Kino im Zeughaus

 

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  Claudel im Kino

 

Claudel im Kino

In einem Aufsehen erregenden Kraftakt hat das Maxim Gorki Theater, unser fußläufig gelegener Nachbar, einen Dramatiker wiederentdeckt, dessen filmhistorische Spuren ebenfalls in Vergessenheit geraten sind. Begleitend zu Stefan Bachmanns Inszenierung Die Gottlosen zeigt das Zeughauskino deshalb zwei Filme, die sich auf Texte des katholischen „Rebells“ Paul Claudel stützen. Der wortgewaltige Dramatiker, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts treibende Kraft der „Renouveau catholique“, der katholischen Erneuerungsbewegung war, hat eine kleine Reihe bemerkenswerter Filme inspiriert. Das Zeughauskino zeigt zwei ganz unterschiedliche Arbeiten. Die Filmvorführungen werden jeweils von einer Dramaturgin des Maxim Gorki Theaters eingeführt.

 

Claudel im Kino
Tête d’or
F 2006, R: Gilles Blanchard, D: Béatrice Dalle            OmeU, 97’

Der vom Kriegstreiben siegreich heimkehrende Simon Agnel tötet den König und besteigt den Thron. Fortan lässt er sich Tête d'or (Goldkopf) nennen. Er entrechtet die Prinzessin und Thronfolgerin, um selbst den Staat an sich zu reißen. Goldkopf hofft auf weitere Siege, doch das Blatt wendet sich: Der Feind ist übermächtig und schlägt sein Heer in die Flucht. Goldkopf wird in der Schlacht stark verwundet und von seinen Getreuen vom Schlachtfeld gebracht.
Diese freie Adaption von Paul Claudels gleichnamigen Stück wurde in der Plœmeur-Haftanstalt mit deren Häftlingen gedreht – wie sich das der Autor seinerzeit gewünscht hatte: „Um Tête d'or zu verstehen, müsste man diesen materialistischen Deckmantel, unter dem wir ersticken, rekonstruieren. Es gibt nur einen Ausweg: Tête d'or in einem Lager spielen zu lassen, mit den Gefangenen und umgeben von Stacheldraht …“ (Festival-Katalog Locarno 2006). Die einzige professionelle Schauspielerin in Tête d'or ist Béatrice Dalle, ansonsten agieren 28 Häftlinge.

Einführung: Andrea Koschwitz

am 22.06.2007 um 21.00 Uhr

 

 

 

Claudel im Kino
L’annonce faite à Marie
Mariä Verkündigung

F/CAN 1991, R: Alain Cuny, D: Roberto Benavente, Christelle Challab, Alain Cuny         OF, 91’

L’annonce faite à Marie ist wie ein geistliches Spiel im fränkischen Mittelalter angelegt. Violane und Mara sind Schwestern – die eine eher gottesfürchtig, die andere eher sinnlich, beinahe hexenhaft. Bei einer Liebelei mit dem Dombaumeister steckt sich Violane mit Lepra an. Sie zieht sich in die Einöde zurück. Violanes Verlobter hingegen heiratet ihre Schwester Mara und zeugt mit ihr ein Kind. Doch kurz nach der Geburt stirbt das Baby, und Mara bittet ihre gottesgläubige Schwester um Hilfe und um Gnade für das Kleine.
Der Filmemacher Alain Cuny schätzte Claudels Werk nicht nur als große Weltliteratur. „Er verstand es als Beitrag zur ‚Reorganisation’ einer aus den Fugen geratenen Welt, dazu prädestiniert, dem Menschen seinen Platz in der Schöpfung und in der Erlösungsordnung neu erkennen zu lassen“ (Ambros Eichenberger, Filmdienst, 1994). Als Cuny seinen Film 1992 auf dem Internationalen Forum der Berlinale vorstellte, erhielt er den Preis der Ökumenischen Jury.

Einführung: Sylvia Marquardt

am 24.06.2007 um 19.00 Uhr

 

 

 

 

 
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