Der Hof, der 1837 als Träger großer Hoffnungen begonnen hatte, zeigte mithin schon 1840 eine gewisse Tendenz, in die Tradition seiner Vorgänger zu treten: Sittenverfall, ein Unvermögen, die gesamte Bandbreite der aristokratischen Gesellschaft einzubinden, politische Einseitigkeit. Die Königin selbst war unerfahren, ihre Gefühle waren leicht zu erregen; die Heirat mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha im Februar 1840 brachte ihr persönlich eine größere innere Festigkeit und sollte auch den Hof für die nächsten 20 Jahre verwandeln.

Alberts Hof

Der Einfluß Prinz Alberts auf seine Frau kann gar nicht überschätzt werden. Nachdem sie für kurze Zeit ihre überlegene Stellung als Königin betont hatte (indem sie Alberts Angestellten die Termine diktierte und sich beiden nur die kürzesten Flitterwochen gönnte), überließ sich Victoria seiner Führung. Windsor wurde beliebter als London, und die entlegenen neuen Residenzen in Osborne und Balmoral wurden den beiden anderen vorgezogen. Das Landleben wurde wichtiger als der gesellschaftliche Trubel (Albert war berühmt dafür, daß er die langen Soireen der Londoner Gesellschaft nicht vertrug), und die ernsthafte Auseinandersetzung mit politischen Dingen wurde mit der Zeugung und Erziehung einer Familie von neun Kindern verbunden. Natürlich veränderte dies auch die Atmosphäre am Hof.

Politisch traf Alberts Ankunft in England mit dem Zusammenbruch des Whig-Monopols am Hof zusammen: Seine eigenen Sympathien galten Peels Konservativen, und 1841 handelte Peel durch Alberts Vermittlung die heiklen Umbesetzungen in Victorias Hofstaat aus, an denen zwei Jahre zuvor die konservative Kabinettsbildung gescheitert war. Fortan war der permanente Hofstaat nicht nur politisch ausgewogener zusammengesetzt, sondern auch weniger offen in politische Bündnisse verstrickt. (Eine gewisse Anzahl Ämter, darunter die leitenden Positionen des Oberzeremonienmeisters, des Oberhofmeisters und des Oberstallmeisters, wurde weiterhin von dem jeweils amtierenden Kabinett bestimmt und wechselte mit der Regierung.) David Cannadine hat in einem Aufsatz überzeugend dargetan, daß es Victoria und Albert keineswegs um den Rückzug der Monarchie aus den politischen Tageskämpfen und den Verzicht auf politische Autorität ging, sondern daß sie sich gerade deshalb über die Parteien zu stellen versuchten, um Macht und Einfluß der Krone zu erhalten und womöglich auszubauen. Der Souverän, so glaubten sie, könne im Interesse des ganzen Landes handeln, ohne wie die Politiker auf ihre jeweilige Partei und Wählerschaft Rücksicht nehmen zu müssen.