PFAHLHEIM: EINE AUSGRABUNGSRUINE DES 19. JAHRHUNDERTS
 
Die Ausgrabungen
Der Verlauf der Fundbergung, an der wegen damals im Königreich Württemberg noch fehlender Denkmalschutzbestimmungen mit dem "Museum vaterländischer Alterthümer Stuttgart" dem "Germanischen Nationalmuseum Nürnberg" der "Abteilung Vor- und Frühgeschichte des Völkerkundemuseums in Berlin" und dem "Altertumsverein Ellwangen" auch verschiedene Privatpersonen teilhatten. kann nur grob skizziert werden.
Nach dem Bericht von L. Mayer, Vorstand des Museums vaterländischer Altertümer in Stuttgart, in der Westdeutschen Zeitschrift von 1884, wurden im Frühjahr 1883 zwei größere, West-Ost-orientierte Grablegen mit Spathen (zweischneidige Langschwerter), Saxen (einschneidige Hiebschwerter), Schildbuckeln, zwei Lanzenspitzen und vielem mehr, darunter auch Frauenschmuck, aufgedeckt (Grab 1883/1-2). Im Sommer desselben Jahres stießen die Arbeiter auf zwei weitere Doppelgräber (1883/3-4). Herausragende Funde sind ein bronzenes Kettengehänge und eine silbertauschierte eiserne Fibel mit vergoldeter reliefierter Grundplatte sowie, aus dem zweiten Doppelgrab, silbertauschierte Gürtelbeschläge, Sporen, Steigbügel, Sattelzeug, Waffen und Bronzegeschirr. Erst daraufhin begab sich Mayer persönlich nach Pfahlheim und ließ südlich des Weges weitere Gräber öffnen (1883/5-9), von denen aber nur eines, das Doppelgrab 9, außergewöhnliche Gegenstände wie ein Kettengehänge sowie silbertauschierte Gürtelbeschläge und eine bronzene Röhrenkanne enthielt. Damit war das Interesse des Vertreters des königlichen Museums in Stuttgart an Pfahlheim erloschen; Mayer erklärte den Friedhof für vollständig untersucht. Was aus seinen und den vorherigen "Ausgrabungen" aufhebenswert war, wurde zum größten Teil nach Stuttgart verbracht. Das Urteil Mayers wurde jedoch von H. Steinhardt, Pfleger des Oberamtes Ellwangen und zugleich Mitglied der Pflegschaft des Germanischen Nationalmuseums (das Nürnberger Museum hatte im gesamten deutschen Sprachgebiet "Pflegschaften" und Agenturen zur Förderung der Institution eingerichtet) widerlegt. Dieser unternahm 1884 eine Nachgrabung und fand an einem einzigen Tag zwischen und neben den von Mayer geöffneten Gräbern fünf weitere Bestattungen (1884/1-5).
Die Beigaben dieser Gräber können im Reichtum und der Qualität nicht mit den von Mayer ausgegrabenen konkurrieren, doch ist hier in Ansätzen eine Befundbeschreibung gegeben. Die Funde sind immerhin nach Inventaren getrennt, wobei ein kobaltblaues Glas aus dem Frauengrab (1884/4) herausragt. Die Funde gelangten durch das "patriotische Entgegenkommen des Schultheißen und der bürgerlichen Kollegien von Pfahlheim in das Germanische Nationalmuseum". Zudem sandte Steinhardt Einzelfunde aus "vor Mayer'schen" Ausgrabungen an dasselbe Museum.
Die nächsten Jahre blieb es ruhig um das Gräberfeld von Pfahlheim, jedenfalls sind wahrscheinliche Schürfungen nicht veröffentlicht. Erst im Oktober 1891 nahm der zweite Direktor des Germanischen Nationalmuseums, Hans Bösch, die Grabungen wieder auf. Er konnte zunächst feststellen, "dass eine Ausdehnung des Gräberfeldes nördlich des Weges, der am Fuße des Mühlberges von Osten nach Westen führt, nicht festgestellt werden konnte, und die Nachgrabungen in den Äckern unterhalb desselben ein negatives Resultat ergaben". Dagegen ist es Bösch gelungen, noch fünf Gräber auf der Allmende (Gemeindeland) aufzudecken, unter anderem das für die Chronologie der Reihengräberzeit bedeutsame Reitergrab (1891/4). Im September 1892 wurden die Ausgrabungen fortgesetzt, jedoch nicht mehr auf der Allmende, sondern" auf den, an dieselbe in südlicher Richtung anstoßenden Äcker des Bauern Martin Köppel, genannt der "Acker am Mühlberg'". In der fünftägigen Kampagne wurden zwölf Gräber mit zum Teil reicher Ausstattung geborgen, u. a. das Frauengrab 1892/8.
Im Jahr darauf hat das Berliner Museum für Völkerkunde eine Ausgrabung auf dem Mühlberg bei Pfahlheim veranstaltet, wobei die Inventare von mindestens sechs Bestattungen gehoben wurden, die nach Berlin gelangten. Ein Bericht über diese Grabungen liegt leider nicht vor, da der Ausgräber Weigel im selben Jahr verstarb. Das ist um so bedauerlicher, als gerade bei diesen Schürfungen ein sogenanntes Goldblattkreuz zum Vorschein kam. Daneben zeigen silbertauschierte Pferdegeschirrbeschläge und ebenso verzierte Gürtelbeschläge sowie ein Kettengehänge, dass bei den Berliner Ausgrabungen reich ausgestattete Gräber zerstört wurden. Nachdem Bösch von den Grabungen der Berliner Konkurrenz über Dritte erfahren hatte, begab er sich im Oktober 1893 nochmals nach Pfahlheim und versuchte erneut sein Glück. Er konnte noch vier Gräber bergen, darunter das Reitergrab 1893/20. In der Überzeugung, dass der Friedhof noch lange nicht erschöpft sei, und in der Hoffnung, die Grabungen bald fortsetzen zu können, schloss Bösch seinen Bericht. Das Germanische Nationalmuseum hat dort nicht mehr gegraben, aber Funde sind weiter überliefert. 1905 stießen Arbeiter am Mühlberg auf Gräber, deren Inhalt ohne Grabzusammenhänge in die Altertumssammlung nach Ellwangen gelangte. In Stuttgart werden Funde aus dem Friedhof verwahrt, die aus dem Nachlass von Schulrat Schips stammen, der Kaplan in Ellwangen gewesen war. Über seine Ausgrabungen gibt es keine Berichte, ebensowenig wie über das Pfahlheimer Material im Museum von Schwäbisch-Hall und zu Funden, die 1887 von privater Seite dem Germanischen Nationalmuseum geschenkt wurden.
Die Gesamtzahl der in Pfahlheim zwischen 1883 und 1905 geborgenen Gräber ist nur ungenau zu ermitteln. Hinreichende Angaben über die Lage der Gräber zueinander und zur Lage der Funde in den Gräbern finden sich nur in den Berichten, die sich auf die Ausgrabungen des Germanischen Nationalmuseums beziehen. Aber auch hier muss davon ausgegangen werden, dass die Grabinventare nur unvollständig geborgen wurden. Ein Gräberfeldplan ist aus den überlieferten Unterlagen nicht zu rekonstruieren und selbst die Lokalisierung des Friedhofes im Gelände hat eine scharfsinnige Analyse der spärlichen Literaturangaben zur Voraussetzung.
Die Gräber waren West-Ost-orientiert, annähernd rei- henweise angelegt, in den brüchigen Felsboden bzw. in den Lias eingetieft und mit senkrecht gestellten Steinplatten ausgekleidet. Maximale Abmessungen bietet Grab 1891/4 mit 3,30 Metern Länge, 2 Metern Breite und einer Tiefe von 1,75 Metern. Nach den Ausgrabungsberichten und den Inventaren der Museen ist mit mindestens 48 Gräbern und 66 Bestattungen zu rechnen, wobei weitere 15 Gräber aufgrund von Einzelfunden zu erschließen sind (Mundinger). Auf das angenommene Friedhofsareal von 80 Metern Nord-Süd-Ausdehnung bezogen, wird deutlich, dass der Bestattungsplatz keinesfalls vollständig ausgegraben ist, da in Analogie zu anderen alamannischen Friedhöfen auf einem derart weitläufigen Gelände mit mindestens 300 Gräbern zu rechnen wäre. Unter diesen Gegebenheiten - unzulängliche Fundbergung, mangelnde Dokumentation, unvollständige Ausgrabungen und unglücklicher Fundverbleib - ist der Friedhof vom Mühlberg in Pfahlheim isoliert betrachtet als archäologische Ruine zu sehen. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Forschungsfortschrittes von fast 100 Jahren seit dem Abschluss der "planmäßigen" Ausgrabungen und einer in den letzten Jahrzehnten intensivierten Landesarchäologie können aus der Analyse der Grabfunde von Pfahlheim aber dennoch weiterreichende Erkenntnisse zur Realienkunde der Merowingerzeit und zur frühmittelalterlichen Landeskunde des alamannischen Württemberg gewonnen werden.
 
 
 
 
 
 
                         
 
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