WIEDERENTDECKT
Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv
WIEDERENTDECKT
Lieb Vaterland, magst ruhig sein
BRD 1976, R: Roland Klick, K: Jost Vacano, D: Heinz Domez, Günter Pfitzmann, Catherine Allégret, Rolf Zacher, Georg Marischka, 92’
Berlin mitten im Kalten Krieg. 1964 schickt die Stasi den Ganoven Bruno vom Osten in den Westen, um den prominenten Kopf einer Fluchthelferorganisation zu entführen. Bruno gerät zwischen die Fronten der Geheimdienste und muss den eigenen Ausbruchsversuch teuer bezahlen. Aus dem Roman von Johannes Mario Simmel macht Roland Klick einen spannenden Spionagefilm, der die unfeinen Methoden auf beiden Seiten, die Propaganda und die Paranoia durchleuchtet und die Klischees als Klischees zu erkennen gibt. Lieb Vaterland, magst ruhig sein ist mitreißend und voller Action, brillant fotografiert von Jost Vacano (Das Boot, Total Recall) und eindringlich gespielt von Heinz Domez, dessen stoischer, von allen betrogener Bruno einem modernen Franz Biberkopf gleicht.
Für Klick, den unabhängigen jungen Filmemacher, bedeutete der Erfolg aber kein Glück. Die intellektuelle Kritik nahm es ihm übel, dass er den Bestseller des vielgeschmähten Simmel so gut adaptiert hatte und nun für ein großes Publikum arbeitete. Klick blieb ein Geheimtipp. „Roland Klick hat viel weniger Filme gemacht als der jüngere Rainer Werner Fassbinder; viel bessere Filme als der gleichaltrige Volker Schlöndorff; und, auf ihre andere Art, ebenso intelligente Filme wie der ältere Alexander Kluge. Unter diesen ist Roland Klick der Unbekannteste; und der einzige Unterschätzte.“ (Norbert Jochum, Die Zeit, 14.5.1982)
Einführung: Philipp Stiasny
am 7.11.2008 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Der Herr vom andern Stern
D 1948, R: Heinz Hilpert, D: Heinz Rühmann, Anneliese Römer, Hilde Hildebrand, Otto Wernicke, Rudolf Vogel, Bruno Hübner, 93’
Ein Herr von einem anderen Stern verirrt sich auf die Erde und gerät in ein autoritär-bürokratisches System, dem er möglichst schnell wieder zu entfliehen sucht. Doch dazu braucht er zwei Stunden Konzentration, um die Materie durch den Geist beherrschen zu können, und diese Ruhe findet er weder auf dem Meldeamt, an dem er sich einzufinden hat, noch bei den Sicherheitsbehörden oder dem Minister. Als „Staatenloser ohne Vaterland“ irrt er zwischen Büropalästen und Mietskasernen umher und ist schließlich sogar bereit, wegen einer Frau ein Erdenbürger zu werden. Er versucht sich beim Militär oder in der Politik, aber niemand will wirklich wissen, dass auf seinem fernen Planeten im Laufe von dreitausend Jahren ohne Krieg ein Gemeinwesen entstanden ist, in dem nach dem Prinzip von Vernunft und Vertrauen gelebt werden kann. Erst im Gefängnis findet der Mann zu seiner geistigen Konzentration zurück.
Der Herr vom andern Stern gehört, wie Käutners Der Apfel ist ab oder Rabenalts Chemie und Liebe, zu jenen Nachkriegskomödien, die ihre Zeit mit überhöhten satirisch-kabarettistischen Mitteln beleuchten. Mit Lizenzen der drei westlichen Besatzungsmächte in den Ateliers München-Geiselgasteig gedreht, erwies sich der letztlich resignative Film, der die Wiederkehr des Immergleichen in der Geschichte beschwor, als Kassengift. Kaum jemand wollte im Kino der eigenen Unfähigkeit begegnen, Utopien wahrnehmen, geschweige denn leben zu können. Für den Hauptdarsteller und Co-Produzenten Heinz Rühmann, dessen eigene Firma „Comedia“ den Film produzierte, bedeutete Der Herr vom andern Stern ein finanzielles Fiasko. Heute gehört das selten gezeigte Werk zu den spannendsten Belegen für die Versuche, Zeitgeschichte abseits des „Trümmerfilms“ mit Hilfe einer heiter-nachdenklichen Parabel zu spiegeln.
Einführung: Ralf Schenk
am 5.12.2008 um 18.30 Uhr
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