MORDEN IN SERIE
Die Reihe MORDEN IN SERIE blickt zurück auf ein gerade abgeschlossenes, möglicherweise aber auch immer noch offenes Kapitel der Filmgeschichte. Anfang der neunziger Jahre bringt Jonathan Demmes The Silence of the Lambs einen Typus Serienmörder auf die Leinwand, der die Grenzen des Mainstreamkinos neu auslotet. Hannibal, der kultivierte und gebildete, aber zugleich zynische und blutrünstige Menschenfresser fasziniert das Publikum. Als ehemaliger Psychiater gewährt der inhaftierte Hannibal der jungen Polizistin Starling einen Einblick in die kranke Seele des von ihr gesuchten Psychopathen. Hannibal wird damit zum Urvater des Profilings. Der Erfolg, den Demmes Film an der Kinokasse zu verbuchen hat, sorgt für eine bis dahin beispiellose Konjunktion des Serienkillers. Anfang 1996 laufen mit Seven, Copycat und Der Totmacher gleich drei Serienmörderfilme parallel in den deutschen Kinos. Begleitet von drei filmhistorischen Referenzen stellt MORDEN IN SERIE dieses filmhistorische Phänomen vor. Unter der Hand präsentiert die Reihe dabei eine Typologie des Serienkillers im zeitgenössischen US-amerikanischen Film.
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The Silence of the Lambs
USA 1991, R: Jonathan Demme, D: Anthony Hopkins, Jody Foster, Scott Glenn, 118’ OF
Auf der Suche nach einem schizophrenen Frauenmörder wird die junge FBI-Agentin Clarice Starling (Jody Foster) zu Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) geschickt, um mit ihm ein Profil des Unbekannten zu entwerfen. Lecter ist aber nicht nur ein genialer Psychiater, sondern auch ein Menschenfresser. Clarice’ Weg zu Lecter, der im Hochsicherheitstrakt einsitzt, führt über Treppen und Gitter hinab ins Verlies. Hier entsteht ein Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen der Frau im Dienste der Aufklärung und der gebildeten Bestie. Lecter nötigt Clarice, ihm ihr Innerstes zu offenbaren und hinabzusteigen in die Tiefe ihrer verdrängten Kindheitserinnerungen und Ängste. Denn erst die Kenntnis ihrer verborgenen Seiten ermöglicht es Clarice, dem Mörder ins Auge zu sehen.
Jonathan Demme schuf mit The Silence of the Lambs den wohl einflussreichsten Thriller seiner Zeit. Er machte die Figur des charmanten, gebildeten und zugleich blutrünstigen Serienmörders und Mephistos hoffähig. Mit seinen drastischen Gewaltfantasien lotete der Film die Grenzen des Mainstreamkinos neu aus. Seine düsteren, mit Symbolen der Verwandlung und der Wiedergeburt aufgeladenen Bilder gleichen Rätseln: „Ist es die Geschichte eines Abscheus oder einer Liebe? Die eines erpresserischen Seelenhandels oder die einer freiwilligen Selbstaufgabe? Die von der Häßlichkeit des Wahnsinns oder von der Schönheit der Schizophrenie? (...) Von Anfang an besteht eine befremdliche Zärtlichkeit zwischen Clarice und Hannibal. Die Welt sei schöner mit Clarice als ohne sie, sagt Lecter später. Seine Liebe ist Verschonung. Ihre Liebe ist Bewunderung in Angst, Angst vor sich selbst. Während für Lecter Begriffe wie ‚gut’ und ‚böse’ sinnlos sind, glaubt sie noch an Werte wie Gerechtigkeit. Deshalb versteht sie von ihrem Leben nur die Hälfte – und läuft vor der anderen davon.“ (Gregor Dotzauer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.4.1991)
Einführung am 24.6.: Eva Gabronova
am 24.6.2008 um 20.00 Uhr
am 28.6.2008 um 18.30 Uhr
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Seven
USA 1995, R: David Fincher, K: Darius Khondji, D: Morgan Freeman, Brad Pitt, Gwyneth Paltrow, Kevin Spacey, 127’ OF
Regen, dauernd Regen. Die Sintflut ergießt sich über die finstere und verkommene Großstadt, über den stinkenden, fauligen Moloch. Zwei Polizisten, der alte und müde Sommerset (Morgan Freeman) und sein junger, hitzköpfiger Partner Mills (Brad Pitt), suchen nach einem religiösen Fanatiker, der jene bestraft, die sich einer Todsünde schuldig machen. Dieser Künstler des Todes, der sich selbst für den Vertreter der Moral hält, verurteilt seine Opfer dazu, jämmerlich an einer Todsünde zugrunde zu gehen: an Völlerei, Habsucht, Faulheit, Wollust, Hochmut, Neid und Zorn. Entlang der Botschaften, die der Mörder am Tatort hinterlässt, kriechen die Ermittler immer tiefer hinein in eine kranke, verstörende Welt des Schreckens und Ekels.
David Fincher inszeniert mit Seven einen spannenden Film Noir. Zugleich bietet Seven eine surrealistische, von tiefschwarzem Humor grundierte Kollage aus kunst- und filmgeschichtlichen Zitaten, mal grell, mal elegant, mal brutal. Surreal ist dabei auch die Idee, dass das Böse reinigend gegen sich selbst antritt. „Als den letzten Mann, der nach menschlichem Kontakt sucht in einer kalten Welt, hat Heiner Müller einmal den Mörder beschrieben. Und dieser Kontakt, den der Killer mit den Polizisten sucht, ist apokalyptisch. Die Reise ins Herz der Finsternis führt schließlich hinaus aus der Stadt aufs nackte Land und ins reelle Licht wie bei Hitchcocks Der unsichtbare Dritte. Die Kreise der Hölle sind noch nicht verlassen.“ (Hans Schifferle, Süddeutsche Zeitung, 23.11.1995)
am 25.6.2008 um 20.00 Uhr
am 27.6.2008 um 21.00 Uhr
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M
D 1931, R: Fritz Lang, D: Peter Lorre, Gustaf Gründgens, Otto Wernicke, 104’
„Warte, warte, nur ein Weilchen, dann kommt der schwarze Mann zu Dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Schabefleisch aus Dir.“ Mit diesem makabren Abzählreim aus dem Haarmann-Lied, den ein paar spielende Kinder singen, beginnt M, die Geschichte eines scheuen und verletzlichen Kindermörders. Dessen Morde stürzen ganz Berlin in eine kollektive Hysterie, bevor die Kriminalpolizei und das organisierte Verbrechen unabhängig voneinander die Jagd auf den Einzelgänger eröffnen. Am Ende steht der so sanfte und so gefährliche, von Peter Lorre mit gehetztem Blick gespielte Triebtäter vor einem Tribunal, das seinen Tod fordert. Zwar ist der Mörder nun dingfest, aber die grundsätzlichen, auch heute noch brennenden Fragen sind nicht geklärt.
Wie soll eine Gesellschaft, die auf Recht und Ordnung hält, mit einem psychisch gestörten Kindermörder umgehen? Ist der Kranke womöglich selbst ein Produkt dieser Gesellschaft? Trägt sie eine Mitschuld? Was wäre eine gerechte Strafe? Diese Fragen stellt M in einer Zeit, in der die Mordtaten von Fritz Haarmann und Peter Kürten in aller Munde sind und – wie der Abzählreim zeigt – den Fantasiehaushalt von Kindern und Erwachsenen möblieren. Fritz Lang beschreibt Berlin dabei als einen Kriegsschauplatz der Moderne, als einen Ort der totalen Mobilmachung: Die Massenmedien und die durch sie geschürte Paranoia regieren, die technischen Mittel zur Kontrolle und Entlarvung werden ständig optimiert, jeder ist verdächtig und wird überwacht, jeder hinterlässt Spuren und verrät sich so. M vibriert vor Spannung, weil die Regie den Schmerz der Mütter und die Tragik des Mörders kühn verschachtelt mit der Dokumentation der Polizeiarbeit und dem Treiben der Gangster. All das beobachtet der Film mit eiskalter Präzision und großer Distanz.
am 27.6.2008 um 18.30 Uhr
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Copycat
USA 1995, R: Jon Amiel, D: Sigourney Weaver, Holly Hunter, Harry Connick jun., William McNamara, 124’ OF
Nach einem Anschlag auf ihr Leben leidet die ehemalige Polizeipsychologin Helen Hudson unter Panikattacken und wagt sich nicht mehr aus ihrem Haus. Als San Francisco aber erneut von einer Reihe furchtbarer Morde erschüttert wird, bekommt Helen, eine Spezialistin für Serienmörder, wieder neue Arbeit, denn der Unbekannte imitiert detailgetreu die Untaten berühmter Vorgänger. Die intellektuelle, kühl analysierende Helen erhält die selbstbewusst zupackende Polizistin MJ Monahan als Partnerin, um gemeinsam den Täter zu jagen. Allerdings ahnt Helen, dass sie nun selbst ins Fadenkreuz des Mörders gerät und der Unterschied zwischen Jäger und Gejagtem verschwimmt.
Jon Amiels Thriller spielt mit der Vorstellung, dass Mörder den Status von Stars erlangen und von anderen perfekt und mit großem Ehrgeiz nachgeahmt werden. Zudem unterstreicht Copycat die Geistesverwandtschaft zwischen dem Mörder, einer Figur wie Dr. Jekyll & Mr. Hyde, und der Psychologin, die sich in dessen Gedankenwelt hineinwagt und mit dem Mörder kommuniziert. Die Ironie besteht darin, dass der Film zwar die Neurose der Psychologin erforscht, nicht aber die des Serienmörders. In den Hauptrollen glänzen Sigourney Weaver und Holly Hunter: „In der Paarung der beiden Frauen, zwischen denen Welten liegen, die sich in ihrem Kontrast aber ideal ergänzen, erobert Jon Amiels Film dem Genreüblichen noch Neuland. Wo die eine allein die Einfühlung sucht, setzt die andere auf Vernichtung, wo die eine ihren Verstand strapaziert, riskiert die andere mit Tatkraft Leib und Leben. Der Rest (...) ist solides Spannungskino, kaum je über Gebühr blutrünstig, aber mit allen Effekten versehen, dem Zuschauer für zwei Stunden den Atem zu nehmen.“ (Hans-Dieter Seidel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.1.1996)
am 28.6.2008 um 21.00 Uhr
am 29.6.2008 um 18.30 Uhr
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American Psycho
USA 2000, R: Mary Harron, B: nach dem Roman von Bret Easton Ellis, D: Christian Bale, William Dafoe, Chloe Sevigny, 102’ OmU
Patrick Bateman ist ein erfolgreicher und ziemlich eitler Börsenmakler im Manhattan der 80er Jahre. Er besitzt eine schicke Wohnung und hat eine gutaussehende Freundin; er ist ein Yuppie, der feinen Zwirn trägt und viel für die Pflege seines makellosen Körpers tut; er mag die Musik von Phil Collins und ärgert sich darüber, dass die Visitenkarte seines Kollegen hübscher ist als seine eigene. Abends geht er gerne aus und bringt andere Leute um. Eine unauffällige Existenz, narzisstisch, kalt und ohne Geheimnis. Der von Christian Bale verkörperte Serienmörder gleicht einem Werk der Konzeptkunst. Sogar sein Geständnis hält man für eine Erfindung.
Aus dem exzentrischen und unverdaulichen Roman von Bret Easton Ellis macht die Regisseurin Mary Harron eine Sozialsatire, in deren mörderischem Helden sich die Hohlheit einer ganzen Epoche spiegelt. Definierte sich die Romanfigur über das Credo „Ich töte, also bin ich“, so definiert sich Bateman im Film allein über Konto, Konsum und schönen Schein. „Der Mensch als Kunstprodukt seiner selbst, Dr. Jekyll & Mr. Hyde: kein Albtraum des vergangenen Jahrhunderts, sondern einer von heute. So gesehen ist American Psycho der Film zur Gentechnik-Debatte und zur New Economy. Die Monster von morgen befinden sich längst mitten unter uns, als Horrorvision einer dem Diktat des Wettbewerbs unterworfenen Gesellschaft, die nur den übrig lässt, der so gleich ist wie Seinesgleichen. Identität hat, wer identisch ist – mit allen anderen.“ (Christiane Peitz, Der Tagesspiegel, 7.9.2000)
am 29.6.2008 um 21.00 Uhr
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Halloween
USA 1978, R/B/Mu: John Carpenter, D: Jamie Lee Curtis, Donald Pleasence, Nancy Loomis, 90’ OF
An Halloween, der Nacht vor Allerheiligen, werden die Dämonen ausgetrieben. Dazu verkleiden sich die Kinder, erschrecken die Leute und singen das Lied vom schwarzen Mann. Abends schauen sie sich Gruselfilme im Fernsehen an. Mancher Dämon wird davon allerdings erst angelockt: Fünfzehn Jahre, nachdem er als Sechsjähriger seine Schwester mit ihrem Freund überrascht und dann massakriert hat, flieht Michael Myers aus der psychiatrischen Anstalt und kehrt in seine Heimatstadt im mittleren Westen zurück. Er hat es abgesehen auf junge, sexuell aktive Schülerinnen. Einzig Laurie, mit ihren weißen Kniestrümpfen die Personifikation der Unschuld, ahnt frühzeitig die Gefahr und wehrt sich gegen den Mörder.
Halloween ist ein filmhistorischer Meilenstein und steht am Anfang eines ganzen Subgenres, dem Teen-Slasher-Film. Thematisch kreist John Carpenter um das tabubehaftete Motiv des kindlichen Monsters und den Zusammenhang zwischen puritanischer Sexualität und Mord, Verklemmung und Gewalt. In ästhetischer Hinsicht radikalisiert er die Ideen seines Vorbilds Hitchcock, indem er den Zuschauer immer wieder in die Position des Voyeurs und Mörders zwingt und konsequent Suspense und Schock miteinander verkoppelt. Mit Hitchcock verbinden den Regisseur auch sein unbedingter Stilwille, sein hinterhältiger Humor und seine famose Hauptdarstellerin: Jamie Lee Curtis ist die Tochter von Janet Leigh, der Frau unter der Dusche. „Halloween von John Carpenter ist kein Film für: Oberlehrer, Bedeutungsfahnder, Moralprediger und Leute mit noch schlechteren Nerven als gemeinhin üblich. Halloween ist ein Film für: Freunde meisterlicher Breitwandkompositionen (die besten seit langem), Anhänger komplexer Kameraoperationen, Partisanen des schlechten Geschmacks, Hitchcock-Anbeter. (...) Von der ersten Einstellung an ist Halloween ein Maskenball, eine schwarze Messe. Kino zum Fürchten.“ (Hans C. Blumenberg, Die Zeit, 6.7.1979)
am 4.7.2008 um 21.00 Uhr
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Psycho
USA 1960, R: Alfred Hitchcock, B: Robert Bloch, D: Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin, 109’ OF
Ein einsames Motel an einer Landstraße, das geführt wird von einem freundlichen, schlaksigen jungen Mann und seiner tyrannischen Mutter. An diesem Ort ereignen sich furchtbare Morde, begangen von einer psychisch gestörten Frau mit einem langen Messer und aufgestauter Wut. Den modernen Thriller und den Horrorfilm hat Psycho wie kein anderes Werk geprägt: Hitchcock setzt auf das Moment des Schocks. Er unterlegt die Geschichte mit einem Netz aus sexuellen, psychologischen und gesellschaftlichen Motiven und wechselt hin und her zwischen den Perspektiven des Täters und Opfers. Virtuos und mit schwarzem Humor spielt Psycho mit den Erwartungen und Wünschen des Betrachters. Er zwingt ihn, die Auslassungen in der Darstellung extremer Gewalt selbstständig zu ergänzen. Der Schrecken nistet sich im Gedächtnis ein und erzeugt Bilder, die auf der Leinwand nie zu sehen sind. Dennoch wurde nach der deutschen Premiere des Films gleich ein Verbot gefordert: „Hitchcock selbst lächelt nur darüber. Er meint, das Publikum sei erwachsen genug, um derartiges ertragen zu können und sich daran zu ‚erfreuen’. Daß man das Filmtheater nach 109 Minuten mit leichtem Entsetzen verläßt, unterliegt keinem Zweifel. Andererseits bewundert man die brilliante Regie Hitchcocks, der in Psycho die Spannung nie erlahmen läßt und das Grauen immer dort einsetzt, wo man es kaum erwartet hat, um auch den reservierteren Zuschauer doch noch zum entsetzten Aufschrei zu zwingen.“ (Süddeutsche Zeitung, 4.9.1960)
am 5.7.2008 um 21.00 Uhr
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The Lodger – A Story of the London Fog
GB 1927, R: Alfred Hitchcock, D: Ivor Novello, June Tripp, Malcolm Keen, 74’ engl. ZT
London in Angst. Woche für Woche schlägt ein Frauenmörder zu, immer sind Blondinen seine Opfer, und immer tötet er am Dienstag. Presse und Rundfunk machen die Morde, die an jene von Jack the Ripper erinnern, zum Stadtgespräch. Niemand entzieht sich der Faszination des Grauens und der um sich greifenden Furcht. Deshalb erregt das geheimnisvolle Wesen eines jungen Mannes, der ein Zimmer bei einem älteren Ehepaar mietet, nicht nur Neugier, sondern auch Verdacht. Die Ereignisse überschlagen sich, als nach einem nächtlichen Spaziergang des neuen Mieters wieder ein Mordopfer aufgefunden wird und sich dieser der Verhaftung durch Flucht entzieht. Er taucht unter im Nebel der Stadt, doch ein aufgebrachter Mob ist ihm auf der Spur und will ihn lynchen.
Alfred Hitchcock, damals 27 Jahre alt, schafft mit The Lodger ein Vorbild des modernen Thrillers. Es ist die Geschichte eines unbescholtenen Mannes, der in einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft rettungslos in ein Mühlwerk hineingerät. Das Schicksal dieses Einzelnen wird hier konfrontiert mit einem Geflecht aus Mord, Medienmacht und öffentlicher Neugier, Lust und Entsetzen. Die Frage nach der Schuld verblasst. Aus Licht und Schatten erzeugt Hitchcock virtuos eine klaustrophobische, symbolgeladene Stimmung. Seine rein visuelle Erzählweise ist äußerst ökonomisch. Für Hitchcock, der zuvor in deutschen Studios Erfahrungen gesammelt hatte und Friedrich Wilhelm Murnau bewunderte, bedeutete The Lodger einen Einschnitt, wie er François Truffaut erklärte: „The Lodger war der erste Film, in dem ich das anwenden konnte, was ich in Deutschland gelernt hatte. Ich bin in diesem Film ganz instinktiv vorgegangen. Es war das erstemal, daß ich meinen eigenen Stil anwandte. Man kann sagen, daß The Lodger eigentlich mein erster Film ist.“ (Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, 1973) Wir zeigen eine viragierte Fassung des BFI National Archive.
Klavierbegleitung: Carsten-Stephan v. Bothmer
Einführung: Fabian Tietke
am 11.7.2008 um 21.00 Uhr
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The Pledge
USA 2001, R: Sean Penn, D: Jack Nicholson, Benicio del Toro, Vanessa Redgrave, Mickey Rourke, Sam Shepard, Harry Dean Stanton, 124’ OF
Nur noch ein Tag, bis der alte, alleinstehende Polizist in Rente geht. Da wird im Wald ein totes Mädchen entdeckt, und der Polizist verspricht den Eltern des Kindes bei seinem Seelenheil, den Mörder zu finden. Wenig später wird ein Verdächtiger verhaftet, und der Fall scheint erledigt. Der Polizist wird pensioniert. Doch ihm kommen Zweifel, und er macht sich auf die Suche nach dem wahren Mörder, einem Serientäter. Als Lockvogel dient ihm ein junges Mädchen, das mit seiner Mutter in sein Haus eingezogen ist und das er liebt wie eine Tochter. Es beginnt das lange Warten auf den Mörder, das lange Warten darauf, endlich das Versprechen einzulösen.
The Pledge ist Sean Penns kongeniale Adaption von Friedrich Dürrenmatts Roman Das Versprechen, der in Deutschland bereits 1958 unter dem Titel Es geschah am hellichten Tag verfilmt wurde. Penn verlagert die Geschichte in die amerikanische Provinz, in die karge Berglandschaft von Nevada. Das Leben ist hier einsam, und die Menschen sind gezeichnet von harter Arbeit, von Entbehrungen und Verlust. Eine tiefe Melancholie lastet auf den Bildern des Films, der vom langsamen Zerbrechen der Hoffnung, vom Alter und der Trauer berichtet. Der Held kann sein Seelenheil nur zum Preis des Verrats erlangen. Diesen schwankenden Helden spielt Jack Nicholson – umgeben von einem fabelhaften Ensemble – auf ergreifende Weise als verbissener Detektiv und grotesker King Lear. The Pledge ist großes Starkino und ein radikaler Independentfilm, „eine amerikanische Pathologie, eine Enzyklopädie von Schmerz, Leiden und Leidenschaft“ (Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 10.10.2001).
am 12.7.2008 um 21.00 Uhr
am 15.7.2008 um 20.00 Uhr
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Zodiac
USA 2007, R: David Fincher, D: Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Robert Downey Jun., Anthony Edwards, 151’ OF
In den späten 60er und frühen 70er Jahren ermordete der Zodiac-Killer in der Gegend von San Francisco zahlreiche Menschen. Dieser Mörder, der sich zu seinen Taten bekannte und kryptische Botschaften an die Presse verschickte, konnte nie überführt werden. Er wurde zu einer mythischen Gestalt, die seither zahlreiche Filme bevölkert hat. David Fincher nutzt die tatsächlichen Begebenheiten, um das rückseitige Porträt einer Epoche zu entwerfen, die mit dem Summer of Love begann und in die Erfahrung äußerster Gewalt und allgegenwärtiger Furcht mündete.
Auf verschlungene Weise erzählt Zodiac die Geschichte der Ermittler, denen auf der Suche nach dem Mörder ihr Privatleben entgleitet. Je tiefer die Ermittler graben, desto weniger gelingt die Aufklärung, desto rätselhafter erscheinen die Spuren. So handelt der hervorragend gespielte Film Zodiac auch vom allmählichen Verlust des normalen Lebens, er betreibt eine aufwändige „Archäologie der Angst“. Die Prognose fällt düster aus: „Gewalt, nicht Jugend ist das Faszinierendste, das Machtvollste, was die Popkultur zu bieten hat. Gewalt also als Grammatik einer Zeit, der Tod als sadistisches Ordnungsprinzip, der Mord als Muster, als Code, als ein Weg, um die Wirklichkeit zu sortieren.“ (Georg Diez, Die Zeit, 24.5.2007)
am 16.7.2008 um 20.00 Uhr
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