WIEDERENTDECKT
Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg, dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
WIEDERENTDECKT Der Andere
D 1930, R: Robert Wiene, M: Friedrich Hollaender, D: Fritz Kortner, Käthe von Nagy, Heinrich George, Eduard von Winterstein, 85’
Tagsüber ist Dr. Haller ein angesehener Staatsanwalt und strenger Vertreter des Gesetzes, nachts dagegen ist er „Der Andere“: ein Dieb, der sich in der Unterwelt herumtreibt. Hallers Persönlichkeitsspaltung ist ihm selbst nicht bekannt, und so weiß das eine Ich nichts vom zweiten. Es kommt, wie es kommen muss: Der nächtliche Haller verliebt sich in eine berüchtigte Ganovin und will ihr zuliebe ihren Feind, den Staatsanwalt, ermorden. Für den Regisseur Robert Wiene bedeutet Der Andere eine Rückkehr zu seinen Anfängen, denn in seinem Remake von Max Macks Klassiker des Autorenfilms aus dem Jahr 1913 drückt sich erneut das Interesse für die Psychoanalyse, das Unbewusste und die dunklen Seiten der menschlichen Seele aus, das bereits sein Meisterwerk Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) bestimmt hatte. Zugleich markiert Wienes erster Tonfilm Der Andere auch einen Neuanfang: der Tonfilm erscheint hier als die Couch des Therapeuten, auf der das Unbewusste in Sprache verwandelt wird. So lässt sich Der Andere als Versuch eines Dialogs zwischen Stummfilm und Tonfilm lesen und als selbstreflexive Auseinandersetzung mit der Übersetzung von Bildern in Worte. Wienes fesselnder Psychothriller ist herausragend besetzt und wurde von der Kritik als ein „denkwürdiger Moment im Beginn der jungen deutschen Tonfilm-Ära“ gefeiert (Lichtbild-Bühne, 13.8.1930). Der Andere wird eingeführt von Lihi Nagler (Tel Aviv), die über die Figur des Doppelgängers im deutschen Kino promoviert hat und zur Zeit in Berlin forscht.
Einführung: Lihi Nagler (in englischer Sprache)
am 5.6.2009 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT Die Geschenke des Graumännchens
DDR 1957, R: Bruno J. Böttge, M: Kurt Schwaen, 17’
Das Leben beginnt
DDR 1960, R: Heiner Carow; B: Jeanne Stern, Kurt Stern; M: Kurt Schwaen; D: Doris Abeßer, Erik Veldre, Raimund Schelcher, 119’
Der Berliner Komponist Kurt Schwaen (1909-2007) hat in nur sechs Jahren (1957 bis 1963) die Musik für acht Kinofilme und die Fernsehoper Fetzers Flucht geschrieben. Insofern nehmen diese Filmmusiken im reichen und vielgestaltigen kompositorischen Schaffen Schwaens einen besonderen Platz ein. Sein Kino-Debüt, die Musik für den Trickfilm Die Geschenke des Graumännchens, zeichnet sich durch kammermusikalisch-filigrane Melodienführung aus, die sich eng an die schmale, DDR-patriotisch eingefärbte Erzählung und an die Silhouettentechnik des Films anfügt. Deutlich hörbar ist Schwaens Neigung zu Kompositionen liedhaften Charakters.
In Das Leben beginnt erkennt man die noch unverbrauchte Utopie vieler Künstler in der frühen DDR: die Verhältnisse können gebessert werden, wenn alle Menschen Vernunft zeigen und Einsicht in das Gute – der Rest ist Erziehung und Überzeugung. Der Film „gibt kein Schema des Lebens, sondern greift mitten hinein in unsere schwere und schöne Wirklichkeit“, schrieb die Kritikerin Rosemarie Rehahn zur Uraufführung. Dem Grundgestus des Films – grandiose Vision mit vielen Widersprüchen – ist auch die Musik Kurt Schwaens durchgängig verpflichtet: mit orchestralem Schwung stützt er die Stimmungen des Films und auch einzelner Figuren und lässt keinen Zweifel am optimistischen Ausgang der Story. Der Abend ist eine Referenz an Kurt Schwaen zu dessen 100. Geburtstag.
Einführung: Günter Agde
am 3.7.2009 um 18.00 Uhr
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