Hinsichtlich ihrer Wirklichkeitstreue waren die frühen Portraits, wie Bentley's zu Recht monierte, so widersprüchlich und verwirrend, daß sie sich schwerlich als Grundlage für ein dauerhaftes und breitenwirksames Image der Königin eigneten; dennoch dürfte es vor allem ihre Oberflächlichkeit und Realitätsferne gewesen sein, die eine entsprechende Wirkung verhinderten.() Wie bereits angedeutet, hing der Erfolg königlicher Bildsymbolik im 19. Jahrhundert zu einem guten Teil davon ab, ob es dem Künstler gelang, die persönlichen Qualitäten des Souveräns glaubhaft zu vermitteln. Indem die Maler sich für das rasch vermarktbare Bild der Victoria als glanzvoller junger Königin entschieden, statt sie als jenes höchste Vorbild darzustellen, nach dem die Öffentlichkeit zum Zeitpunkt ihres Regierungsantritts so verzweifelt verlangte, befriedigten sie zwar die kurzfristige öffentliche Neugierde, minderten jedoch nicht die allgemeine Unzufriedenheit mit der Krone.

Die frühen Jahre von Victorias Herrschaft

Als Victoria den Thron bestieg, befand sich die britische Monarchie in einem Zustand der Auflösung und sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Die politischen Verhältnisse standen ungünstig, und das zweifelhafte Benehmen mehrerer ranghoher Vertreter der Königsfamilie, allen voran Victorias unmittelbare Vorgänger Georg IV. und William IV., hatte den allgemeinen Unmut verstärkt. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hatten immer mehr Stimmen das ausschweifende Hofleben verurteilt und ihre weitere Unterstützung der Monarchie davon abhängig gemacht, daß der Souverän sich künftig enger an ihren eigenen bürgerlichen Werten orientiere und insbesondere jene Art achtbares Familienleben führe, das zum moralischen Kernstück der zunehmend stärkeren Mittelklasse geworden war. Diese Wünsche waren stets in den Wind geschlagen worden. Georg IV., der schon seit Jahren nicht mehr mit seiner Frau zusammenlebte und öffentlich mit verschiedenen Mätressen auftrat, löste schließlich einen Sturm der Entrüstung aus, als er sich anläßlich seiner Thronbesteigung 1820 unter Mißachtung der öffentlichen Parteinahme für seine Gattin scheiden lassen wollte, um zu verhindern, daß sie Königin wurde. Auch die zehn unehelichen Kinder Williams IV. waren gleichsam lebende Denkmäler der schändlichen Vergangenheit eines Königs, der nicht nur 20 Jahre mit ihrer Mutter im Konkubinat gelebt, sondern sie zu allem Übel am Ende auch noch verlassen hatte.