Bilder und Worte Wissenschaftliche Forschung und Literatur zur Geschichte der Plakatkunst
"Als man anfing, das geistige Leben in die Welt der Plakate zu verbannen, habe ich vor Planken und Annoncentafeln kaum eine Lernstunde versäumt." Die im eigentlichen Sinn moderne Bewertung und Rezeption des Mediums Plakat setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein: Aus den häufig billig und schlecht gestalteten Anschlagezetteln früherer Jahrzehnte wurden nun Affichen, die einen immer bedeutenderen Raum in der angewandten Kunst einnahmen. Gleichzeitig begannen sich die Publizisten intensiver mit dem Phänomen auseinanderzusetzen. Der französische Historiker und Kunstkritiker Roger Marx etwa veröffentlichte 1896 eine erste treffende Analyse des in dieser Form neuartigen Mediums: »Um nachdrücklich und besser zu überzeugen, hat die Werbung die Kunst in ihre Dienste gestellt; ihr hat sie die Pose der Allegorien entliehen, sie ist Bild geworden, und ihr leuchtender Schmuck hat ihr unerwartete Aussichten auf Wirksamkeit eröffnet, ein unverjährbares Recht auf die Aufmerksamkeit des Ästheten geschenkt. Jeder hat die Metamorphose verfolgen können. Aus dem zuvor wenig verführerischen Plakat mit der häßlichen, schwer leserlichen Schrift ist eine echte Graphik geworden, die mit ihrer Vielfarbigkeit das Auge entzückt, deren Symbolik zudem verständlich ist.«(103) Naturgemäß fand die theoretische Beschäftigung in Frankreich, dem Mutterland des modernen Plakates, einen ersten Höhepunkt. Die Außenwerbung wurde als »Art democratise« bezeichnet und die Straße zur »Galerie en plein« erklärt.(104) Folgerichtig begannen bald viele Kunstfreunde diese Art von Gebrauchsgraphik zu sammeln. Der Umstand, daß damit das Plakat zum heißbegehrten Objekt wurde, belebte deutlich die verlegerische Auseinandersetzung mit dem Thema. Das übergroße Format der Sammlerstücke führte jedoch oft zu großen praktischen Problemen in der Handhabung der Druckstocke. Deshalb kam man in der Pariser »Imprimerie Chaix« auf die Idee, die erfolgreichsten Künstlerplakate in verkleinerter Form in Sammelmappen zu veröffentlichen. Von 1896 bis 1900 erschien jährlich ein Band unter dem Titel »Les Maitres de L'Affiche«. Besondere herausgeberische Qualität erhielten diese Publikationen durch die Vorworte, die jeweils von Roger Marx verfaßt wurden. Der Erfolg gab dem Projekt recht, die Sammler waren begeistert und die mit »L'Estampe Originale« und »L'Estampe Moderne« gleichzeitig erscheinenden Konkurrenzprodukte bestätigen die Weite des damaligen Marktes. Aber auch in zahlreichen anderen Publikationen schlug sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Popularität des neuen Mediums nieder. Bereits 1884 hatte im »Theatre de la Galerie Vivienne« in Paris eine erste Plakatausstellung stattgefunden, und viele andere folgten im letzten Jahrzehnt des zu Ende gehenden Jahrhunderts, wobei die meist dazu erscheinenden Kataloge bis heute wichtige Literatur zum Thema darstellen.(105) Auch Fachgalerien begannen Plakate auszustellen und anzubieten, »Sagot« in Paris legte 1891 erstmals einen Katalog dazu auf. Kritiker und Verleger schenkten ab etwa 1895 dem Thema intensive Beachtung: Neben Sonderheften von »La Plume« (1895) und »La Critique« sind »L'Estampe et l'Affiche« (1897–1899) und »L'Image« (1896–1897) zu den bedeutendsten frühen französischen Periodika in diesem Bereich zu rechnen. In den Vereinigten Staaten erschienen neben interessanten Plakat–Beiträgen in der Illustrierten »Scribner« eher kurzlebige Periodika wie »The Bill Poster« und »Poster Lore«. Eine Sammlung der wichtigsten Beiträge aus »Scribner« kam 1895 unter dem Titel »The Modern Poster« heraus; 1896 wurde mit »Posters in Miniature« eine Publikation veröffentlicht die sich ähnlich wie das französische »Les Maitres de l'AffIche« an den Sammlermarkt wandte. In England gab es neben der vorbildlich gestalteten Kunstzeitschrift »The Studio« (1893– 1964), die immer wieder Beiträge zur angewandten Graphik brachte, das Fachmagazin »The Poster« (1898–1901). Bereits 1886 veröffentlichte Ernest Maindron in Paris sein Buch »Les Affiches illustrees«, das eine nachhaltige Wirkung auf die neuentstandene Szene hatte. 1896 ließ er das ebenfalls wichtige Werk »Les Affiches illustrees. 1886–1895« folgen. Der beachtenswerten belgischen Plakatkultur widmeten sich Emile Bauwens mit einem Beitrag in dem 1897 in Paris erschienenen »Les Affiches etrangeres illustrees«,(106) sowie Alexandre Demeure de Beaumont in seinem im selben Jahr herausgekommenen »L'Affiche illustree«.(107) Neben verschiedenen Ausstellungskatalogen oder Zeitschriftenartikeln, wie etwa dem interessanten Beitrag von H. E. Berlepsch zum Thema »Plakate« in »Westermanns Monatsheften«,(108) stellte das gewichtige und grundlegende Buch »Das moderne Plakat« von Jean Louis Sponsel, das 1897 in Dresden erschien, das erste bedeutende Werk zur Plakatkultur in Deutschland dar. Der Autor unterstrich darin auch die demokratische und kunstpädagogische Bedeutung dieser neuartigen Form der Außenwerbung: »Das Plakat in seiner neuen Form ist vielleicht der mächtigste Agent in der Erziehung des Volkes zum Kunstempfinden und zum Kunstbedürfnis. Jedenfalls aber hat das moderne künstlerische Plakat in den breitesten Schichten die Erörterung künstlerischer Fragen, die vordem durch andere Interessen zurückgedrängt waren, zum Tagesgespräch gemacht.«(109) In Österreich verlief die gebrauchsgraphische Entwicklung zunächst mit einiger Verzögerung. Mit der 1897 erfolgten Gründung der Künstlergruppe der Secessionisten allerdings erfuhr das Thema Plakatkunst nicht nur eine praktische Umsetzung, sondern auch intensive theoretische Erörterung, so etwa in der Zeitschrift »Ver sacrum«.(110) In der Analyse der besten französischen, amerikanischen, englischen und deutschen Werke wurde von den Publizisten der verschiedenen Nationen ein Kanon der wesentlichen Eigenschaften eines gelungenen, das heißt wirksamen Plakates erstellt. In der Literatur nahm damit die normative Tendenz immer mehr zu, während es kaum zu einer objektiven Analyse kam. Formal gesehen wird in diesen Texten die Problematik jeder Kunstpublizistik deutlich – nämlich Bilder mit Worten zu erläutern. Bei der Besprechung von Plakaten kommt noch der Umstand dazu, daß es bei den Affichen selbst um eine optimale Verbindung von Bildern und Worten geht. Eine Analyse dieser frühen Plakatbesprechungen zeigt auch, daß es den Kritikern oft nicht gelang, zu einem abstrahierenden Standpunkt zu kommen, sondern daß sie einfach bei einer subjektiven Bewertung blieben. Ob ein Plakat nach Ansicht eines Autors »schön«, »abstoßend« oder »dekorativ« sei, sind theoretisch kaum relevante Aussagen, kamen und kommen aber in der Literatur immer wieder vor. Vielleicht liegt dies auch daran, daß sich zunächst vor allem Kunstschriftsteller und Journalisten, dann auch Sammler und Museumsleute mit dem Phänomen Plakat beschäftigten, während sich die Praktiker – einerseits die Graphiker, andererseits auch die Wirtschaftstreibenden – mit diesem Problem erst allmählich auch theoretisch auseinandersetzten. Nach und nach begann in größerem Stil die Diskussion über die Frage, ob Werbung zur Kunst zu rechnen sei oder nicht. Während die erste Generation der Graphiker und vor allem die engagierten Publizisten die Plakatwände der Städte als »Galerie der Straße« betrachteten, bildete sich vor allem bei der folgenden Generation an Gebrauchsgraphikern sowie bei den Wirtschaftswissenschaftlern selbst die Anschauung heraus, daß Werbung mehr mit Wirken und dem diesbezüglichen Können als mit Kunst zu tun habe. 1909 veröffentlichte der Ökonom Victor Mataja in München und Leipzig sein Buch »Die Reklame«, das bald zum Standardwerk über »Ankündigungswesen und Werbetätigkeit im Geschäftsleben« – so der Untertitel – wurde. Der Autor widersprach in seiner Arbeit von dieser kommerziellen Warte aus jenen fast romantisch anmutenden Anschauungen, wie sie Jean Louis Sponsel aber auch die Wiener Secessionisten geäußert hatten. Malaja schrieb dazu: »Man redete sogar öfter in Beziehung auf die Anschläge von einer Gemäldegalerie der Armen – ein nicht sehr empfehlender Ausdruck vom Standpunkt des Reklamers aus, der mit seinen Anzeigemitteln nicht gerade die Unbegüterten treffen will.« In den Plakaten, so meinte Mataja, dürfe man überhaupt nicht zu sehr die künstlerische Seite und damit zuwenig das Geschäftliche beachten: »Der Kaufmann will mit seinen Ankündigungen das Publikum anziehen, aber nicht erziehen, er will für seine Waren werben und nicht für neue Stilarten. Zur Besserung der Verhältnisse werden die Verfeinerung des Geschmackes und das Wachstum des Reklamewesens das Ihrige dazu beitragen.«(111) Auch der vor allem von Berlin aus agierende und international erfolgreiche Plakatentwerfer Julius Klinger nahm wiederholt und sehr pointiert zum Thema: Plakat–Kunst oder Kommerz–Stellung. Im »Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1913« stellte er unter anderem folgendes fest: »Schließlich und endlich wissen wir, daß wir nicht Ewigkeitswerte, sondern nur anspruchslose Arbeiten schaffen, die naturgemäß der Mode des Tages unterworfen sind. Aber eine unbescheidene Hoffnung hegen wir: daß unsere Arbeiten vielleicht einst in 50 oder 100 Jahren starke Kulturdokumente sein werden für die Art, wie der Kaufmann anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts seine Waren anpries.«(112) Eine sehr aufschlußreiche Quelle zur Kulturgeschichte stellt die seit 1910 in Berlin erscheinende Zeitschrift »Das Plakat« dar, die vom »Verein der Plakatfreunde« herausgegeben wurde.(113) Bis 1921, als das Magazin eingestellt werden mußte, war Hans Sachs dessen leitender Redakteur. Er entfaltete in den Jahren dieser Tätigkeit einen prägenden Einfluß auf die gesamte internationale Plakatszene. Sowohl die im graphischen Gewerbe aktiv Tätigen als auch die privat oder im öffentlichen Auftrag Sammelnden wurden hier anhand von anschaulichen Beispielen mit den Prinzipien moderner künstlerischer Werbung vertraut gemacht. Neben diesem Periodikum gab der Verein der Plakatfreunde auch verschiedene andere wichtige Publikationen heraus. Vor allem ist in diesem Zusammenhang der 1920 erschienene dritte Band der »Handbücher der Reklamekunst« zu nennen. Darin legte Hans Sachs, der seit 1898 alle Veröffentlichungen zum Thema Plakat gesammelt und verzeichnet hatte, eine Bibliographie zum Thema »Schriften über Reklamekunst« vor. Nicht weniger als 782 Bücher und Artikel wurden hier – thematisch gegliedert – aufgelistet, was eindrucksvoll die rege Forschungs– und Publikationstätigkeit auf diesem Gebiet dokumentiert. In regem Kontakt mit Hans Sachs stand der Wiener Rechtsanwalt und Sammler Ottokar Mascha, der einige Publikationen zur österreichischen Plakatszene herausgab. Von nachhaltiger Wirkung ist Maschas prachtvoll ausgestattete Arbeit »österreichische Plakatkunst., die 1915 erschien. Bis heute stellt dieses Buch ein Standardwerk zur Gebrauchsgraphik der Wiener Moderne der Jahrhundertwende dar. In der Zwischenkriegszeit, in der das Plakat noch als das stärkste Medium der kommerziellen und – seit dem Ersten Weltkrieg – auch der politischen Werbung galt, erschien eine Fülle von einschlägigen Publikationen. Im deutschsprachigen Bereich ist hier vor allem Walter von Zur Westen mit seinem umfassenden Werk »Reklamekunst aus zwei Jahrtausenden« zu nennen. 1924, im Erscheinungsjahr dieser historischen Untersuchung, kam in Berlin auch das erste Heft der Zeitschrift »Gebrauchsgraphik«, mit dem erläuternden Untertitel »Monatsschrift zur Förderung künstlerischer Reklame« heraus. Damit war ein Fachorgan geschaffen, das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Beachtung fand. In ähnlicher Weise war auch »The Studio« in England weiterhin ein Sprachrohr aktueller Alltagskunst. 1925 veröffentlichte Sydney Jones im Verlag dieser Zeitschrift mit dem Buch »Art and Publicity. Fine Printing and Design« einen umfassenden internationalen Überblick über das anspruchvollste moderne Graphikschaffen seiner Zeit. Wurde die Werbung in der Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts zu einem immer bedeutungsvolleren Faktor, so wurde auch die Analyse der Wirkungsmöglichkeiten der Medien immer professioneller. Ein eigener Berufszweig von »Reklamefachleuten« entstand, »Reklamewissenschaftliche Institute« wurden eröffnet und eigene Ausbildungskurse für Werbetreibende installiert. Die Fülle an Publikationen aus dieser Blickrichtung ist kaum überschaubar. Als Beispiel dazu sei etwa die 1926 in Berlin und Hamburg veröffentlichte Untersuchung »Plakat–Eichung. Wie man werbewirksame Plakate auswählt« erwähnt. Im Vorwort zu der Arbeit verlangte Hans Paul Roloff vom »Psychologischen Laboratorium der Hamburgischen Universität« eine Abkehr von dem alten »gefühls– und erfahrungsmäßigen« Zugang zu der Aufgabenstellung und lobte den nüchternen Geschäftssinn in den Vereinigten Staaten: »Was ist denn nun das Geheimnis der amerikanischen Reklame? Es ist die wissenschaftliche rationelle Ausarbeitung ihrer Methoden! Bei uns ist die Ausarbeitung neuer Reklamemethoden bis heute noch im wesentlichen eine "Kunst", eine Sache des Gefühls, bestenfalls der langjährigen Erfahrung: in Amerika ist sie eine Wissenschaft, eine Sache der nüchternsten Berechnung, des exaktesten Experiments.«(114) In Europa waren es im Bereich der Politik vor allem die totalitären Parteien und in der Folge die autoritären Regime, die sich mit wissenschaftlicher Präzision mit den Möglichkeiten der Beeinflussung der menschlichen Psyche auseinandersetzten. Gerade im Nationalsozialismus galt die Propaganda als echte »Wunderwaffe«, mit der man Kriege gewinnen, an die Macht gelangen und sogar Mörder zu Heiligen machen konnte – und das alles natürlich auch umgekehrt. Dabei wurden alle zur Verfügung stehenden Medien voll ausgenützt, wobei gerade dem Plakat eine ganz wesentliche Bedeutung zukam. Die Installierung eines »Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« unter Joseph Goebbels gleich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im Jahr 1933 ist ein wesentlicher Indikator für die hohe Einschätzung dieser Beeinflussungstechnik. Arbeiten wie »Das politische Plakat. Eine psychologische Betrachtung« von Erwin Schockel und »Das Kampfplakat. Aufgabe, Wesen und Gesetzmäßigkeit des politischen Plakats, nachgewiesen an den Plakaten der Kampfjahre 1918-1933« von Friedrich Medebach dienten der Analyse des Themas aus der Sicht der NS–Propagandisten. Im Zuge der gewaltigen Beschleunigung der Kommunikationsformen, die nicht zuletzt durch den Zweiten Weltkrieg zugenommen hatte, waren es zunehmend die bewegten Bilder, wie Film und Fernsehen, die nicht nur in der Werbung zu den vorherrschenden Elementen wurden. Das Plakat entwickelte sich in diesem Gesamtkontext zu einer Facette des graphic designs, wobei die vielen an der Praxis orientierten Publikationen aus allen Ländern, wie etwa die »Art Directors Yearbooks«, für einen überaus raschen Austausch an Gestaltungsideen sorgten und sorgen. Der dadurch bedingte rasante Informationsfluß sowie die großen internationalen Werbeagenturen haben zu einem großen weltumspannenden Gestaltungsstil geführt. Durch den Siegeszug des Fernsehens hat sich die Bedeutung des Plakates im Spektrum der Informationsmedien stark verändert. Diese deutliche Zäsur in der Entwicklung, die in den fünfziger Jahren anzusetzen ist, hat zu einer verstärkten analysierenden Rückschau geführt, wobei sich das Wort von Julius Klinger, daß Plakate später einmal starke Kulturdokumente sein würden, bewahrheitet hat. So waren es zunächst auch die Historiker, die sich mit dem Phänomen retrospektiv beschäftigten. Im deutschen Sprachraum sind hier sicher die 1965 erschienenen Arbeiten wie »Das deutsche Plakat. Von den Anfängen bis zur Gegenwart« und »Deutsche Plakatkunst und ihre Meister« von Hellmut Rademacher als Meilensteine der geschichtlich orientierten Medienanalyse zu nennen. Zusammenfassend schrieb Rademacher einmal: »Als Quelle historischer Erkenntnis, als Gegenstand ästhetischen Genusses, als anschaulicher Ausdruck sich entwickelnden gesellschafllichen Bewußtseins spielt das Plakat eine wichtige und eigentlich auch unersetzliche Rolle«.(115) In den siebziger Jahren kam es in Deutschland in Zusammenarbeit der wesentlichen Sammlungen zu einer grundlegenden Aufarbeitung des Themas »Das frühe Plakat in Europa und den USA« in Form eines Bestandskataloges. Die Herausgeber, Beiträger und Bearbeiter haben damit ein epochales Werk geschaffen, das für viele Autoren, Ausstellungsmacher, Illustratoren und Museologen zum notwendigen Arbeitsbehelf wurde.(116) Der Katalog, der nach Ländern und innerhalb dieser nach Graphikern geordnet ist, hat damit auch die eigenschöpferische Leistung der Plakatentwerfer aufgewertet und in das rechte Licht gerückt. Eine in den letzten Jahrzehnten steigende Zahl von Monographien über Plakatgraphiker hat diesen Trend bestätigt und ein gestiegenes Interesse der Kunsthistoriker an dem Spektrum der kulturellen Entwicklung dokumentiert. Die ungeheure Macht der Bilder, die zunehmende Bedeutung nonverbaler Kommunikation in der Welt der Massenmedien führte zur Etablierung einer eigenen Wissenschaft der Zeichen, der Semiotik. Der rasche Wechsel und Austausch von Bildern in Werbung, Mode und Entertainment liefert anschauliches Material über den Zustand einer Gesellschaft. Nur eine bewußte Auseinandersetzung mit dem Phänomen der umfassenden und nahezu ständigen Beeinflussung durch die visuellen Medien, unter denen das Plakat immer noch eine wesentliche Rolle spielt, kann zu einer notwendigen kritischen Distanz führen. Der Schriftsteller und Semiotiker Umberto Eco forderte schon 1967 eine Art »semiologische Guerilla«, also »kulturell gut vorbereitete Gruppen«, die anderen helfen sollten, das Fernsehen, die Zeitungen, die Unterhaltungsliteratur und die Werbung richtig »zu lesen«.(117) Denn es ist ein wesentlicher Schritt zur persönlichen Freiheit des einzelnen, wenn er weiß, daß und wie er manipulierbar ist. Die theoretische Beschäftigung mit der Entwicklung des Mediums Plakat kann dazu beitragen. Bernhard Denscher
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