verbinden. Alles
zusammen erschuf das Bild einer charismatischen Persönlichkeit.
Als Politiker vertrat er den Typus des populären
Medienstars, der seinen Wahlkampf auch durch die Fernsehduelle
für sich entscheiden konnte und später die
Vision seiner Politik medienwirksam verbreiten konnte.
Kein anderes Bildmotiv, das wir für
unsere Ausstellung wählten, könnte die bis
heute andauernde Anziehungskraft des 35. Präsidenten
der Vereinigten Staaten besser treffen als sein aus
unzähligen Fotografien zusammengesetztes Porträt.
Aus den zahllosen Pressefotos spiegelt sich facettenreich
eine dramatische Epoche unserer Zeitgeschichte wider.
Der Name "John F. Kennedy" und sein Porträt
als Ikone bilden ein Politikerleben ab, das sich zur
Legende und zum Mythos "JFK" verdichtet hat.
Nicht die Einzeltat, nicht das eine Ereignis, nicht
der gelungene politische Schachzug verleihen ihm Unsterblichkeit,
sondern das "JFK" als Ge-samtkunstwerk. Es
war eine unwiderstehliche Mischung aus persönlichen
und persönlichsten Affären, aus politischem
Kalkül und dramatischer Weltpolitik, aus nicht
eingelösten politischen Versprechen und taktischen
Verzögerungen, aus Niederlagen und größten
Erfolgen, aus Liebe und Tod. Die Schüsse von Dallas
und Kennedys gewaltsamer früher Tod im November
1963 - zu einem Zeitpunkt als Sieg oder Niederlage seiner
politischen Arbeit und seines Nachruhmes noch nicht
entschieden waren - gab den politischen Gegnern nur
einen kurzen Erfolg. Das politische Attentat bewirkte
seine Heldenverehrung und beförderte die Ver-klärung
zu dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, und
machten ihn zum Leit-bild und Idealbild für das
gute Amerika.
In seiner Rede vor Studenten der American
University in Washington hatte Ken-nedy im Juni 1963
von der "Strategie des Friedens" als der zukünftigen
Aufgabe der Politik gesprochen, in einer Welt, die allen
gehöre und die es gälte zu bewah-ren. Die
vormalige "Politik der Stärke" der Nachkriegszeit
und des Kalten Krie-ges trat zurück. Eine "friedliche
Koexistenz" der politischen Systeme hatte schon
1956 Chruschtschow gefordert, was allerdings vorerst
ein Lippenbekenntnis blieb. Diese internationale Akzentverschiebung
fand auch ihr Echo in der deutschen Politik. Gerade
im geteilten Berlin galt es, den Kalten Krieg zu entschärfen.
Egon Bahr, Weggefährte und Berater von Willy Brandt,
prägte den Begriff vom "Wan-del durch Annäherung".
Dieser deutsche Beitrag zum internationalen Tauwetter
fiel nicht zufällig zwei Wochen nach diesem Berlin-Besuch.
Dies war keineswegs ein allgemein populärer Begriff.
In den USA und in Westeuropa saßen Hardliner,
denen diese Akzentverschiebung zu weit ging. Außen-
wie auch innenpolitisch verblasste Kennedys Image und
im Sommer 1963 stagnierte der Erfolgskurs sei-ner Präsidentschaft.
So mag man den Berlin-Besuch auch als eine Selbstvergewis-serung
betrachten, als eine Überprüfung der eigenen
Zielvorstellungen bewerten.
Der Präsident fühlte sich nach
dem Berlin-Besuch in seinen politischen Plänen
bestätigt. Ja, er riet jedem seiner Nachfolger,
den Selbstzweifel befalle, nach Ber-lin zu fahren. So
einen Tag würde er nicht wieder erleben. An diesem
26. Juni 1963 war das deutsch-amerikanische Verhältnis
eben nicht nur politisches Kalkül, sondern auch
eine gegenseitige Herzensangelegenheit.
Die Ausstellung will nicht dem "Mythos Kennedy"
erliegen, sondern den politi-schen Erfolgen und Niederlagen
gerecht werden, den glanzvollen Politiker und Medienstar
vorstellen, seine inszenierte und von Protektionen beförderte
Karriere mit ihren Brüchen und der ihr eigenen
Faszination verständlich machen. Beglei-tende Vorträge
von Persönlichkeiten aus seiner Amtszeit sowie
von Kennern der amerikanischen Nachkriegsgeschichte
sollen das Bild von Person und Zeit kri-tisch würdigen.
Es ist nicht Zufall, dass diese Ausstellung
parallel zur Ausstellung "Idee Europa" in
der neuen Ausstellungshalle gesehen werden kann. Der
Besinnung auf die I-deenwelten des eigenen Kontinents
steht eben jene interkontinentale Beziehung zur Seite,
die das Nachkriegseuropa kulturell nachhaltig bis heute
prägt. Auch dafür steht der Name John F. Kennedy.
Völlig zufällig hingegen ist, dass der Ar-chitekt
unserer neuen Ausstellungshalle, I.M. Pei, in der wir
die Kennedy-Ausstellung bis Oktober zeigen können,
auch die 1979 eröffnete Kennedy-Library in Boston
gebaut hat. Die Präsidentenwitwe Jackie Kennedy
hatte 1964 Pei aus-gewählt. Der in China geborene
Architekten fand dadurch erstmals internationale Beachtung.
So finden sich friedlich unter einem Dach: Europa, Nordamerika
und ein wenig Asien.
Das Deutsche Historische Museum dankt allen Leihgebern
aus den USA, die trotz der durch den Irakkrieg angespannten
Weltpolitik ihre Leihgaben zur Verfügung stellten.
Dieser Krieg hatte unsere Leihanfragen im Frühjahr
schwer belastet und nicht alle Wünsche konnten
erfüllt werden. Wir danken Herrn Dr. Andreas Etges
vom John F. Kennedy-Institut der FU Berlin für
die Idee zur Ausstellung und für die sorgfältige
und kenntnisreiche Durchführung. Diese erste Zusammenarbeit
hat sich von Beginn an für beide Institutionen
als erfolgreich und beispielhaft gezeigt, ein Gewinn,
wie wir hoffen, für beide Häuser. Dank auch
an die Projektmitarbei-ter: Maike Steinkamp, Felicitas
Hentschke, Michael Steinmetz und Kristina Scholz. Für
die Umsetzung der Idee in den Raum und für das
Erscheinungsbild der Ausstellung danken wir unserem
Gestalter Werner Schulte.
In Zeiten knapper Haushaltsmittel war
es nicht leicht, dieses internationale Unter-nehmen
zu finanzieren. Eine Drittmitteleinwerbung von verschiedenen
öffentli-chen Institutionen war gänzlich erfolglos,
deshalb gilt unser nachdrücklicher Dank den privaten
Sponsoren, die sich trotz wirtschaftlicher Krise für
unser The-ma engagierten: die Wall AG und DaimlerChrysler.
Für tätige Unterstützung dan-ken wir
der Botschaft der Vereinigten Staaten und dem Amerikahaus,
dem Aus-wärtigen Amt, dem Land Berlin und der Freien
Universität Berlin.
Dr. Dieter Vorsteher
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Prof. Dr. Hans
Ottomeyer |
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