Ausstellung: Teil 9 von 10 |
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"Blockade, Schwarzhandelszeit, Anstehen war
für uns Kinder völlig normal, wir kannten es ja nicht anders
. ... Man mußte eben am Ball bleiben, mußte eben organisieren
können, und man mußte selbständig sein. Man war sogar
so weit selbständig, daß man gesagt hat, damals schon als
Kind, besser ist, du wärst allein, dann würdest du besser
durchkommen, tatsächlich."
Wie die Alten, so mußten auch die Kinder sich weiterhin in den
Rollen üben, die ihnen der Krieg aufgezwungen hatte. Auf die jüngeren
Geschwister aufpassen, Schlangestehen vor Geschäften, Holzreste
und Wildkräutersammeln waren alltägliche Beschäftigungen.
"Blockade, Schwarzhandelszeit, Anstehen war für uns Kinder
völlig normal, wir kannten es ja nicht anders . ... Man mußte
eben am Ball bleiben, mußte eben organisieren können, und
man mußte selbständig sein. Man war sogar so weit selbständig,
daß man gesagt hat, damals schon als Kind, besser ist, du wärst
allein, dann würdest du besser durchkommen, tatsächlich."
Und diese selbständigen Kinder waren den Müttern eine willkommene
Hilfe, weil sie sich in mancher Hinsicht als geschickter erwiesen: "Mein
Sohn war damals erst elf Jahre alt, aber handeln konnte der. Mir lag
der Schwarzmarkt gar nicht, ich war zu doof dazu. Aber auf meinen Sohn
konnte ich mich verlassen."
Auch Draufgängertum und Abenteuerlust waren weiterhin
gefragt. Zu den seltenen Zeugnissen aus jener Zeit zählt wohl die
Anfrage eines Fünfzehnjährigen aus Thüringen bei der
amerikanischen Besatzungsmacht: Der wollte in die US-Army aufgenommen
werden und versprach, als GI "durch Dick und Dünn" zu
gehen. Unter kritischen Großstadtkindern war das Kriegspielen
einstweilen in Verruf geraten, und elterliche Ermahnungen bewirkten
sogar, daß von Kindern entdeckte Waffen- und Munitionsdepots der
Polizei gemeldet wurden. Allerdings gab es damals auch viele Unfälle
mit explodierenden Blindgängern, nicht weit genug geworfenen Handgranaten
und leichtfertigen Schießpulverexperimenten. Gefährlich war
es auch, in einsturzgefährdeten Ruinen herumzuklettern und möglicherweise
noch an herausragenden Balkenenden zu zerren. Manche Jugendliche und
Kinder, die sich auf eigene Faust zum "Organisieren" von Brennholz
oder anderen Wertsachen in die Ruinen wagten, wurden von einstürzenden
Trümmern schwer verletzt oder auch getötet.
Für eine von Kriegspropaganda verführte und
von konkreter Kriegserfahrung desillusionierte Jugend waren die paar
Schritte vom Draufgängertum in die Verwahrlosung oft schnell gegangen.
Daß eine Welt aus den Fugen gegangen war, merkten die Kinder so
schnell wie die Erwachsenen. Ein in der Kinderlandverschickung verschollener
Sohn kam erst Mitte 1945 zerlumpt, und ausgehungert nach Berlin zurück.
Dort begann der Zwölfjährige die Familie zu bestehlen, um
Tauschware für den Schwarzmarkt zu bekommen; als die Mutter ihn
zur Rede stellte, verschwand er für immer. Eine andere Mutter klagte:
"Ich hab' meine Kinder von den Rationen nicht satt gekriegt. Wir
hatten dauernd Hunger. Die Kinder wurden zu Hause nicht satt, und dann
haben sie angefangen zu klauen. Da hatten wir noch Schwierigkeiten mit
der Polizei."
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