WAHLKAMPF
Am 27. September findet die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag statt. Das Zeughauskino begleitet den Wahlkampf der Parteien mit einer Filmreihe, die an die Spitzenpolitiker vergangener Wahlperioden – Franz Josef Strauß, Willy Brandt, Helmut Kohl, Joschka Fischer, Gerhard Schröder – erinnert. Ebenfalls berücksichtigt sind Herbert Achternbusch als obdachloser Weltmensch Hick und Udo Lindenberg als ein Bundeskanzler, der – brandaktuell – Atomkraftwerke abschalten lässt und ein Ministerium zur Abschaffung zwischenmenschlicher Kälte einrichtet. WAHLKAMPF – eine Filmreihe zur historischen Verortung des aktuellen politischen Geschehens.
WAHLKAMPF
Der Kandidat. Gerhard Schröder im Wahlkampf ’98
D 1998, R/B/K/P: Thomas Schadt, 90' DigiBeta
Mehr als ein halbes Jahr lang verfolgt der Dokumentarist Thomas Schadt den Wahlkampf des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Seine Beobachtungen mal aus nächster Nähe, mal aus kalkulierter Distanz hält er in langen Einstellungen fest: Diskussionen in Schröders Werbeagentur, Gespräche in der SPD-Wahlkampfzentrale und vor allem das Verhältnis des Kandidaten zum allgegenwärtigen Tross der Journalisten. So beobachtet Schadt die professionellen Beobachter, die scheinbar nebensächlichen Gesten vor und nach Medienterminen und jene kurzen Momente, in denen die durchgeplante Wahlkampfmaschinerie ins Stocken gerät – eine Langzeitbeobachtung als „Sittenbild der Mediengesellschaft“ (Süddeutsche Zeitung). Schadts Blick auf den Kandidaten prallt aber an dessen Inszenierungskunst ab: „Nach über 50 Drehtagen kann ich nicht sagen, Gerhard Schröder getroffen zu haben.“ – Der Film entsteht mit ausdrücklicher Genehmigung der SPD-Wahlkampfzentrale und mit der Zusage, ihn nicht vor der Wahl zu senden. Drei Jahre später dreht Thomas Schadt mit Kanzlerbilder (2001) eine Art Fortsetzung, in der er der Frage nachgeht, wie sich der „Kandidat“ vom „Kanzler“ unterscheidet und ob sich Gerhard Schröder in seinem Auftreten verändert hat.
am 1.9.2009 um 20.00 Uhr
am 6.9.2009 um 19.00 Uhr
WAHLKAMPF
Herr Wichmann von der CDU
D 2003, R: Andreas Dresen, K: Andreas Höfer, 78'
Im Sommer 2002 kandidiert der 25jährige Berliner Jura-Student Henryk Wichmann für ein CDU-Direktmandat im Wahlkreis Uckermark/Oberbarnim, obschon sein Kontrahent, der SPD-Politiker Markus Meckel, hier bei der letzten Bundestagswahl auf 54% der Stimmen kam. Andreas Dresen und Kameramann Andreas Höfer begleiten Henryk Wichmann einen Monat lang auf seiner Wahlkampftour. Sie entscheiden sich für eine beobachtende Perspektive. Gedreht wird meist vom Stativ, im Mittelpunkt stehen der Protagonist und die Situationen, die sich aus dessen Wahlkampftätigkeit ergeben. „Wir wollten niemanden in die Pfanne hauen. Es gab eine natürliche Distanz bei uns zu dieser Wahlkampfsituation: irgendwo hinzukommen, den Schirm aufzuschlagen, die Art und Weise der Argumentation. Aber es hat eben auch etwas Sympathisches, wie Wichmann mit seinem Krempel über die Dörfer zieht, mit einer Energie und Geduld, die viele andere Kandidaten nicht haben – obwohl er sich leicht ausrechnen kann, dass das nichts wird mit dem Wahlsieg. Dieser Kampf auf verlorenem Posten hat ja nicht nur einen komischen, sondern auch einen tragischen Unterton.“ (Andreas Dresen) Eine Realsatire voll unfreiwilliger Komik, aber auch eine „Lektion in Demokratie und in dokumentarischer Wahrheit“ (Andreas Kilb, F.A.Z., 9.4.2003). Denn ohne Wahlen und ohne Werben um die Gunst des Wählers keine Demokratie.
am 2.9.2009 um 20.00 Uhr
am 4.9.2009 um 21.00 Uhr
WAHLKAMPF
Kanzlerbilder. Szenen vom großen und kleinen Theater der Politik
D 2001, R/B/K/P: Thomas Schadt, 90' DigiBeta
Fünfzig Drehtage lang, zwischen Mai und September 2000, studiert der Dokumentarist Thomas Schadt Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seiner Regierungsarbeit. Er folgt ihm zum Weltwirtschaftsgipfel nach Okinawa, ins Baltikum, nach New York und begleitet ihn auf einer Sommerreise in die neuen Bundesländer. Verhandelt werden große Politik und kleine Steuerreform sowie eine Vielzahl von Terminen aus dem Arbeitsalltag des Bundeskanzlers. „Wer wissen will, wie – im buchstäblichen, im räumlichen, im zeitlichen und im körperlichen Sinne – dieses Land regiert wird, sollte diesen Film nicht verpassen.“ Denn er schildert „die Absurdität, Komik, Härte, vor allem aber die vollständige Einsamkeit und Isolation im politischen Geschäft auf denkbar ruhige und eindringliche Weise.“ (Michael Hanfeld, F.A.Z., 15.2.2001). Bereits 1998 hatte Thomas Schadt den Bundestagswahlkampf von Gerhard Schröder in dem preisgekrönten Film Der Kandidat festgehalten. Es gelingt ihm, so Schadt, noch besser als damals, „wenig von sich zu zeigen, aber immer präsent zu sein.“ So ist dieser Film auch ein Dokument staatsmännischer Inszenierungskunst.
am 6.9.2009 um 21.00 Uhr
am 20.9.2009 um 21.00 Uhr
WAHLKAMPF
Spuren der Macht – Die Verwandlung des Menschen durch das Amt
D 1999, R: Herlinde Koelbl, 90' Beta SP
Langzeitbeobachtung mit Joschka Fischer, Renate Schmidt und Gerhard Schröder als Hauptdarstellern. Die bekannte Porträt-Fotografin Herlinde Koelbl fotografiert und filmt Männer und Frauen in Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft. Sie will herausfinden, welche Spuren das Amt und die damit verbundene Macht bei ihnen hinterlassen, wie „die Verengung ihres persönlichen Daseins ihre Körpersprache verändert.“ Die einmal jährlich geführten Interviews finden in einem kargen Ambiente statt: ein Sessel, ein Gesprächspartner, eine Videokamera. Die Fragen sind einfach, fast naiv, zielen vorrangig auf Persönliches und Privates. „Der Rückblick auf sieben Jahre ermöglicht ungewöhnliche Einblicke und Erkenntnisse in Entwicklung und Wandel dreier Menschen, bei denen man annehmen konnte, dass sie bei Beginn des Projekts noch nicht am Endpunkt ihrer Karriere angekommen waren.“ (WDR) Aber kommen wir so den Politikern und ihren Veränderungen durch das Amt näher? Oder sehen wir nur unterschiedliche Etappen ihrer öffentlichen Selbstinszenierung: schließlich sind alle Porträtierten ausgefuchste Medienprofis.
am 9.9.2009 um 20.00 Uhr
WAHLKAMPF
Der Kandidat
BRD 1980, R: Stefan Aust, Alexander Kluge, Alexander von Eschwege, Volker Schlöndorff, 129’
Deutsche Geschichte am Beispiel der Karriere des CSU-Politikers Franz Josef Strauß und zugleich ein Filmbericht zur Lage der Nation vor der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980. Nicht nur die CSU behindert die Dreharbeiten während des Wahlkampfes, auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen weigert sich, Archivbilder zur Verfügung zu stellen. Die Filmemacher behelfen sich mit Aufnahmen aus Wochenschauen und ausländischen Archiven. „Wir waren uns von Anfang an einig, daß wir nicht einen Pro- oder Anti-Strauß-Film drehen wollten. Sondern wir wollten nachfragen, was ist das für ein Land, in dem ein Mann wie Strauß (...), der sich seine Chancen immer im letzten Moment durch Skandale verdorben hat, heute im Alter von 65 Jahren behaupten kann, er sei der geeignete Mann für das wichtigste politische Amt in dieser Republik. (...) Die Gefahr ist die Trägheit unserer Gesellschaft, die bereit ist, eine mehr oder weniger funktionierende Demokratie aufzugeben und sie einem sogenannten starken Mann zu überantworten.“ (Volker Schlöndorff). Mit Assoziationen, ironischen Brechungen und Verfremdungen erarbeiten sich die Filmemacher eine komplexe Deutschlandbeschreibung: „Das Bild von Deutschland im Winter hat er uns nicht gegeben; aber vielfaches Material zum Nachdenken.“ (Der Spiegel, 21.4.1980)
am 12.9.2009 um 21.00 Uhr
am 19.9.2009 um 18.30 Uhr
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Neue Freiheit – Keine Jobs
D 1998, R/B/P/D: Herbert Achternbusch, 81'
In einer Mülltonne am Marienplatz findet der obdachlose Weltmensch Hick – gespielt von Herbert Achternbusch, „ein Orson Welles der Münchener Innenstadt“ (Claudius Seidl, Süddeutsche Zeitung, 16.2.1998) – einen amerikanischen Pass. Damit verschafft er sich Respekt. Ein Polizist schüttet ihm sein Herz aus: Kohl sei an allem Schuld. Hick empört sich und malt ein Plakat: „Wer befreit mich von Helmut Kohl?“ Hick geht pinkeln. Nacheinander halten zwölf Polizisten sein Plakat. Hick kommt nicht zurück. Die Polizisten teilen derweil Deutschland neu auf. Hick streift durch München, trifft Frauen aus seinem Leben, gibt Interviews, träumt sich in die Steinzeit zurück. Dann das Unfassbare: Helmut Kohl verschwindet spurlos... und der Film endet in einem Bierkeller. „Ich würde nie bewusst einen politischen Film machen. Auch nie bewusst politische Verhältnisse angreifen, wenn ich nicht ’nen Spaß dabei hätte.“ Herbert Achternbusch dreht seinen Film zum Bundestagswahlkampf 1998 in neun Tagen mit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele und Schülern der Otto-Falckenberg-Schule. „Ein Film, der assoziativ um all jene Themen kreist, die schon der Titel anreißt. Ein Film über Deutschland also. Oder besser: über München im deutschen Herbst in der Dauer-Ära Kohl.“ (Christine Dössel, Süddeutsche Zeitung, 13.2.1998).
am 13.9.2009 um 21.00 Uhr
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Schattenväter
D 2005, R/B: Doris Metz, K: Sophie Maintigneux, 95'
Am 24. April 1974 wird Günter Guillaume, einer der persönlichen Referenten Willy Brandts, als DDR-Spion enttarnt; Brandt übernimmt die politische Verantwortung und tritt zwei Wochen später als Bundeskanzler zurück. Im Vordergrund der Dokumentation stehen aber nicht Brandt und Guillaume, sondern ihre Söhne Matthias Brandt und Pierre Boom (Pierre Guillaume, der den Mädchennamen seiner Mutter angenommen hat). Getroffen haben sie sich nur einmal 1972, als Kinder, während eines Urlaubs in Norwegen. Heute ist Matthias Brandt ein erfolgreicher Schauspieler, Pierre Boom Fotograf und Medienproduzent. Doris Metz interviewt sie getrennt, gewährt ihnen viel Raum für ihre Auseinandersetzung mit den Vätern. Matthias Brandt läuft durch die leerstehende Bonner Dienstvilla, in der er aufwuchs; Pierre Boom sieht sich im ehemaligen Stasi-Kino einen Propagandafilm über seine Eltern an. Jeder der Söhne setzt sich auf seine Art mit der Unnahbarkeit der Väter auseinander; beide fühlen sich ihnen durch eine „herzliche Sprachlosigkeit“ verbunden. Das Doppelporträt der Söhne wird durch Parallelmontage zusammengeführt: Nur in der letzten Einstellung treffen sie tatsächlich aufeinander. An der Ufer-Promenade in Bad Godesberg stehen sie Seite an Seite... und schweigen.
am 18.9.2009 um 21.00 Uhr
am 22.9.2009 um 20.00 Uhr
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Panische Zeiten
BRD 1980, R/B/M: Udo Lindenberg, D: Udo Lindenberg, Leata Galloway, Vera Tschechowa, 101'
Action, Gags und Panik-Power: Udo Lindenberg in einer Doppelrolle als entführter Sänger und Detektiv. „Zunächst ist das natürlich ein Knall-, Locker- und Kicherfilm. Aber eine ‚Message’ gibt es natürlich, die eigentlich nicht anders ist als bei meinen Songs und Konzerten. Songs mit viel Spaß, verbunden aber auch mit kritischem Hingucken. Ein Detektiv muß das ja sowieso machen. Er muß herausfinden, wo Lindenberg geblieben ist, dieser Sänger, der wegen Erregung öffentlicher Erregung vom Markt entfernt wurde, sprich gekidnappt, ein Typ, der manchen Leuten unangenehm auffiel, weil er das Maul zu weit aufgerissen hat, in einer immer schlapper werdenden Zeit. (...) Das ist auch das Besondere an diesem Film, daß wir, mit Ausnahme von Walter Kohut, Vera Tschechowa und Eddie Constantine und einigen anderen, Schauspieler-Laien sind (...), die keine Show spielen, sondern einfach eine Show sind, naturbelassen vor der Kamera. (...) Was wir nicht wollten, wußten wir sehr genau: einen tristen deutschen Ernstfilm, nicht der Problemfilm, obwohl es auf dem Sektor sehr gute, wichtige Filme gibt. (...) Ich meine, daß es möglich sein muß, was wir mit unseren Live-Shows ja auch machen, Spaß mit vernünftigen Inhalten zu verbinden. Also eine Art Bestandsaufnahme der bundesdeutschen Realität. Es ist natürlich sehr viel Musik im Film.“ Als Bundeskanzler schaltet Udo Lindenberg schließlich die Atomkraftwerke ab und richtet ein Ministerium zur Abschaffung zwischenmenschlicher Kälte ein.
Einführung am 19.9.: Philipp Stiasny
am 19.9.2009 um 21.00 Uhr
am 25.9.2009 um 21.00 Uhr
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Parteitag 64
BRD 1964, R: Klaus Wildenhahn, 18’
Hier Strauß – D.A. Pennebaker meets F.J.S.
USA 1965, R: D.A. Pennebaker, 35' OF, Beta SP
Werbung der Parteien im Wahlkampf 1969
BRD 1970, 22'
Die Fernseh-Reportage Parteitag 64 von Klaus Wildenhahn macht die innerparteilichen Auseinandersetzungen auf einem SPD-Parteitag öffentlich: präzise beobachtet, mit neuester Kameratechnik in langen Einstellungen aufgenommen, Gegenberichterstattung im besten Sinne. Der 1964 für den NDR entstandene Beitrag wird erst 1981 in einer gekürzten Fassung gesendet.
1965 porträtiert der amerikanische Dokumentarist Donn Alan Pennebaker den bayerischen CSU-Politiker Franz Josef Strauß: „Meine Ankündigung, einen Film über Strauß zu machen, provozierte wildes Gelächter. Es schien eine absurde Idee zu sein. Man nahm ihn entweder nicht ernst oder hielt ihn für einen üblen Charakter, eine Person jedenfalls, die man nicht leiden kann. Das interessiert mich immer. Diese Menschen bekommen ein bestimmtes Raster übergestülpt, aus dem sie nicht mehr herauskönnen. Was Franz Josef Strauß anging – ich war erstmal entschlossen, ihn sympathisch zu finden.“ (Pennebaker im Gespräch mit Angelika Wittlich).
Der Unterrichtsfilm Werbung der Parteien im Wahlkampf 1969 enthält einen Beitrag des Fernsehmagazins Panorama vom 8. September 1969 über die Plakate und die ersten Fernsehwerbefilme von SPD, CDU und FDP. Analysiert werden die Werbestrategien der Parteien und der von ihnen beauftragten Agenturen.
Alle drei Filme des Programms versuchen, hinter die Kulissen der Politik zu blicken: Wie wird Politik gemacht und wer sind die Macher?
am 20.9.2009 um 19.00 Uhr |