KUNST DES DOKUMENTS - ORTE DES GLAUBENS
Branson im US-Bundesstaat Missouri, die Grande Chartreuse nahe Grenoble, der katholische Wallfahrtsort Altötting, die Kommune der Hutterer - KUNST DES DOKUMENTS - ORTE DES GLAUBENS präsentiert Städte, Plätze und Räume der spirituellen Erfahrung. Dass diese Orte auch Schauplätze sind - seien es Schauplätze des lebhaften Spektakels oder der stillen Frömmigkeit -, macht sie für die Filmschaffenden so interessant. Ihre Arbeiten konnten oft erst im Zuge einer langjährigen Annäherung an die Gläubigen entstehen. Dem Zuschauer - zumal dem der Großstadt Berlin - gewähren sie Einblicke in eine fremde, ferne Welt.
KUNST DES DOKUMENTS - ORTE DES GLAUBENS
Mast Qalandar
D 2003, R: Till Passow, 29'
Der Anhänger des mystischen Islams und Heiliger der Sufi, Mast Qalandar predigte im 13. Jahrhundert im Süden Pakistans Liebe, Toleranz und Ekstase. Kommentarlos und ohne Wertung begleitet Till Passow in seiner Dokumentation muslimische Pilger auf ihrer Suche nach dem geistigen Rausch und der Erlösung, womit er dem Zuschauer einen Einblick in "eine fremde und verstörende Welt voller Euphorie und religiöser Hingabe, Glaube, Grenzüberschreitung und Gewalt" bietet. (Katalog zum 50. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm)
am 21.2.2008 um 20.00 Uhr
KUNST DES DOKUMENTS - ORTE DES GLAUBENS
Heaven on Earth
D 2001, R: Rick Minnich, 52'
Die Ortschaft Branson liegt im US-Bundesstaat Missouri, fast zweitausend Kilometer von New York entfernt, mitten im so genannten "Bible Belt". Hier, im "Herzen Amerikas", leben nur viertausend Einwohner, aber bis zu 20.000 Touristen reisen täglich an. Sie alle wollen Patriotismus und Frömmigkeit tanken, denn Branson stellt eine Art Las Vegas für diese sehr amerikanischen Gefühlslagen dar. Für vierhundert Dollar pro Paar gibt es All-Inclusive-Angebote mit drei Übernachtungen, reichlich Country- und Westernmusik sowie Führung durch das "Veteran's Museum".
Rick Minnich, 1968 in Kalifornien geboren und Absolvent der Babelsberger Filmhochschule, beobachtet in seinem Abschlussfilm das Geschehen in Branson distanziert, dabei nie auf platte Weise polemisch und stets mit sanfter Ironie. Mitunter bleibt einem das Lachen allerdings im Hals stecken. Denn für sein filmisches Protokoll "hat er sich den Veteranentag der USA herausgepickt, an dem sich General Tibbets - er warf die Atombombe auf Hiroshima - als Held feiern lässt. Wie er und all die anderen Gestalten ihr reines Gewissen präsentieren, ist so ungeschönt wie schauderhaft. Sehenswert!" (Christina Moles Kaupp, TIP-Magazin 12/2002)
am 21.2.2008 um 20.00 Uhr
KUNST DES DOKUMENTS - ORTE DES GLAUBENS
Die große Stille
D/CH 2005, R: Philipp Gröning, 162'
"Ich habe so gelebt wie die Mönche, in einem kleinen Häuschen, der Zelle. Alle zwei Stunden hat eine Glocke zum Gebet gerufen und alles unterbrochen. Ich habe an der Nachtmesse teilgenommen und natürlich durfte ich nicht mit den Mönchen sprechen. Die Arbeit im Kloster ist vor allem Arbeit an der eigenen Wahrnehmung, am Rhythmusgefühl." (Philip Gröning, arte-Magazin 10/2007) Für seinen ersten Dokumentarfilm hat sich Regisseur Gröning in die "Grande Chartreuse", dem Ursprungskloster der Karthäusermönche nahe Grenoble selbst in Klausur begeben. Seit dem 12. Jahrhundert hat sich hinter den Klostermauern nur wenig geändert. Fast ein Jahr lang teilte der Filmemacher den sakralen Alltag mit den Ordensbrüdern. In eindrucksvollen Bildern gelingt es ihm, die herrschende Einheit von Alltag und Andacht nachvollziehbar zu machen. Mit seiner handlichen Digitalkamera bleibt er dabei ein zurückhaltender, doch intensiver Beobachter. Bereits 1986 hatte Philipp Gröning einen Anlauf für das Projekt unternommen, war damals aber abgewiesen worden. Sein nach fast zwanzig Jahren beharrlicher Nachfrage entstandener Film kommt gänzlich ohne Kommentar oder Musik aus und findet für die Enthaltsamkeit, der sich die Mönche verschrieben haben, eindringliche visuelle Formen. Die große Stille ist ein Film des Schweigens, macht seinem Titel alle Ehre. Erst ganz zum Schluss spricht ein blinder Karthäuser von seiner Freude am Glauben und von seiner Furchtlosigkeit vor dem Tod. Der Mönch macht damit die Distanz zur außerhalb der Klostermauern regierenden Reizüberflutung noch deutlicher.
am 28.2.2008 um 20.00 Uhr
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Die Mechanik des Wunders. Vom Lebensprinzip des Marianischen Wallfahrtsortes Altötting
D 1992, R: Hans-Christian Schmid, 84'
Hans-Christian Schmid, Absolvent der Filmhochschule in München, wurde 1965 in Altötting geboren - dem wichtigsten katholischen Wallfahrtsort, mitten in Bayern gelegen, auch "Mekka des deutschen Katholizismus" genannt. Sowohl in seinem frühen Fernsehfilm Himmel und Hölle (1994) als auch mit dem mehrfach preisgekrönten Spielfilm Requiem (2006) hat sich Schmid später eindringlich mit den individuellen Auswirkungen von religiösem Fanatismus auseinandergesetzt. Zwei Jahre vor der Ausstrahlung von Himmel und Hölle entsteht 1992 eine erste Arbeit, die sich mit den eigendynamischen Begleiterscheinungen von Religiosität und Klerus beschäftigt. Für seinen Abschlussfilm Die Mechanik des Wunders kehrt Schmid in seinen Geburtsort zurück, beleuchtet auf messerscharfe Weise die kommerzialisierte Seite des Sakralen sowie das Gebaren seiner Sachwalter und Institutionen.
Seit dem 15. Jahrhundert machen sich Gläubige von weither auf den Weg zu dem kleinen Ort, um der Wunderkraft der "Schwarzen Madonna von Altötting" teilhaftig zu werden. So auch an jenem Tag im Mai, den sich der Regisseur für seine dokumentarische Studie ausgewählt hat: 8000 Wallfahrer wälzen sich zu Fuß auf die Kleinstadt zu, sie haben schon 120 Kilometer zurückgelegt und sind am Ende ihrer Kräfte. Per Megaphon hält sie ein Vorbeter bei der Stange, eine Wolke von Weihrauch und Schweiß hüllt sie ein, Würdenträger, Schaulustige und unzählige Souvenirstände nehmen sie in Empfang...
am 13.3.2008 um 20.00 Uhr
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Kommune der Seligen
D 2004, R: Klaus Stanjek Digi Beta, 96'
Im Hinterland der kanadischen Prärie hat sich ein kleines, bis heute überraschend homogenes Volk niedergelassen. Sie lehnen sämtliche "Errungenschaften" der Moderne ab, verachten Fernsehen und Radio und verzichten auch auf Technologien, die ihnen die Arbeit in der Landwirtschaft erleichtern könnten. Die "Hutterer" sind die direkten Nachfahren der berühmten "Wiedertäufer", die die Taufe von Kindern ablehnen und ein radikal-enthaltsames, der Bibel entsprechendes Leben praktizieren. Seit dem 16. Jahrhundert sahen sie sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz drakonischen Verfolgungen ausgesetzt, viele von ihnen wanderten schließlich in die "Neue Welt" aus. Hier leben sie in einer Art konserviertem Zustand, tragen mittelalterliche Bauerntracht und sprechen einen schwer verständlichen, alpenländischen Dialekt. Klaus Stanjek ist es in einem langwierigen Prozess der Annäherung gelungen, das Vertrauen der Hutterer zu gewinnen und ein spannendes Bild ihres Alltags zu entwerfen. Dabei beschränkt sich sein Film nicht auf die Exotik seines Themas. Kommune der Seligen stellt universelle Fragen nach der Gültigkeit von scheinbar starren Verhaltensmaßregeln innerhalb einer sich rasant verändernden Welt.
am 20.3.2008 um 20.00 Uhr
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Jesus, Du weißt
A 2003, R: Ulrich Seidl, 87'
Was passiert eigentlich beim Beten? Was empfinden Menschen, die sich voller Hingabe an die höchste Instanz wenden und auch ihre noch so privaten Sorgen und Bitten beim Herrgott persönlich vortragen? Wie funktioniert das Gespräch mit Gott? Der österreichische Dokumentarfilmer Ulrich Seidl hat sechs Menschen ausfindig gemacht, die besonders innige Beziehungen zu Jesus pflegen und die bereit waren, vor der Kamera freimütig über ihren Glauben zu sprechen. Wer Seidl-Filme kennt, weiß, dass dies kein Gruppenporträt im herkömmlichen Sinne werden konnte. Das Spektrum der Aussagen reicht von Trivialem bis Tragischem. Eine Frau beschwert sich beim Herrgott über das schlechte Fernsehprogramm, eine andere möchte sich an ihrem untreuen Gatten rächen und dabei Jesus auf ihrer Seite wissen. Ein Mann klagt über die Misshandlungen, die ihm als Kind widerfahren sind. "Als Ohren- und Augenzeuge der Kämpfe, die die Betenden mit ihrem Leben ausfechten, sieht sich der Zuschauer in eine herausfordernde Intimität gezwungen. Angesichts der artikulierten Verzweiflung und der drängenden Hoffnung, die sie in Gottes Sohn Jesus setzen, wird das Ausbleiben des Trostes, wird das tiefe, eisige Schweigen, das ihnen entgegenschlägt, immer mehr zum Skandal." (Alexandra Seitz, TIP-Magazin 18/2005)
am 27.3.2008 um 20.00 Uhr |