Obschon der Artikel im Gewand der Satire daherkommt, enthält er an einem kritischen Augenblick von Victorias Herrschaft mehrere wichtige Einsichten in den Zustand der königlichen Portraitmalerei: erstens, daß die königliche Bildsymbolik ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Autorität der Monarchie und zur Manipulation der öffentlichen Meinung sein kann; zweitens, daß Victoria ihr Portrait in diesem Sinne nicht wirksam genug einsetzte; und drittens, daß Victoria von einem einheitlicheren Bild, wie es durch die Portraits Elizabeths I. (vgl. Kat.Nr. IV/5) transportiert wurde, profitieren könnte. Doch die Empfehlung, Victoria solle ihr Portraitbild durch einen Erlaß regeln, macht zugleich deutlich, wie stark sich der politische Kontext königlicher Selbstdarstellung seit dem 16. Jahrhundert gewandelt hatte. Sooft auch die junge, unverheiratete Victoria mit Elizabeth I. als archetypischer jungfräulicher Königin in Verbindung gebracht wurde, es wäre doch als höchst unpassend erschienen, wenn sie sich in ihrem Portraitbild oder auch nur in den Methoden seiner Herstellung zu eng an ihre Vorläuferin angelehnt hätte. Während der monarchische Absolutismus der Tudor-Zeit noch dynastische Darstellungen der unanfechtbaren Autorität und Majestät Elizabeths I. gerechtfertigt hatte, lag angesichts des Niedergangs der realen politischen Macht der britischen Monarchie im 19. Jahrhundert und des öffentlichen Unmuts über die Ausschweifungen am Hof Georgs IV. (reg. 1820-1830) die Vermutung nahe, daß die moderne königliche Propaganda mit einem keuschen Bild der Königin besser bedient wäre. Schon im März 1831 stellte Blackwoods Magazine die Portraits von Elizabeth I. der zeitgenössischen königlichen Bildsymbolik gegenüber und regte an, die modernen Portraits der Königsfamilie sollten jene Charaktertugenden hervorheben, welche die Untertanen zur Loyalität gegenüber ihrem Souverän anspornen, denn während "unsere Vorfahren ihre Ehrerbietung dem Geschlecht oder dem Status erwiesen, gehört die unsere ganz der Person".

Nichtsdestoweniger waren es vor allem Victorias Geschlecht und ihr Status als vierte weibliche Monarchin in der Geschichte Englands, die anfänglich eine große Faszination auf ihre Untertanen und Portraitisten ausübten, und die Maler wußten mit ihren Bildern aus der öffentlichen Begeisterung für eher oberflächliche Eigenschaften der jugendlichen Königin schnell Kapital zu schlagen. E. T. Parris' beliebte Zeichnung einer exotischen, schlanken und eleganten Victoria aus dem Jahr 1837 beispielsweise (Abb. 1) veranlaßte Bentley's zu der Bemerkung, daß der Künstler weniger Königin Victoria als vielmehr "eine Art halb englische, halb spanische Dame" dargestellt habe, die "bis zu den Ellbogen in Spitzen" stecke.