Die Wilhelmstraße

worden war.

Daß erst sieben Jahre nach der Berufung eines Reichskanzlers ein Amt mit dem Namen "Reichskanzlei" eingerichtet wurde hängt mit der besonderen Stellung des Kanzlers in der Verfassung zusammen. Der Kanzler war laut § 17 einziger Reichsminister, und ihm stand zur Erledigung seiner Aufgaben ab August 1867 ein Bundeskanzleramt zur Verfügung, das im darauffolgenden Jahr Büroräume im Preußischen Staatsministerium in der Wilhelmstraße 74 bezog. Zu den Aufgaben des neuen Amtes gehörten neben der Vorbereitung der Gesetzgebung im Bundesrat vor allem die Angelegenheiten, die zunächst in unmittelbarer Verwaltung des Bundes standen: das Post- und Telegrafenwesen und die konsularische Vertretung des Bundes.

Nach der Gründung des Deutschen Reiches wuchsen die Aufgaben des Kanzleramtes in solchem Maße, daß für einzelne Bereiche nacheinander eigene Abteilungen gegründet werden mußten, die oft schon nach kurzer Zeit zu Ämtern verselbständigt wurden; aus diesen Ämtern gingen in der Weimarer Republik die Ministerien hervor. Aus der Tatsache, daß im Reichskanzleramt nur noch einzelne Aufgabenbereiche verblieben, die die bisherige Bezeichnung mit dem umfassenden Anspruch keineswegs rechtfertigten, zog man Ende 1879 die Konsequenzen, indem man das Amt in Reichsamt des Innern umbenannte. Schon im Jahr zuvor war, wie Bismarck in einem Immediatbericht vom 16. Mai 1878 ausführte, auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, zur "unmittelbaren Verfügung des Reichskanzlers behufs seines Geschäftsverkehrs mit den Reichsbehörden und Ministerien ein besonderes Centralbüro zu errichten". Der Reichskanzler sah sich jetzt, da vom Reichstag die dafür benötigten Mittel bewilligt waren, in der Lage, "die Genehmigung Euer Majestät zur Constituierung des quästionierten Central-Bureaux

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