WIEDERENTDECKT
Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg und dem Bundesarchiv-Filmarchiv
WIEDERENTDECKT
Die schwarze Loo
D 1917, R: Max Mack, B: Hans Brennert, D: Maria Orska, Theodor Loos, Bruno Kastner, 62’
neu viragierte Kopie
Im Sommer 1917, die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs erreichen eben ihren Höhepunkt, entführt Regisseur Max Mack sein Publikum in die schillernde Halbwelt der Reichshauptstadt. Auf der Grundlage eines Drehbuchs des damals viel gelesenen Schriftstellers Hans Brennert inszeniert der mit den Gefühlen nur so jonglierende Dreiakter seinen Star Maria Orska als die „schwarze Loo“, die von der demi-monde wie von der besseren (männlichen) Gesellschaft heftig umflattert wird. Zwischen Schiebetanz und Liebesintrige entwickelt der Film seine schon damals als äußerst gewagt empfundene Handlung in ausdrucksstarken Bildern und pointierten Situationen, in denen mit bemerkenswerter Entschlossenheit an den Moralvorstellungen des spätwilhelminischen Kaiserreichs gerüttelt wird: die Sensation als gesellschaftliche Erschütterung aus dem Inneren einer Gesellschaft, fernab von der Front, an der sie längst in Agonie daniederliegt.
Die schwarze Loo war der letzte Teil der Maria-Orska-Serie, die Mack für die Greenbaum-Film in der Saison 1916/17 herstellte. Keine andere Darstellerin hätte sich für das Vorhaben zu diesem Zeitpunkt offensichtlicher angeboten als die gefeierte Bühneninterpretin moderner Frauenfiguren: „Maria Orska, die Darstellerin Strindbergscher Frauengestalten, ist schon seit Jahren ein Liebling der Berliner und Wiener Kunstwelt. Nun hat sie sich mit ihrer ausgesprochen eigenen Individualität, die sie auf der Bühne und im Leben besitzt, dem Film zugewandt. Es eignet sich aber auch kaum ein zweites Gesicht so zur Verfilmung, wie das Ihrige, und es wird kaum eine zweite Filmkünstlerin geben, die ihre Mimik so zu meistern versteht, die imstande ist, Empfindungen so zum Ausdruck zu bringen, wie sie.“ (Die Lichtbild-Bühne, 8.7.1916)
Klavierbegleitung: Peter Gotthardt
Einführung: Michael Wedel
am 2.1.2009 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Der schwarze Jack. Das Rätsel der Kriminalistik. Ein Lustspieltrickfilm
D ca. 1922, Zeichnungen: Gustav Lütkemeyer, 13’
Die Vampire von New York
A 1921, R: Ernst Marischka D: Hubert Marischka, Lilly Marischka, 92’
„Die Huronen sind eine brasilianische Marderart, die wegen ihrer Raubgier und Wildheit allgemein gefürchtet ist. Nach dieser Marderart wird eine berüchtigte Verbrecherbande benannt, deren Oberhaupt Frank Wood, genannt der ,Bucklige’ ist.“ So beginnt die österreichische Abenteuerfilmserie Die Huronen, die 1922 als Die Vampire von New York in die deutschen Kinos kommt. Von den vier Teilen Die Geheimdokumente, Die Marderhöhle, Die Katakomben und Der Kampf mit dem Buckligen sind heute noch zahlreiche Episoden erhalten, die alles bieten, was einen Sensationsfilm der Nachkriegszeit auszeichnet: ein genialer Verbrecher, eine geheimnisvolle Formel, Erpressung und Verrat, Verkleidungen und Geheimfächer, Falltüren und Todeskammern, Verfolgungsjagden in Auto und Flugzeug, ein lebensgefährlicher Sturz über einen Wasserfall, sogar Cowboys und clevere Kinderdetektive.
Im Vorprogramm liefert sich der Detektiv Fifikus mit dem als „Schwarzer Jack“ berüchtigten Einbrecher eine atemberaubende Verfolgungsjagd mit Flugzeug und Eisenbahn – ein früher Animationsfilm, der gekonnt mit den Stereotypen des Detektiv- und Sensationsfilms spielt.
Klavierbegleitung: Peter Gotthardt
Einführung: Jeanpaul Goergen
am 6.2.2009 um 18.30 Uhr
WIEDERENTDECKT
Ruhrschande
D 1923, 13’ (Fragment)
Unter fremdem Joch. Bilder aus dem Ruhrgebiet
D 1923, 5’ (Fragment)
Fridericus Rex. Teil 4: Schicksalswende
D 1923, R: Arsen von Cserépy, D: Otto Gebühr, Eduard von Winterstein, Alexander Granach, Karl Platen, 72’
Friedrich der Große steht in den frühen Jahren der Weimarer Republik im Mittelpunkt eines hitzigen Deutungskampfes um die deutsche Geschichte und ihre Mythen. In einer Zeit der Krise, der gefühlten Schmach und der Ruhrbesetzung durch die Franzosen verbinden die rechten Nationalisten mit Friedrich die Erinnerung an eine stolze, glorreiche Vergangenheit, an Macht und Wehrhaftigkeit. Den Republikanern und Linken gilt der preußische König dagegen als Symbol für Militarismus und Monarchie und damit als Feind der neuen demokratischen Staatsordnung. Als 1922 und 1923 die aufwändig produzierte, vierteilige Filmbiografie Fridericus Rex in die deutschen Kinos kommt, löst sie einen Skandal aus, spaltet das Publikum und die Kritik. Die einen fühlen sich provoziert durch die Verklärung der Vergangenheit, die anderen bejubeln das Werk als Ausdruck einer deutschen Filmkunst. Der vierte, für sich stehende Teil Schicksalswende spielt während des Siebenjährigen Krieges und lässt sich als allegorischer Gegenentwurf zur Situation um 1918 verstehen: Nach vielen Niederlagen sind die preußischen Soldaten kriegsmüde, Friedrich ist mit den Nerven am Ende. Dennoch gelingt es ihm, seine Truppen aufzurütteln, die Zweifel zu beseitigen und mit dem Sieg in der Schlacht von Leuthen die Wende des Krieges einzuleiten. Der stets hellwache Victor Klemperer schreibt in sein Tagebuch: „Ein ganz unmilitaristischer Film. [...] Das Publikum, das vorher in der Deuligwoche die Franzosen im Ruhrgebiet auspfiff, klatschte begeistert, so oft preußische Truppen stürmten, so oft Fahnen erschienen, so oft Friedrich als Feldherr vortrat. Aber es wurde in seinen nationalistischen Instincten von heute mehrfach gedämpft. [...] Friedrich selber eine merkwürdige u. zwiespältige Gestalt. Absolut u. liberal, fragloser Eroberer u. Friedensfürst, Pessimist u. Mann der Staatsidee. – Als Filmschauspiel ein ganz großer Genuß.“ (20.5.1923).
Im Vorprogramm laufen die beiden dokumentarischen Kurzfilme Die Ruhrschande und Unter fremdem Joch, die die Ruhrbesetzung durch Franzosen und Belgier 1923 thematisieren und die teils heimlich aufgenommene, teils gestellte Bilder aus dem Ruhrgebiet zeigen. Das Filmprogramm wird von Brigitte Braun, die Mediengeschichte an der Universität Trier lehrt, vorgestellt.
Klavierbegleitung: Peter Gotthardt
Einführung: Brigitte Braun
am 6.3.2009 um 18.30 Uhr
|