WIEDERENTDECKT
Wiederentdeckt – so heißt unsere filmhistorische Reihe, kuratiert von CineGraph Babelsberg, die einmal im Monat vergessene Schätze der deutschen Filmgeschichte vorstellt. Zu sehen sind Werke, die oftmals im Schatten jener Filme stehen, die den deutschen Filmruhm begründet haben. Sie sind Zeugnisse einer wirtschaftlich leistungsfähigen und handwerklich ambitionierten Filmindustrie. Erstaunlich viele dieser Filme „aus der zweiten Reihe“ sind erhalten. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen recherchieren die Mitarbeiter von CineGraph Babelsberg diese Filme und analysieren sie im historischen Kontext. Sie erstellen Begleitblätter für das Publikum, führen in die Filme ein und dokumentieren ihre Forschungsergebnisse im Filmblatt, der Zeitschrift von CineGraph Babelsberg.
Eine Veranstaltungsreihe in Zusammenarbeit mit CineGraph Babelsberg, dem Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
WIEDERENTDECKT
Es geschah in einer Nacht
It Happened One Night
USA 1934, R: Frank Capra, D: Clark Gable, Claudette Colbert, Sprecher: Siegfried Schürenberg, Till Klokow, 90’ deutsche Synchronfassung von 1935
It Happened One Night ist 1934 der erste Film, der mit allen fünf wichtigen Oscars ausgezeichnet wird. Heute gilt er als Frank Capras größtes, weil einflussreichstes Werk: die erste Screwball-Comedy Hollywoods und vielleicht auch die beste, die in ihrer Perfektion später kaum mehr erreicht wurde. Im Zentrum dieses in der Folge der Einführung des Tonfilms und der wirtschaftlichen Depression entstandenen Genres steht häufig eine Schlacht der Geschlechter, die wegen der strengen Zensur ohne explizite Bilder auskommen muss, dafür aber stets mit Hilfe geschliffener Dialoge und mit viel Verve geschlagen wird. Der windige Reporter Peter Warne trifft im Autobus auf Ellie Andrews, die ihrem reichen High-Society-Vater davongelaufen ist, weil er sie gegen ihren Willen verheiraten will. Im Tausch gegen das exklusive Recht an ihrer Geschichte willigt Peter ein, ihr zu helfen...
In Berlin läuft der Film am 15. Oktober 1935 mit Untertiteln an, und zwar so erfolgreich, dass er Anfang Dezember durch eine Synchronisation ersetzt wird. Synchronisationen ausländischer Filme sind ein wichtiger Bestandteil der deutschen Filmgeschichte, weil sie bis heute die Rezeption des internationalen Kinos maßgeblich bestimmen. Die deutsche Fassung von It Happened One Night besticht nicht zuletzt durch ihre Sprecher. Siegfried Schürenberg (1900-1993), der „Fürst der deutschen Synchronschauspieler“ (Thomas Bräutigam: Lexikon der Synchronsprecher), hatte seine Paraderolle als deutsche Stimme von Clark Gable, so auch später in Gone With the Wind (1939). Till Klokow (1908-1970) zählt laut Bräutigam „mit ihrer einschmeichelnden, bezaubernden, ja betörenden Stimme (...) zu den besonderen Kostbarkeiten der an grandiosen Stimmen nicht gerade armen Nachkriegs-Ära.“
Einführung: Chris Wahl
am 13.11.2009 um 19.00 Uhr
WIEDERENTDECKT
Die Fabel von King Kong
King Kong
USA 1933, R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack, D: Fay Wray, Robert Armstrong, Bruce Cabot, 75’ deutsche Synchronfassung der Tobis Melofilm von 1933, Bearbeitung: Curt Wesse
„Wir zeigen Ihnen diesen Film, weil er ein Wunderwerk der heutigen Film-Technik ist. Es handelt sich hier nicht um ein wahres Erlebnis, sondern um ein unerhört insceniertes, technisch virtuoses Filmmärchen. Dieser Film füllt seit Monaten die Kinos der ganzen Welt und ist das größte filmische Ereignis des Jahres. Um auf die Unwahrscheinlichkeit der Handlung nochmals hinzuweisen, nannten wir diesen Film Die Fabel von King Kong.“ Die deutsche Texttafel am Beginn dieses klassischen Monsterfilms ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Sensation handelte. Sensationell schien nicht nur die Animationstechnik von Willis H. O’Brien (1886-1962), die es erlaubte, die Hauptdarsteller optisch voll in das Trickgeschehen zu integrieren. Obwohl Variety schon bei der Premiere im März 1933 beklagte, dass es sich bei der RKO-Produktion um kaum mehr handele als „eine Ausstellung von Studio- und Kameratechnologie“, hat die phantastische Abenteuergeschichte bis heute unzählige Re-releases, Versionierungen, Remakes und Stoffadaptionen nach sich gezogen. Auf der Suche nach einer Kulisse für einen Abenteuerfilm entdeckt ein Filmteam eine Insel, in deren Dschungel allerlei Urwelttiere hausen. Die Eingeborenen verehren den „König“ dieser Welt, den Riesengorilla Kong, der die hübsche Hauptdarstellerin Ann entführt...
Die erheblich gekürzte Synchronfassung von 1933 wird Anfang der 1950er Jahre durch eine neue Synchronisation ersetzt. King Kong ist indes kein Film, bei dem Lippensynchronität im Vordergrund stünde; über weite Strecken ist außer Schreien keine menschliche Äußerung zu vernehmen. Interessant ist der Umgang mit einem populären amerikanischen Genre, wie er in der historischen Rezeption und der Synchronisation zum Ausdruck kam. „Kinder, lasst uns verduften!“, empfiehlt die Synchronstimme etwa angesichts der Urwaldbedrohung.
Einführung: Patrick Vonderau
am 11.12.2009 um 19.00 Uhr
|