WIEDERENTDECKT
Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg, dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Der Schauspieler Ferdinand Marian
Der Schauspieler Ferdinand Marian war eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Kino. Kein anderer männlicher Filmdarsteller verfügte als Liebhaber über soviel melancholische Noblesse und als Schurke über eine so abgründige Tiefe. Gespaltene Persönlichkeiten waren seine Figuren immer – stets getrieben von innerer Unruhe und obsessivem Verlangen artikulieren sie ein traumatisiertes Bild des Männlichen.
Ferdinand Marian, geboren am 14. August 1902, entstammte einer Künstlerfamilie und kam nur widerwillig zum Theater und Film. Dennoch wurde er ein bedeutender Schauspieler. Zu seinen herausragenden Rollen auf der Bühne zählten der Jago und der Don Juan. 1940 spielte Marian die Titelrolle in dem antisemitischen Propagandafilm Jud Süß, nachdem er sich ein Jahr lang vergeblich gegen den offiziellen Auftrag aus dem Propagandaministerium gewehrt hatte. Marians Darstellung zeigte "keine antisemitische Karikatur, sondern realistisch einen Juden, der sich in einem von Judenhass durchtränkten Deutschland assimilieren möchte" (Friedrich Knilli: Jud Süß). Stigmatisiert durch seine Mitwirkung in einem der perfidesten Propagandafilme des NS-Regimes, stirbt Ferdinand Marian am 9. August 1946 bei einem Autounfall in der Nähe von München.
WIEDERENTDECKT
Madame Bovary
D 1937, R: Gerhard Lamprecht, D: Pola Negri, Aribert Wäscher, Ferdinand Marian, Paul Bildt, Werner Scharf, 91’
Adaption des gleichnamigen Romans von Gustave Flaubert. Der Arzt Dr. Bovary (Aribert Wäscher) reist mit seiner Frau Emma (Pola Negri) in die Kleinstadt Yoinville, um dort eine Praxis zu eröffnen. Während er mit den Ressentiments der Bewohner zu kämpfen hat, träumt Emma Bovary vom gesellschaftlichen Aufstieg und einem eleganten Lebensstil in Paris. Nur allzu gern lässt sich die von ihrem nüchternen und etwas einfältigen Gatten vernachlässigte Frau von dem galanten Rechtsanwalt Dupuis (Werner Scharf) unterhalten. Schon bald aber muss der Anwalt Yoinville verlassen, um die Praxis seines kranken Vaters in Rouen zu übernehmen. Um der quälenden Tristesse ihres Kleinstadtdaseins zu entgehen, beginnt Emma ein leidenschaftliches Liebesverhältnis mit Roudolphe Boulanger (Ferdinand Marian), den sie auf einem Ball des Marquis de Andervillier (Georg Heinrich Schnell) kennen gelernt hat. Boulanger verspricht ihr eine gemeinsame Zukunft, distanziert sich dann aber kurzfristig von seinem Versprechen, um sein gesellschaftliches Renommee nicht zu gefährden. Madame Bovary stürzt in eine schwere Nervenkrise...
Einführungsvortrag: Renata Helker
am 3.4.2009 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Romanze in Moll
D 1943, R: Helmut Käutner, D: Marianne Hoppe, Paul Dahlke, Ferdinand Marian, Siegfried Breuer, Elisabeth Flickenschildt, 100’
Verfilmung nach der Novelle Les Bijoux von Guy de Maupassant. Als der Buchhalter (Paul Dahlke) eines Abends vom Kartenspiel spät nach Hause kommt, findet er seine Frau wie schlafend im Bett. Bald gerät er in Bestürzung: Seine von ihm so behütete junge Frau (Marianne Hoppe) hat Gift genommen. Eine Perlenkette, die er beim Pfandleiher versetzen will, führt ihn auf eine überraschende Spur. Madeleine war die Geliebte eines erfolgreichen Komponisten (Ferdinand Marian). Ihr Lächeln hatte ihn zur Komposition des Liedes Romanze in Moll inspiriert. Um dieser Liebe willen führte Madeleine ein Doppelleben, das sie in tragische Verwirrung stürzte. Als eines Tages ihr Geheimnis entdeckt und sie von dem Vorgesetzten (Siegfried Breuer) ihres Mannes erpresst wird, findet sie aus dem Dilemma keinen anderen Ausweg als den Tod. „Daß in so einer banalen Geschichte (...) sogar noch Poesie stecken kann, das hat mich, glaube ich, mein Leben lang fasziniert.“ (Eberhard Fechner) – Romanze in Moll handelt von der Sehnsucht der Frau – sie ist das „Opfer in dieser Liebesunordnung, die ‚zu‘ sehr liebende Frau, die keine soziale Bahn findet, ihren Ausdruck zu artikulieren.“ (Karsten Witte: Im Prinzip Hoffnung – Helmut Käutners Filme, in: Käutner, Edition Filme, Berlin 1992).
am 3.4.2009 um 21.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Die Nacht der Zwölf
D 1944/48, R: Hans Schweikart, D: Ferdinand Marian, Dagny Servaes, Mady Rahl, Elsa Wagner, 89’
Leopold Lanski (Ferdinand Marian), ein angeblicher Immobilienmakler und berufsmäßiger Heiratsschwindler, wird von einer Witwe (Dagny Servaes) zum Universalerben ihres Vermögens ernannt. Ohne lange zu überlegen, bringt er die feine Dame noch am selben Tag um. Schon bald muss er jedoch erfahren, dass er sein Erbe nicht antreten kann, da das Testament noch gar nicht unterschrieben worden war und damit nicht rechtskräftig ist. So verspricht Lanski weiterhin einer Frau nach der anderen die Ehe, einer nach der anderen nimmt er das Geld ab. Gleichwohl ist keine der Frauen bereit, sich im polizeilichen Verhör als geschädigt zu erklären. Denn inzwischen ist die Polizei auf ihn aufmerksam geworden... Marian „verpackt seine Sinnlichkeit in seidene Hemden und Hosen in messerscharfen Bügelfalten, in einem feierlichen Abendanzug oder in sportliche Straßenkleidung, entsprechend den sexuellen Verkleidungsphantasien seiner Kundinnen.“ (Friedrich Knilli: Ich war Jud Süß, Berlin 2000)
Einführung: Renata Helker
am 4.4.2009 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Harlan – Im Schatten von „Jud Süß“
D 2008, R/B: Felix Moeller, 100’ Beta SP
Ein bemerkenswerter Dokumentarfilm über den berühmt berüchtigten Regisseur Veit Harlan, dessen Name für alle Zeit mit dem schändlichsten antisemitischen Spielfilm der NS-Zeit Jud Süß verbunden ist. Felix Moeller lässt in seinem Werk Söhne, Töchter, Enkel und weitere Verwandte zu Wort kommen, die sich sehr unterschiedlich zu Veit Harlan äußern. Zahlreiche Filmausschnitte und bisher unveröffentlichtes Privatmaterial aus dem Familienarchiv geben einen tiefen Einblick in Leben und Werk des Filmemachers, vor allem aber zeigt der Dokumentarfilm, wie sehr das eigene Leben der einzelnen Mitglieder der Familie bis heute von Veit Harlan und seinem Bild in der Öffentlichkeit beeinflusst ist.
am 4.4.2009 um 21.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Theo Lingen in einer Doppelrolle
Johann
D 1942/43, R: Robert A. Stemmle, D: Theo Lingen, Fita Benkhoff, Irene von Meyendorff, 90’
Deutschland habe die besten Diener, so besagt ein Lichtenberg-Aphorismus, und Deutschlands bester Filmdiener dürfte Theo Lingen gewesen sein. Dass er jedoch auch andere Rollen und Rollen anders brillant zu spielen vermochte, demonstriert er hier. Als Hauptfigur, dem botmäßig dienstfertigen Kammerdiener Johann, dessen Name auf der ersten Silbe zu betonen sei, vermittelt er nicht weniger als das Lob des Individualismus in einer hierarchisch gegliederten Welt. Dieser Diener kennt die Gesetze der Geschichte. Seitenhiebe gegen den Adel, der ihn beschäftigt, können in diesem Film auch ganz anders verstanden werden, weshalb er vor der staatlichen Freigabe offenbar gekürzt werden musste. Die Figur des Johann ist Lingens erste tragende Rolle im Film und das künstlerische Konzentrat aller seiner Figuren. Unter den vielen unbekannten Filmen Theo Lingens ist dies wohl einer der interessantesten. Ganz auf den Hauptdarsteller und Autor der Bühnenvorlage zugeschnitten, steckt in ihm womöglich auch ein klein wenig praktische Lebensphilosophie und der vage Ausblick von der Hitlerzeit in eine Welt, die danach kommen müsste. Ein Film des Übergangs. Die immer wieder beklagte Fixierung auf die von ihm geschaffene Diener-Institution hat Lingen beim Publikum nicht diskreditiert.
Einführung: Rolf Aurich
am 1.5.2009 um 19.00 Uhr
|