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Die Ausstellung beschäftigt sich mit der fiskalischen Ausplünderung
jüdischer Bürger in der Nazizeit. Anhand zahlreicher Dokumente,
Fotografien und Exponate stellt sie die Geschichte des gesetzlich
legalisierten Raubzuges und seiner Opfer sowie die zentrale Rolle
des Fiskus in dem Geschehen dar. Die Ausstellung zeigt, dass der
Ermordung der deutschen Juden die planmäßige und massenhafte
Vernichtung von Existenzen vorausging, die für das „Deutsche
Reich“ eine schamlose Bereicherung unerhörten Ausmaßes
bedeutete. Hohe Sondersteuern und Zwangsverkäufe von Häusern,
Firmen und Kunstgegenständen weit unter ihrem Wert gehörten
zu dieser Politik ebenso wie die Entziehung des Eigentums der Emigranten
und die öffentliche Versteigerung der letzten verbliebenen
Habseligkeiten der Deportierten.
Die Ausstellung
Eine Ausstellung von Professor Dr.
Wolfgang Dreßen, die im Herbst 1998 im Stadtmuseum Düsseldorf
unter dem Titel „Betrifft: ,Aktion 3'. Deutsche verwerten
jüdische Nachbarn" eröffnet wurde, rückte die
fiskalische Ausplünderung der Juden unter der NS-Diktatur erstmals
in das Blickfeld einer weiteren Öffentlichkeit. Gezeigt wurden
dort einschlägige Unterlagen aus dem Bezirk der Oberfinanzdirektion
Köln. Zu der Thematik lagen schon damals umfangreiche Aktenbestände
auch in den hessischen Staatsarchiven vor, es fehlte aber an einer
zusammenhängenden Darstellung. Das Land Hessen stellte daher
im Jahr 1999 die Mittel für ein entsprechendes Forschungsprojekt
zur Verfügung, das vom Fritz Bauer Institut in enger Zusammenarbeit
mit dem Hessischen Hauptstaatsarchiv durchgeführt wurde.
Die gesichteten Devisenakten, Steuerakten,
Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer Rechtsanwälte
belegen eindrücklich die fiskalische Ausplünderung der
jüdischen Bevölkerung Hessens im „Dritten Reich“.
Die Akten zeigen, dass die so genannte Arisierung jüdischer
Unternehmen nur die „Spitze des Eisbergs“ gewesen ist:
In enger Kooperation zogen unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden,
Zollfahndung und Devisenstellen gemeinsam mit der Gestapo und anderen
Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher,
Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürgerinnen
und Bürger ein. Sie belegten ihre Opfer mit Sondersteuern und
Strafkontributionen und versteigerten öffentlich das Hab und
Gut der aus Deutschland Geflohenen oder Deportierten. Diese Ausplünderung
war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich
Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.
Das Forschungsprojekt des Fritz Bauer
Instituts bildete die Grundlage für die gemeinsam mit dem Hessischen
Rundfunk konzipierte und realisierte Ausstellung sowie den Film
„Der große Raub“ (hr, 2002). Die Ausstellungstafeln
beschäftigen sich mit den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen
sowie den entscheidenden Ereignissen („Reichskristallnacht“,
„Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz 1941“).
Sie stellen den Aufbau der Reichsfinanzverwaltung und die Verantwortlichen
auf den unterschiedlichen bürokratischen Ebenen vor. Ein weiterer
Block beschäftigt sich mit den kooperierenden Interessengruppen
in Politik und Wirtschaft, aber auch mit dem „deutschen Volksgenossen“
als Profiteur. Schließlich wird nach der sogenannten Wiedergutmachung
gefragt: Wie ging die Rückerstattung in Hessen und Berlin vor
sich, wie erfolgreich konnte sie angesichts der gesetzlichen Ausgangslage
und der weitgehend ablehnenden Haltung der Bevölkerungsmehrheit
sein?
Die Vitrinen der Ausstellung sind
den Opfern der Ausplünderung gewidmet - beispielsweise dem
Journalisten Artur Lauinger aus Frankfurt am Main, dessen Geschichte
hier kurz erzählt werden soll:
Artur Lauinger
Artur Lauinger
wurde am 23. August 1879 in Augsburg geboren. Er entstammte
einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die seit Generationen
mit Hopfen handelte. Nach dem frühen Tod des Vaters
lebte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern einige
Jahre in der Schweiz und verlor in dieser Zeit seine deutsche
Staatsangehörigkeit.
Dieser Umstand sollte in seinem
Leben zweimal eine wichtige Rolle spielen: Als der 21jähige
nach dem Abitur in die kaiserliche Armee eintreten wollte,
wurde ihm die Aufnahme zunächst verweigert. In München
diente er schließlich als Einjähriger und setzte
anschließend sein in Tübingen begonnenes juristisches
und wirtschaftliches Studium fort.
1902 trat Lauinger in die
Börsenredaktion des „Berliner Tagblatts“
ein. 1907 wechselte er zur renommierten „Frankfurter
Zeitung“. 1910 heiratete er die Apothekerstochter
Mathilde Hepp. 1913 und 1918 wurden seine beiden Söhne
Herbert und Wolfgang geboren, mit denen er nach seiner Scheidung
bis zu seiner zweiten Eheschließung 1928 allein lebte. |
hr / Wolfgang Lauinger |
Weltanschaulich national-liberal,
war es für Lauinger selbstverständlich, sich bei Ausbruch
des Ersten Weltkrieges freiwillig zu melden, zumal er den Kriegsausbruch
als Befreiung aus einer Situation persönlicher Stagnation erfuhr:
Die steile und schnelle Karriere hatte ihn in eine innere Krise
geführt. Der bayerische Wehrpass ermöglichte dem noch
immer Staatenlosen, der immer wieder um seine Entdeckung fürchtete,
die Kriegsteilnahme.
Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz,
kehrte Lauinger nach Frankfurt zurück und profilierte sich
in den zwanziger Jahren bei der „Frankfurter Zeitung“
als Fachmann für das Versicherungswesen. Nach der Aufdeckung
eines Versicherungsskandals wurde er in das „Reichsaufsichtsamt
für Privatversicherung“ berufen. Im Goethe-Jahr 1932
wurde er mit der Goethe-Medaille geehrt.
Der anerkannte Wirtschaftsjournalist
und Fachmann für Versicherungsfragen wurde 1937 als Jude von
der „Frankfurter Zeitung“ entlassen. Ungefähr neun
Monate später fuhren zwei LKWs vor der Wohnung in der Niedenau
vor. Artur Lauingers Frau schilderte die Geschehnisse nach dem Krieg:
"Auf dem einen LKW befanden sich
leere Säcke, auf dem anderen standen SA Leute und einige Zivilisten.
Dieselben begaben sich in die Wohnung meines Mannes, um die „Tragbarkeit“
seiner Bibliothek festzustellen. Die Zivilisten musterten die in
den Regalen befindlichen Bücher und bezeichneten sämtliche
Luxusausgaben mit Lederrücken als nicht tragbar. In der Zwischenzeit
hatten die SA Leute die leeren Säcke geholt und verpackten
die sämtlichen als nicht tragbar bezeichneten geplünderten
Werke , über 300 Stück, in die Säcke. Es waren dies
mindestens 10% der aus über 3000 Bänden bestehenden Bibliothek
meines Mannes. Als Entschädigung erhielt derselbe durchschnittlich
RM 0.5o per Band, also rund ca. RM 150. Die Werke waren durchweg
seltene wertvolle Memoiren in Luxusausstattug."
Das war der Beginn der Ausplünderung
der Familie Lauinger. Nach mehrfacher Inhaftierung unter anderem
im Konzentrationslager Buchenwald verließ Artur Lauinger Deutschland
im Sommer 1939 mit fünf Mark in der Tasche: Das Familiensilber
und den Schmuck seiner Frau hatte er vorher zu einem Bruchteil des
Wertes zwangsverkaufen und seine Ersparnisse für die Bezahlung
zahlreicher Sonderabgaben und Steuern verwenden müssen: „Ich
ging mit meiner Frau nackt wie ein Spatz auf das Schiff das mich
nach England tragen sollte. Das Maß der vorangegangenen Bedrückungen
körperlicher und noch mehr moralischer Art ließ mir diesen
Zustand der Entblößung von allen Mitteln für die
Zukunft als tragbar, gewissermaßen gleichgültig, erscheinen“,
schrieb er in seinen unveröffentlichten Memoiren. „Judenvermögensabgabe,
Reichsfluchtsteuer, Beitreibungen durch die Golddiskontbank für
mitgenommenes Auswanderungsgut, fast entschädigungslose Ablieferung
aller Metall- und Schmuckwertstücke, Sonderabführungen
an die öffentlichen Ämter bei Genehmigung von Geschäfts-
und Hausverkäufen, Sonderjudenabgaben für die Religionsgemeinschaft,
das waren so ungefähr die Titel, unter denen verhindert wurde,
daß der zur Auswanderung gezwungene verhindert wurde, auch
nur einen bescheidenen Teil seines Gutes in das Ausland mitzunehmen
...“ Dennoch hoffte Artur Lauinger auf eine Heimkehr nach
Frankfurt: „Ich werde, solange mir die Sonne scheint, im tiefsten
Herzen ein Diener der Heimat, ihr getreuer Sohn, bleiben.“
1946 kehrte er nach Frankfurt zurück.
Er nahm seine Tätigkeit als Journalist wieder auf und schrieb
unter anderem für die „Frankfurter Neue Presse“.
Vehement wendete er sich dabei gegen die These von einer Kollektivschuld
des deutschen Volkes. 1952 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz
geehrt.
Dennoch blieb auch ihm das Schicksal
vieler Überlebender nicht erspart: Als er bat, diejenigen zu
suchen und zu bestrafen, die ihn und andere nach der Pogromnacht
1938 in der Frankfurter Festhalle zusammengeschlagen hatten, erhielt
er eine abschlägige Antwort – die Unterlagen wären
vernichtet. Auch der Denunziant, der ihn wegen angeblicher „Rassenschande“
angezeigt hatte, wurde nicht gefunden. Die Jahre nach seiner Rückkehr
waren geprägt von Schriftwechseln, in denen es um die Wiedergutmachung
ging. Was die entzogenen Bände seiner Bibliothek betraf, wurde
ihm entgegengehalten, es habe sich um einen ordnungsgemäßen
Verkauf gehandelt – er habe doch Geld bekommen. Artur Lauinger
starb 1961 - drei Jahre nachdem die langjähige Auseinandersetzung
um die Wiedergutmachung endlich beendet worden war - im Alter von
82 Jahren in Frankfurt.
Die
Ausstellung wandert seit ihrer ersten Präsentation in Frankfurt
am Main im Mai 2002 sehr erfolgreich durch Hessen und wird nun auch
in Berlin im Deutschen Historischen Museum zu sehen sein. Dabei
gehört es zu den Besonderheiten des Projektes, dass die Ausstellung
für jeden Präsentationsort mit einem neuen regionalen
Schwerpunkt versehen wird, der sich mit der Geschichte des legalisierten
Raubes am Ausstellungsstandort befaßt. So planen die Ausstellungsmacher
für Berlin in Zusammenarbeit mit dem Historischen Forschungsinstitut
Facts & Files neue Ausstellungstafeln und Vitrinen, die sich
u.a. mit der Geschichte der renommierten Galerie van Diemen und
der Versteigerung ihres Bestandes durch Paul Graupe beschäftigen
werden.
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