Die Wilhelmstraße zwischen der Leipziger Straße im Süden
und der Straße "Unter den Linden" im Norden entwickelte
sich seit dem Einzug des Preußischen Justizministeriums in das
Haus Nr. 74 im Jahre 1799 innerhalb von 100 Jahren zum Standort der
wichtigsten preußischen und deutschen Ministerien. Im Jahre 1899
befanden
sich auf der Westseite der Straße in Nr. 77 die Reichskanzlei,
in Nr. 76 und 75 das Auswärtige Amt, in Nr. 74 das Reichsamt des
Innern und in Nr. 73 das Königliche Hausministerium; hier wird
1920 der Reichspräsident einziehen. Auf der Ostseite war in Nr.
65 das Preußische Justizministerium, auf dem Grundstück von
Nr. 63 wurde zwischen 1900 und 1902 ein Neubau für das Preußische
Staatsministerium errichtet.
Fast alle Häuser wurden zwischen 1734 und 1738 durch Angehörige
des Militär- und Beamtenadels König Friedrich Wilhelms I.,
der Grundstücke und Baumaterialien zur Verfügung stellte,
erbaut; die meisten wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts wiederholt
umgebaut.
Zentrales Gebäude war zweifellos das Haus in der Wilhelmstraße
77, das seit 1877 als Reichskanzlei Amtssitz und Residenz des höchsten
Beamten des Reichs war. Das Haus wurde zwischen 1736 und 1740 von Adolph
Friedrich Graf von der Schulenburg errichtet. Nach mehrmaligem Besitzwechsel
erwarb Fürst Michael Radziwill das Haus im Jahre 1795 für
seinen Sohn. Im Jahre 1875 wurde das "Hotel de Radziwill"
vom Deutschen Reich gekauft, um seinem obersten Beamten, der bisher
die Dienstwohnung des preußischen Ministers für Auswärtige
Angelegenheiten im Auswärtigen Amt in der Wilhelmstraße 76
bewohnt hatte, eine angemessene Residenz zu verschaffen. Als der Umbau
im Frühjahr 1878 abgeschlossen war, zog gleich eine neue Behörde
mit ein, die am 18. Mai 1887 unter dem Namen "Reichskanzlei"
aus der Taufe gehoben