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Auch nach der Neuordnung Europas
1815 blieb Deutschland ein Land mit vielen Staaten. Eine einheitliche
deutsche Staatsangehörigkeit gab es im Deutschen Bund
nicht. Wer „Deutscher“ war, war verfassungsrechtlich
nicht definiert, wer „Preuße“ oder „Sachse“
war dagegen schon.
Die deutschen Einzelstaaten begannen in den dreißiger
Jahren des 19. Jahrhunderts Staatsangehörigkeitsgesetze
zu entwickeln. Die Notwendigkeit zur Definition der Staatsangehörigkeit
ergab sich auch aufgrund einer wachsenden Zahl von Migranten.
Hier galt es, z. B. verbindliche Regeln für die Ableistung
der Wehrpflicht oder den Anspruch auf Armenunterstützung
zu entwickeln.
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Naturalisationsurkunde
für Davino Gianello |
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Berlin, 8. März 1848
Handschriftlich, gestempelt, 34,0 x 21,7
Berlin, Deutsches Historisches Museum
Do 87/3 (MfDG)
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Die Naturalisationsurkunde bestätigt
dem italienischen Gipsfigurenarbeiter Davino Gianello aus
Lucca, dass er „auf sein Ansuchen und zum Zwecke seiner
Niederlassung in Berlin und im Kommunalverbande von Berlin
in den preußischen Untertanenverband aufgenommen ist“.
Das preußische Untertanengesetz von 1842 wurde zum Vorbild
für die anderen deutschen Staaten. Es legte fest, dass
die Abstammung die preußische Staatsangehörigkeit
bestimmte und regelte, unter welchen Voraussetzungen ein „Ausländer“
Preuße werden konnte. Die preußische Staatsangehörigkeit
konnte man nach mehrjährigem Aufenthalt erwerben. Die
Einbürgerung erfolgte nicht automatisch, sondern musste
beantragt werden. Es gab jedoch keinen Rechtsanspruch auf
eine Einbürgerung. Damit sicherte sich der preußische
Staat gegen ungewollte Einwanderer ab. Davino Gianello hatte
also Glück, dass er ein erwünschtes Handwerk betrieb
und als Italiener zu einer Zuwanderergruppe gehörte,
gegen die die preußische Obrigkeit wenige Vorbehalte
hatte.
Mit dem Untertanengesetz schuf Preußen erstmals ein
einheitliches preußisches Staatsvolk, das nicht nach
Ständen, Klassen, historischen, nationalen oder regionalen
Besonderheiten geschieden war. Allerdings wurde der Gleichheitsgedanke
für zwei Bevölkerungsgruppen durchbrochen. Die Einbürgerung
von ausländischen Juden unterlag der besonderen Zustimmung
des Innenministers, und die Staatsangehörigkeit von verheirateten
Frauen richtete sich nach der des Ehemannes. Die Ehe mit einem
Sachsen hätte demnach für eine Preußin den
Verlust der preußischen Staatsangehörigkeit zur
Folge gehabt.
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