Um diese riesige Portraitgalerie aufzubauen, griff die Königin vorwiegend auf deutsche Künstler zurück. Noch vor ihrer Heirat hatte die junge Königin bereits unglückliche Erfahrungen mit den wichtigsten offiziellen britischen Malern gemacht. Auf den informellen Gruppenportraits von Malern wie Grant und Leslie fand sie sich zwar gut getroffen, aber die großen offiziellen Portraits von Shee und Wilkie hielt sie für völlig mißlungen. Die wichtigsten Aufträge während ihrer ersten Regierungsjahre gingen an George Hayter, der unermüdlich und mit großem Sachverstand für sie arbeitete, insbesondere an drei großen Portraitgruppen: ihrer Krönung, ihrer Hochzeit und der Taufe des Prince of Wales am 25. Januar 1842. 1843 wurde Hayter nach Potsdam entsandt, um für das letzte dieser drei Gemälde ein Bildnis des Königs von Preußen anzufertigen, und später malte er eine kleine Skizze des Fests auf Sanssouci, an dem er während seines Aufenthalts teilgenommen hatte. Doch allmählich wurden die Königin und zweifellos auch Prinz Albert der Arbeiten Hayters überdrüssig. Noch 1852 hoffte er, ihre Portraits für die Guildhall in Windsor malen zu dürfen, bis er zu seinem Leidwesen erfuhr, daß das Rathaus bereits Kopien der 1843 von Winterhalter gemalten lebensgroßen Bilder erhalten hatte. Obschon Königin Victoria seit Beginn ihrer Regierungszeit um die Befürchtungen wußte, sie und der Prinz könnten ausländische Künstler bevorzugen, kam aus den unterschiedlichsten Gründen kein einziger der wichtigsten Londoner Portraitmaler, denen sie offenbar mit unüberwindlichem Mißtrauen begegnete, in den Genuß ihres Mäzenatentums. Ihre beinahe vollkommene Vernachlässigung der einheimischen Talente im Bereich der Portraitmalerei zog unweigerlich auch Kritik auf sich, ja, nach ihrem Tode gab man ihrem Thronfolger eindeutig zu verstehen, daß er die wichtigsten königlichen Aufträge nicht an ausländische Künstler vergeben dürfe. Die Vorurteile der Königin waren jedoch durch praktische Erwägungen gerechtfertigt. Ein Londoner Maler hätte den königlichen Auftrag neben zahlreichen anderen Arbeiten ausgeführt, und die Verhandlungen über Modellsitzungen und Bezahlungsweise konnten deshalb leicht zu unersprießlichen Querelen führen. Ein ausländischer Maler wurde demgegenüber für einen festen Zeitraum nach England bestellt, um zu einem festgelegten Preis genau bestimmte Aufträge auszuführen, und konnte während seines Aufenthalts in London seine ganze Aufmerksamkeit der Königin widmen. Er erhielt eine Unterkunft und ein Atelier und konnte ungestört an dem königlichen Auftrag arbeiten, mitunter bekam er sogar ein höchst anregendes Ambiente geboten.
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