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Sergio
Leone
Das populäre Kino
hat in den letzen fünfzehn, zwanzig
Jahren einschneidende Veränderungen
erfahren. Nicht nur hat sich die Tendenz
verstärkt, dass besonders erfolgreiche
Filme, sogenannte Blockbuster, sich vor
allem an ein jugendliches Publikum richten.
Auch die Erzählweise dieser Filme zeigt
deutliche Unterschiede zum »Mainstream-Kino«
früherer Dekaden. Offenbar wird mit
einer hohen Medienkompetenz der Zuschauer
gerechnet; Anspielungen, formale Extravaganzen,
Anleihen bei Comic und Fernsehen, eine gewisse
ironische Grundhaltung gegenüber der
klassischen Erzählung Hollywoods sind
unübersehbar. Das Stichwort, unter
dem diese Entwicklung diskutiert wird, lautet
»Postmoderne«. Sie hat ihre
Vorgeschichte.
In den sechziger Jahren gab es bereits einmal
ein Kino, das sich von den Grundregeln des
sogenannten klassischen Codes frei gemacht
hatte, und zwar gerade im Aufgreifen bestimmter
besonders stabiler Genres wie dem Western.
Das »Demolieren« der Erzählung,
ein unbekannt zynischer Grundton waren denn
auch die Eigenarten, die dem Italo-Western
kritische Aufmerksamkeit sicherten. Das
Stichwort damals lautetet »posthistoire«.
Der bedeutendste Vertreter dieses sowohl
populären wie formbewußten Kinos
war Sergio Leone. Seine Genrefilme demolierten
und erneuerten die Form zugleich.
Für eine Handvoll
Dollar
Per un pugno di dollari
I 1964, R: Sergio Leone (Bob Robertson),
D: Clint Eastwood, Gian Maria Volonté,
Marianne Koch, Wolfgang Lukschy, Pepe Calvo,
ca. 94’ | dt. Fass
Nach katastrophalen Testvorführungen
läuft ohne jede Werbung in einem kleinen
Kino in Florenz der Film an, mit dem der
Siegeszug des ›Italo-Westerns‹
beginnt. Für eine Handvoll Dollar wird
allein durch Mundpropaganda zum Überraschungshit
in Europa und erobert bald darauf auch Amerika.
Die Geschichte ist an Akira Kurosawas Yoyimbo
angelegt: Das Dorf San Miguel an der mexikanischen
Grenze wird von zwei rivalisierenden Gangster-Banden
terrorisiert. Ein einsamer Fremder (Clint
Eastwood) erkennt die Situation und lässt
sich von beiden anheuern. Doch dies dient
nur dem Zweck, sie gegeneinander auszuspielen...
Als Sergio Leone 1964 diesen bahnbrechenden
Italo-Western drehte, vertraute er nicht
so recht darauf, dass das Publikum in dieser
rein amerikanischen Domäne einen italienischen
Film für glaubwürdig halten würde.
Deshalb nannte er sich Bob Robertson, auch
einige der Darsteller nahmen englische Pseudonyme
an. Die Sorge war ganz unbegründet:
»Leones Film wurde ein Welterfolg,
und obwohl er nicht der erste Italo-Western
war, so etablierte er ihn doch als eigenständiges
Subgenre, und das zu einer Zeit, als dem
US-Western merklich die Luft ausgegangen
war« (www.prisma-online.de)
am 19.08.2004 um 18.15 Uhr,
am 21.08.2004 um 18.15 Uhr
Für ein paar
Dollar mehr
Per qualche dollaro in
più
I/BRD/Spanien 1965, R: Sergio Leone,
D: Clint Eastwood, Lee van
Cleef, Gian Maria Volonté, Klaus
Kinski, ca. 121’ | dt. Fass
Sergio Leones Trilogie
Für eine Handvoll Dollar (1964), Für
eine Handvoll Dollar mehr (1965) und Zwei
glorreiche Halunken (1966) begründete
das Genre des Italo-Western. Für eine
Handvoll Dollar spielte mehr Geld ein als
jeder italienische Film zuvor. In einem
runden Jahrzehnt entstanden in Italien über
400 Italo-Western, die die Entwicklung und
Auffächerung des Genres von der Unterhaltungsklamotte
über den gediegenen Problemwestern
bis hin zum anarchistischen Revolutionsstück
durchmachten. Die Dollar-Trilogie führte
mit Clint Eastwood einen neuen, zynischen,
keiner gesellschaftlichen Moral und nur
der eigenen Professionalität verpflichteten
Helden ein. Seine Haltung wurde charakteristisch
für das gesamte Western-Genre. Neben
Eastwood wurde Kinski zu einem beliebten
Gesicht auf der Leinwand. Auf die Frage,
warum er Klaus Kinski engagiert habe, antwortete
Sergio Leone:
»Es war schon lange her, dass ich
ihn in den deutschen Filmen bemerkt hatte.
Vor Per qualche dollaro in più wollte
ich ihn für ein Remake von Fritz Langs
M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931).
Er hätte die Rolle von Peter Lorre
übernommen. Als er meinen ersten Western
gesehen hat, war er sofort einverstanden,
mit mir zu arbeiten. Alle wollten mich vor
ihm schützen. Er hatte den Ruf, sehr
schwierig zu lenken zu sein, unendliche
Streitigkeiten zu provozieren... Mit mir
war er ein Engel. Die Folgsamkeit eines
Babys! ... Pünktlich, sachlich, höflich
und geduldig.«
Am 19.08.2004 um 20.30
Uhr, am 21.08.2004 um 20.30 Uhr
Spiel mir das Lied
vom Tod
C’era una volta
il west
Once Upon a Time in the West
I/ USA 1968, R: Sergio Leone, D: Henry
Fonda, Claudia Cardinale, Charles Bronson,
Jason Robards, ca. 167’ | OmU
und dt. Fass
Es war einmal... Mythos,
Legende, Märchen, Traum: Die Geschichten
und Geschichte der amerikanischen Nation,
die Geschichten und Geschichte eines amerikanischen
Kinogenres, erzählt aus der Perspektive
eines europäischen Western-Liebhabers.
Leones Film ist eine große Oper, die
von den großen Auftritten und Abgängen
sowie von Ennio Morricones Musik lebt, die
jeder Figur ein musikalisches Thema zuordnet
und sich mit dem Mundharmonikamotiv in die
Filmgeschichte hineingespielt hat.
Die schöne Jill (Claudia Cardinale),
eine ehemalige Prostituierte, will nach
der Heirat mit einem verwitweten Farmer
ein neues Leben beginnen. Doch als sie auf
der Farm ankommt, ist ihre neue Familie
ermordet worden. Verantwortlich dafür
ist ein Eisenbahnbauer, der im gnadenlosen
Kampf um Grundbesitz für die Trasse
den Killer Frank (Henry Fonda) und seine
Bande auf den Farmer angesetzt hat. Doch
Jill kämpft weiter um das Land: Freunde
findet sie in dem Gauner Cheyenne (Jason
Robards) und in einem Fremden (Charles Bronson),
dessen Motive zunächst rätselhaft
sind. Schließlich sind die Feinde
besiegt, nur Frank und der Fremde stehen
sich gegenüber. Was die Zuschauer längst
ahnen: Frank hat, als sein Gegner ein kleiner
Junge war, dessen Vater sadistisch ermordet
und soll nun dafür büßen.
»Es ist eine Todesballade über
die Geburt einer großen Nation, die
durch die Stereotypen des Western-Genres
(nicht die des Westerns!) gesehen wird.«
(Sergio Leone)
A m 20.08.2004 um 19.00
Uhr: OmU, am 22.08.2004 um 19.00 Uhr: dt. Fass
Zwei glorreiche Halunken
Il buono, il brutto, il
cattivo
I/ Spanien 1966, R: Sergio Leone, D: Clint
Eastwood, Lee van Cleef, Eli Wallach, Aldo
Guiffrè, ca. 156’ | OF
Dies ist der dritte Teil
der ›Dollar-Trilogie‹ von Sergio
Leone mit Clint Eastwod:
Zwei Revolverhelden leben von einem waghalsigen
Geschäft: Tuco, der »Böse«,
wird vom »Guten« an die Behörden
gegen ein Kopfgeld ausgeliefert. Am Galgen
schießt der »Gute« den
»Bösen« vom Seil und flieht
mit ihm im allgemeinen Gewusel. Die Beute
wird dann geteilt - bis es zum Streit zwischen
den Ganoven kommt. Beim folgenden Katz-
und Mausspiel treffen sie in der Wüste
auf einen Sterbenden, der ihnen von einer
vergrabenen Geldkassette erzählt. Davon
bekommt auch Desperado Senteza Wind, der
den beiden fortan nicht von den Fersen weicht...
»Dass die Dollar- Filme eine Western-Welt
ohne Frauen zeigen, war Leones erklärter
Stolz. Dafür sind sie ins Sterben verliebt.
Und folgerichtig führt das im dritten
der Filme zu den Schlachtfeldern und Schützengräben
des Bürgerkriegs und in jenes zeitlose
KZ, wo die Folterer ein Orchester aufspielen
lassen, um die Schreie der Opfer zu übertönen...
Die Kämpfe und Duelle sind wie stets
die Kadenzen des Regisseurs, voller Sorgfalt
und Finessen ins Werk gesetzt, mit der Tonverstärkung
von Schüssen, Gebrauch der Handkamera,
unmerklicher Zeitlupe und den extremen Großaufnahmen
von Mund, Augen oder Stiefelsporen.«
(Brigitte Desalm)
am 26.08.2004 um 17.00
Uhr, am 28.08.2004 um 20.30 Uhr
Todesmelodie
Giù la testa
I 1970, R: Sergio Leone,
D: Rod Steiger, James Coburn, Maria Monti,
Romolo Valli,
Antoine Domingo, ca. 158’ | OF
Brutalität und Zynismus
– Wesenszüge des Italo-Western
– treibt Leone hier auf die Spitze.
Hunderte Menschen werden hingerichtet, erschossen
oder in die Luft gesprengt. Den historischen
Rahmen bildet die mexikanische Revolution
1911 bis 1914. Hier treffen der irische
Revolutionär und Sprengstoffexperte
Sean Mallory (James Coburn) und der Desperado
Juan Miranda (Rod Steiger) aufeinander.
Zwischen dem intellektuellen Revolutionär
und dem bauernschlauen Juan entwickelt sich
eine seltsame Freundschaft, in deren Verlauf
Juan unbeabsichtigt zum Helden der Revolution
wird.
»Von Verrat und Angst erzählt
Todesmelodie und nichts verkörpert
diese melancholische Stimmung so sehr wie
die in plötzlichen Raum- und Zeitsprüngen
eingearbeiteten Rückblenden aus Seans
Vergangenheit. Ohne Dialoge, nur zu Morricones
schwelgerischer Musik choreographiert, ersteht
hier eine verlorene Welt der Hoffnungen
noch mal. In seinen epischen Zerdehnungen
und detailliert gestalteten Details weist
dieses Verfahren schon auf Leones nächsten
Film voraus: In Es war einmal in Amerika
bestimmt nur noch die Erinnerung die Handlung,
in seiner verzweifelten Kreisbahn rund um
Freundschaft und Verrat wird die Zeit zum
eigentlichen Hauptdarsteller.« (Christoph
Huber)
am 26.08.2004 um 20.30
Uhr, am 28.08.2004 um 17.00 Uhr
Es war einmal in Amerika
Once Upon a Time in
America I/ USA 1984, R: Sergio
Leone, D: Robert De Niro,
James Woods, Elizabeth MacGovern, Larry
Rapp, William Forsythe, ca. 229’ | dt.
Fass
Es ist die nahezu ein halbes
Jahrhundert umfassende Lebensgeschichte
des New Yorker Gangsters Noodles (Robert
De Niro), der sich in den 20er Jahren mit
Gewalt und Korruption nach oben arbeitete,
ehe ihn der Verrat seines Jugendfreundes
Max stürzte. »Der Film erzählt
die Geschichte eines Heimatlosen zwischen
den Zeiten, die Geschichte eines Mannes,
der in seinen Erinnerungen wehmütig
umherirrt und voller Trauer die Stätten
seines Lebens aufsucht, um das Rätsel
seiner Vergangenheit zu lösen. Nie
scheint sich Noodles irgendwo heimisch zu
fühlen. Robert De Niro versteht es,
durch kleinste Bewegungen der Augenbrauen
oder winzige Gesten, wie beispielsweise
ein kaum merkbares Senken des Kopfes, die
Melancholie dieser Figur glaubhaft zu vermitteln.«
(Stefanie Weinsheimer)
Zwar folgt Leone den Mustern des Gangster-Genres,
er bricht jedoch den Ablauf der Geschichte
in einer komplexen Rückblendentechnik,
wodurch die Veränderungen eines Charakters,
der Prozess des Alterns und die kulturellen
Umbrüche einer Stadt zwischen 1920
und 1968 sinnlich erlebbar werden. »Es
ist ein nostalgischer Film in vielerlei
Hinsicht: Der Held ist auf der Suche nach
seiner verlorenen Zeit. Seine Stimmungen
werden von Morricones Musik – schwermütigen
Panflötenklängen, Violinen oder
traurigen Klavierakkorden – behutsam
unterstrichen. Gedämpfte Farben, überwiegend
warme Braun- und Grautöne, erinnern
an vergilbte und verblasste Photografien.«
(Stefanie Weinsheimer)
am 27.08.2004 um 19.00 Uhr, am 29.08.2004 um 19.00
Uhr
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