Was darüber hinaus die Entwicklung zweier Prinzen aus einem so unbedeutenden Fürstentum förderte, war die weit verstreute Verwandtschaft. Die Coburger Großmutter Ernsts und Alberts, eine resolute Person, hatte ihre große Kinderschar gut unter die Haube gebracht, nach Rußland und Ungarn, Württemberg und Österreich. Ihr Liebling Leopold hatte die englische Thronfolgerin Charlotte geheiratet, die Tochter Victoria erst den Fürsten zu Leiningen, nach dessen Tod den Herzog von Kent. Charlotte starb im Kindbett, Leopold wurde König der Belgier und brachte die berühmte Coburger Heiratspolitik erst richtig in Schwung. "Das Gestüt Europas", witzelte Bismarck. Leopold war von seinem Bruder gebeten worden, die Vormundschaft bei Ernst und Albert zu übernehmen, falls ihm etwas zustoßen sollte, und König Leopold, der von seinem Neffen Albert ebenso innig geliebt wurde wie von seiner Nichte Victoria, begann sich nun auch ohne Vormundschaft um die Prinzen zu kümmern.

Albert war ein stiller, schüchterner Junge, der nicht erkennen ließ, wie tief er durch die Kindheitseindrücke von Vater und Mutter verletzt war. Er war gehorsam, aber er neigte auch dazu, seine Meinung doktrinär durchzusetzen, wie sein Erzieher berichtete. Alberts Jugend- und Studiengefährten wußten nur Lobendes über ihn zu berichten, als sie ihre Erinnerungen aufschrieben: nachdenklich, naturliebend, musikalisch; für alles aufgeschlossen. Er turnte, schwamm, ritt, schoß gut, kegelte, spielte gern Schach. Wirkte im Amateurtheater mit, komponierte. Willensstärke und Selbstdisziplin werden gepriesen. Umsicht, schnelle Auffassungsgabe, praktische Veranlagung, leidenschaftsloses Urteil, Wissensdurst, Arbeitsfreude, vorzügliches Gedächtnis - ein Übermensch. Doch die Fülle positiver Eigenschaften hatte auch Defizite im Gefolge. Onkel Leopold hatte jedenfalls bestimmte Absichten mit ihm, und zwar im Zusammenhang mit seiner Nichte Victoria. Der Herzog borgte sich beim Hofbuchdrucker in Amorbach das Reisegeld (zurückgezahlt wurde es nie, der britische Hof steht also noch immer beim heutigen Zeitungsverleger in der Kreide) und kutschierte mit seiner Frau im achten Monat gerade noch rechtzeitig nach London. Victoria wurde in Kensington Palace geboren, ein halbes Jahr vor ihrem Vetter Albert.