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Daß derjenige, der als Unternehmer in diesem Prozeß
führend beteiligt ist, die gleichen Qualitäten braucht,
deren ein Künstler bedarf, ja, diese Qualitäten
erst im Laufe seiner Tätigkeit entwickelt, war eine späte
Versöhnung des Zwiespalts zwischen der Neigung zu »Malerei,
Literatur« und der Pflicht zu »Physik, Mathematik und
Chemie als Grundlagen neuzeitlicher Wissenschaft und Technik«.
IV
Walther Rathenau hatte zuvor jedoch noch einen anderen Weg zum
gleichen Ziel skizziert, indem er die Behauptung, daß »die
Not der Mechanisierung (...) ihre Gegenkräfte bereits erzeugt
54 habe, so interpretierte, daß nicht die Mechanisierung
sich gewissermaßen selbst zerstörte, sondern daß
sie durch die Entstehung des zu ihr ganz anderen zerstört
würde: »Mechanistische Mittel werden die mechanistischen
Übel nicht heilen.« 55 Rathenau erwartete, nein,
er verkündete die »Befreiung aus der Kette unablässiger
Zweckgedanken«56 durch die »Geburt der Seele«: »Es
wird nichts geschehen, als daß die Menschheit unter dem
Druck und Drang der Mechanisierung, der Unfreiheit, des fruchtlosen
Kampfes, die Hemmnisse zur Seite schleudert, die auf dem Wachstum
ihrer Seele lasten.«57
Die Seele ist für Rathenau das Gegenteil des Intellekts und
des Verstandes, auf denen die Mechanisierung begründet ist.
Die Seele »faßt die Welt nicht mit den Krallen des
Verstandes«58, wohingegen durch unmäßige Ansprüche
an den Intellekt (...) die Keime der Seele im Wachstum gehemmt«59
werden. Rathenau näherte sich mit dieser Gegenüberstellung
erneut seinem alten Gegensatzpaar von Furchtmensch und Mutmensch,
und in der Tat sprach er jetzt von »Seelenlosen; denn als
solche erkennen wir nunmehr die Menschen, die wir vordem nach
Furcht und Zweck benannt haben.«60 Er stellte diesen Seelenlosen
die Seelenhaften gegenüber, und obwohl er hervorhob, daß
»die Fähigkeit, Seelenkräfte zu entbinden, (...)
keiner Menschennatur von Grund aus versagt« sei, glaubte er doch,
»von seelenlosen Völkern und Stämmen reden«61
zu können, die er dann in den »Gegensatz seelenhaft-mutiger
und unbeseelt-zweckhafter Völker«62 einfügte. Über
einen kleinen Umweg schließlich läßt sich noch
genauer erfassen, wovon Rathenau spricht, wenn er seelenlose von
seelenhaften Völkern unterscheidet. »Die Kunst seelenloser
Völker ist typische Kunst« und unter typischer Kunst
versteht er »Kunst als Mittel zum Zweck, als Mittel der Beschreibung
und Propaganda, des Gottesdienstes, der Illustration und Dekoration«.63
»Das Vorbild neuzeitlich typischer Kunst bietet Frankreich«64
und so ist es keine Frage mehr, daß es sich bei den Franzosen
um ein seelenloses Volk handelt: »Der Sinn des neunzehnten
Jahrhunderts hat in seiner mechanistischen, schnell erfassenden,
geistvollen und verblüffenden Seite keine adäquatere
Versinnlichung erfahren als durch die französische Malerei;
die Deutung seiner schmerzenvollen, sehnsüchtigen und ahnenden
Tiefe verblieb der deutschen Musik. Daß das Urbild wahrhaft
persönlicher und somit transzendenter Kunst nur vom germanischen
Geiste ausging, muß nach dem Gesagten nicht mehr erläutert
werden. «65
Fußnoten
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