Albert war sich dessen wohl bewußt. 1850, sieben Jahre bevor er - nicht per Parlamentsbeschluß, sondern durch einen Patentbrief der Königin - den Titel "Prinzgemahl" erhielt, bezeichnete er sich selbst gegenüber dem Herzog von Wellington als "Gatten der Königin, Hauslehrer der königlichen Kinder, Privatsekretär des Souveräns und ihr permanenter Minister". Und um die letzte dieser Charakterisierungen zu präzisieren, dürfen wir getrost auf einen Ausspruch Disraelis zurückgreifen: Albert war "der erste Berater eines Reiches, dessen politische Verfassung noch nicht einmal die Existenz seiner Person anerkannte".

Die Verfassung war indes nicht schriftlich niedergelegt und ließ einen viel größeren Spielraum für königliche Vorrechte, als Walter Bagehot in seinem 1867 erschienenen, brillanten Essay The English Constitution wahrhaben wollte; und diese Verfassung, die Victoria 1837 am Tag ihrer Proklamation in einer vielgepriesenen Rede vor dem Staatsrat "zu achten und zu lieben" versprach, entwickelte sich fortwährend in unterschiedlichen und für Victoria nicht immer nachvollziehbaren Richtungen weiter. Schon bei ihrem Amtsantritt hatte sie sich beträchtlich von dem entfernt, was ihr Großvater Georg III. seinerzeit als "die schönste Kombination, die jemals gefügt wurde", bezeichnete. Die Verfassung beruhte viel stärker auf Konventionen als auf Regeln und entwickelte sich sowohl infolge von sozialem Druck wie auch infolge politischer Debatten und Konflikte ständig weiter.

Das Aufkommen der modernen politischen Parteien und des Staatsbeamtentums machte weitere Neuerungen notwendig, und diese Entwicklung hielt auch 1901 noch an. Der von Victoria hochgeschätzte Politiker und Historiker James (nachmals Viscount) Bryant bezeichnete die Verfassung in jenem Jahr als "eine Masse von Präzedenzfällen, die im Gedächtnis der Menschen fortleben oder schriftlich aufgezeichnet wurden, von juristischen oder staatsmännischen Aussprüchen, von Gebräuchen, Usancen, Anschauungsweisen und Überzeugungen in betreff der Art und Weise der Regierung, verbunden mit einer gewissen Anzahl von Gesetzen ..., die ihrerseits fast ausnahmslos solche Präzedenzfälle und Gebräuche voraussetzen oder damit vermischt sind und die allesamt von einem parasitischen Dickicht richterlicher Urteile und politischer Gewohnheiten überwuchert werden, ohne die die Gesetze so gut wie unausführbar blieben oder sich zumindest ganz anders auswirken würden, als sie es in Wahrheit tun."