Die Büchergilde Gutenberg wurde erstmals durch die Prämierung des Nürnberger Bilderbuchs von der Stiftung Buchkunst im Jahre 1971 auf den Künstler Michael Mathias Prechtl aufmerksam. Schon ein Jahr später erfolgte 1972 der erste Auftrag zur Illustration des Buches Das bayerische Decameron von Oskar Maria Graf. Mit der Lieferung der erotischen, z. T. zeitgenössisch sehr umstrittenen Zeichnungen beginnt eine mehr als dreißig Jahre dauernde Zusammenarbeit zwischen dem Verlag und Prechtl.

Neben weiteren Buchillustrationen, z. B. zu Dantes Göttlicher Komödie (1977), zu Thomas Mores´ Utopia (1985) und zu E. T. A. Hoffmanns Kater Murr (1996), sind verschiedene von Prechtl illustrierte Kalender Ergebnisse dieser Zusammenarbeit. So erschienen etwa 1984 Prechtls Literaturkalender mit 13 Charakterbildern zum Orwell-Jahr und 2000 ein sogenannter Literatierkalender.


Die Werbung
(Illustration in: Oskar Maria Graf: Das Bayerische Dekameron
, Frankfurt am Main: Büchergilde Gutenberg, 1972)

 

 

Da die Bücher der Büchergilde Gutenberg nur an die Mitglieder der Buchgemeinschaft verkauft werden, ging die Büchergilde um Prechtls Arbeiten einer größeren Öffentlichkeit präsentieren zu können mit dem C. H. Beck Verlag in München eine Kooperation ein. So wurden alle illustrierten Bücher auch beim C. H. Beck Verlag verlegt und sind so als leicht veränderte Ausgaben im freien Buchhandel erhältlich.

Inwieweit eine politische Nähe des Künstlers zur fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Büchergilde beigetragen hat, ist nicht ganz klar. Doch lässt sich feststellen, dass sowohl die Büchergilde Gutenberg als auch Prechtl sich in einem gewerkschaftlich bzw. sozialdemokratisch geprägten politischen Milieu bewegen.

Die Büchergilde war bis 1998 ein gewerkschaftseigener Betrieb und kann auf eine lange Geschichte innerhalb der Arbeiterbewegung zurückblicken.

In vielen Werken Prechtls ist sein soziales und politisches Engagement zu erkennen. Besonders in der Werkgruppe Intime Sitten- und Kulturgeschichte des Abendlandes werden Stellungnahmen zu seiner Sichtweise von Politik und Zeitgeschichte deutlich.

 

 
Die Ermordung der Volkstribunin Rosa L. durch die drei Musketiere (1981)




Die Polizei von Athen prügelt die Jünger des Sokrates (1968)
 

 

In den sechziger Jahren kam Prechtl in Kontakt mit der den Kommunisten nahestehenden Künstlergruppe Tendenzen, die von Richard Hiepe geführt, in München eine gleichnahmige Zeitschrift herausgab. Ein Ergebnis dieses Kontaktes sind die Teilnahme Prechtls an zwei von Hiepe mit erarbeiteten Ausstellungen, eine Rezension in der Zeitschrift Konkret und ein Zusammentreffen mit Alfred Hrdlicka.

Ohne jemals formal Mitglied bei den Tendenzen geworden zu sein, kam es aber schnell zu einer Entfremdung zwischen dem Künstler und der Gruppe. Der Einzelgänger Prechtl konnte und wollte sich im Gegensatz zu vielen seiner jüngeren Kollegen nicht dem Stil und den politischen Grundsätzen e i n e r Künstlergruppe unterordnen.
Die Ablehnung kommunistisch-orthodoxer Sichtweisen lässt sich vermutlich auch durch die Biographie Prechtls erklären. Prechtl äußerte selber bezugnehmend zu seiner Erziehung im Nationalsozialimus und seiner "Umerziehung" in sowjetischer Kriegsgefangenschaft (1945 - 1949):
»Noch ehe ich das fünfundzwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, waren mir drei grundverschiedene >ewige< und >historische< Wahrheiten beigebracht worden. Um Wahrscheinliches von Unglaubwürdigem zu trennen, stellte ich alles in Frage. Mein gesellschaftskritischer Ansatz wurde der Zweifel.«

 

 

Neben seinem Skeptizismus war es laut Prechtl auch seine »natürliche Veranlagung zu Ironie und tieferer Deutung [..], [die] sich schlecht mit Linientreue zu einem Programm [vertrug].«

Dazu kommt wahrscheinlich aber auch sein Wissen um die historischen Fakten, das ihn den orthodoxen Kommunismus ablehnen ließ, wie es sein Werk Kaukasische Bergsteigertragödie, das mit dem Blick des Künstlers den stalinistischen Auftragsmord an Trotzki in Mexiko darstellt, nahelegt.



Kaukasische Bergsteigertragödie (1976)
 

 

Prechtls Vita weist in den siebziger Jahren schließlich eher eine Nähe zur Sozialdemokratie auf.
Neben der Bekanntschaft mit Günter Grass lernte er so nach mehreren Proträtszeichnungen Willy Brandt kennen.
Für die hessische SPD beteiligte sich Prechtl 1976 auch mit einer Zeichnung an der Gestaltung der Wahlkampfzeitung Hessischer Landbote. Außerdem erhielt Prechtl für seine Arbeiten einen Kulturpreis der Partei.

Trotz seiner Kontakte zu verschiedenen Figuren, die sich wohl selber als »links« definieren würden, hat sich Prechtl politisch nie festgebunden. Zu der Frage, ob er sich denn selber als »links« bezeichnen würde, anwortet er heute, den Begriff ironisierend:
»Ernst Jandl hat es schön gesagt: >manche meinen, lechts und rinks kann man nicht verwechsern. Welch ein Illtum!< >Links ist, wo der Daumen rechts ist,< sagte meine Mutter. >Das Herz schlägt links< meint manch einer. Stimmt nicht! Es sitzt unter dem Brustbein genau in der Mitte. Ich muß es wissen, man hat mich da einmal aufgeschnitten«.

Dirk Mellies

 



 

Geschichte des Verlagshauses der Büchergilde Gutenberg

Auswahl der von Prechtl illustrierten Büchern der Büchergilde Gutenberg