Leopold, der 1831 erster König der Belgier wurde, leitete die Erziehung der Prinzessin. Zur Gouvernante wurde Johanna Lehzen, eine später geadelte hannoversche Pastorentochter, berufen, die den Geist des deutschen protestantischen Pfarrhauses in den Londoner Kensington Palace trug.Durch die tiefe Bindung an bürgerliche Tugenden wie Ordnungsliebe, Schlichtheit, Pünktlichkeit, Pflichtbewußtsein, Sparsamkeit und Frömmigkeit sollte sich Victoria zeitlebens charakteristisch von den Idealen des englischen Adels, aber auch von ihrem Enkel Wilhelm II. unterscheiden. Baronin Lehzen, eine Frau von gediegenen Kenntnissen, wurde, da Victoria ohne Altersgenossen aufwuchs, eine wichtige Bezugsperson. Über die Erfolge ihrer Erziehung äußerte sich Victorias Mutter positiv. "Den Hauptzug ihres Charakters", konnte sie von der 15jährigen sagen, "bildet ihre gute Urteilsgabe, die sie befähigt, sich mit Leichtigkeit zu unterrichten und bei jeder Frage, über die sie ihre Meinung äußern soll, schnell zu einer treffenden und zuträglichen Entscheidung zu kommen. Ihre Wahrheitsliebe ist so ausgeprägt, daß ich unbesorgt bin, dieses Bollwerk könnte durch irgendwelche Umstände gebrochen werden." Onkel Leopold sandte Victoria kurz vor ihrer Thronbesteigung seinen einstigen Coburger Leibarzt und jetzigen Brüsseler Geheimsekretär, den liberalen Christian Friedrich Freiherr von Stockmar, der ihr und ihrem Mann viele Jahre wichtigster Berater werden sollte.