Um Einzelpersonen und Personengruppen, aber auch Institutionen
für Taten, Verdienste und Leistungen zu ehren, sie auszuzeichnen
oder ihnen zu danken, können Art und Form der Gewährung
und Verleihung einer Auszeichnung vielfältig sein. Mündliche
Belobigungen, Dankschreiben, Geldprämien und Sachpreise gehören
ebenso dazu wie Orden und Ehrenzeichen. Letztere zählen zu
den tragbaren Auszeichnungen, die den Beliehenen öffentlich
kenntlich machen. Gerade die Gruppe der Orden und Ehrenzeichen war
und ist in der Geschichte des Auszeichnungswesens und in der öffentlichen
Meinung nicht unumstritten und stieß immer wieder auf Kritik.
Mit Ironie nahm der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch in dem Vers
"Gar mancher schleicht betrübt umher;/Sein Knopfloch ist
so öd und leer" (Balduin Bählamm, 1) die Eitelkeit
der Menschen aufs Korn. Und der 1926 mit dem Friedensnobelpreis
geehrte französische Staatsmann und Politiker Aristide Briand
äußerte: "Was ist ein Orden? Ein kostensparender
Gegenstand, der es ermöglicht, mit wenig Metall viel Eitelkeit
zu befriedigen." Das Bedürfnis und Streben nach Auszeichnungen
zählt zweifelsohne zu den Eigenschaften von Menschen. Stiftungen
und Verleihungen lassen sich durch die Geschichte für alle
Gesellschaftsformationen belegen.
Bis in die Gegenwart sind jedoch immer wieder Beispiele nachzuweisen,
wie mit einem staatlichen Auszeichnungswesen auch Mißbrauch
getrieben werden kann. Der Stifter und Verleiher von Auszeichnungen
verbindet in der Regel mit ihrer Vergabe an den Beliehenen die Erwartung
von Dankbarkeit, Treue und Ergebenheit, den Ansporn zu neuen Leistungen
oder wenigstens ein Loyalitätsverhalten. Auf die Gefahren einer
Abhängigkeit des Ausgezeichneten vom Verleiher wurde durch
die Jahrhunderte immer wieder hingewiesen: "Und, seiner Freyheit
ungetreu,/Eilt man nach stolzen Ehrenzeichen./Und desto tiefrer
Sklaverey" (C.F. Gellert, Fabeln und Erzählungen I, 8).
Das Auszeichnungswesen fast aller Staaten war im 19. Jahrhundert
von einer großen Stiftungsvielfalt und ausufernden Verleihungspraxis
gekennzeichnet. Der Philosoph Arthur Schopenhauer stellte zwar den
Wert und Nutzen von Auszeichnungen keineswegs in Frage, wies jedoch
eindringlich und klar auf die Verleihungsmoral seitens der Verleiher
hin: "Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche
Meinung: ihr Werth beruht auf dem Kredit des Ausstellers. Inzwischen
sind sie . . . eine ganz zweckmäßige Einrichtung; vorausgesetzt,
daß ihre Vertheilung mit Einsicht und Gerechtigkeit geschehe
. . . Durch ungerechte, oder urtheilslose, oder übermäßige
Vertheilung verlieren aber die Orden diesen Werth; daher ein Fürst
mit ihrer Vertheilung so vorsichtig seyn sollte, wie ein Kaufmann
mit dem Unterschreiben der Wechsel" (Parerga und Paralipomena
I, 384). Die Aktualität dieser im Jahre 1851 formulierten Worte
ist für die Gegenwart unbestritten. Die Geschichte des Auszeichnungswesens
ist gekennzeichnet von einer Dialektik zwischen dem Streben von
Personen nach Lob und Anerkennung und den Bedürfnissen der
Gesellschaft. Durch letztere bekommen gerade staatliche Auszeichnungen
einen politischen Charakter. Noch während des Zweiten Weltkrieges
und vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit sank der Wert
von Auszeichnungen im Denken vieler Menschen in Deutschland. Die
damals im Volksmund verbreitete Ansicht "Bomben und Orden treffen
immer die Falschen" drückte das Verhältnis eines
Teiles der Bevölkerung zu Auszeichnungen aus.
Bereits kurz nach ihrer Gründung wurde in beiden deutschen
Staaten wieder ein staatliches Auszeichnungswesen geschaffen. Jede
der unterschiedlichen Staatsformen anerkannte den Wert einer Vergabe
von Orden und Ehrenzeichen in der Gesellschaft. Kurz vor der Stiftung
des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1951
begründete der Bundespräsident Theodor Heuss diesen Schritt:
"Das Vertrauen darauf, daß die Menschen eine Genugtuung
allein in dem Bewußtsein finden, ihr Bestes für das Gemeinwesen
geleistet zu haben, hat schon oft zu großer Enttäuschung
geführt. Sich die Möglichkeit zu schaffen, außergewöhnliche
Leistungen für den Aufbau, die Festigung und den Fortschritt
eines staatlichen Gemeinwesens durch eine Ordensauszeichnung anerkennen
zu können, ist ein einfaches Gebot der Staatsräson. Staatliche
Orden und Ehrenzeichen können dazu beitragen, ein integrierendes
Band zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu knüpfen,
sie können somit die Staatsmoral fördern." In diesen
Formulierungen liegt gleichzeitig eine Erklärung, warum sich
Auszeichnungen über Jahrhunderte in unterschiedlichsten sozial-ökonomischen
Gesellschaftsformationen bis zur Gegenwart erhalten haben und in
großer Vielfalt, verbunden mit differenzierten Verleihungsmodalitäten,
im Leben der Menschen eine Rolle spielen.
In den letzten Jahren hat sich für die Lehre, die sich auf
wissenschaftlicher Grundlage mit solchen Auszeichnungen befaßt,
die für außerordentliche persönliche oder kollektive
Verdienste und Leistungen durch Ordensorganisationen, Repräsentanten
von Staaten, staatsrechtliche oder öffentliche Organe, Organisationen
und Institutionen sowie von privatrechtlicher Seite gestiftet oder
verausgabt, nach bestimmten Regeln verwaltet und verliehen wurden
und werden, der Begriff "Faleristik" (auch Phaleristik)
eingebürgert und durchgesetzt. Wichtigstes Kriterium ist, daß
die Faleristik nur solche Auszeichnungen betrachtet, die in Form
eines öffentlich sichtbaren Symbols von Personen und Institutionen
zum Tragen bestimmt sind. Orden stellen als Klassifikation einen
Bestandteil der Auszeichnungen dar. Im Laufe der historischen Entwicklung
von Auszeichnungen entstanden neben den Orden die vergleichsweise
niederen Ehrenzeichen. Zu dieser Auszeichnungskategorie zählen
Verdienstauszeichnungen, tragbare Zeichen der Verleihung von Preisen
und Ehrentiteln, Erinnerungszeichen, Treue- und Dienstauszeichnungen,
Leistungs- und Ehrenabzeichen. Zweck und Art, Stiftungs- und Verleihungsmodus,
Formen- und Variantenvielfalt, Symbolik und Aussage sowie Material
und Herstellungsart geben Aufschluß über Zusammenhänge
und Verhältnisse der gesellschaftlichen Entwicklung, über
Beziehungen der Menschen zueinander sowie über Kunst- und Zeitgeschmack.
Jedes staatliche Auszeichnungswesen läßt Rückschlüsse
auf die Landesgeschichte sowie die Beziehungen zu anderen Ländern
zu. Auszeichnungen reflektieren konkret die Gesellschaftsentwicklung
von Staaten wie auch von internationalen Beziehungen. Faleristisches
Material besitzt als gegenständliche Quelle Bedeutung für
die Betrachtung von Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur eines
Landes. Die Faleristik hat die Aufgabe, die Realien wissenschaftlich
zu bestimmen, auszuwerten und historisch einzuordnen. Dazu gehören
Sammeln, Erhalten und Bewahren der tragbaren Auszeichnungen und
der mit ihnen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Dokumente.
Als Zeitdokumente sind Auszeichnungen für Museen anschauliche
und in vielfältiger Weise aussagekräftige Zeugnisse der
Geschichte. Sie wurden und werden von Museen gesammelt, bewahrt
und ausgestellt. Die folgenden Ausführungen geben im ersten
Teil einen allgemeinen Überblick über die Entwicklungsgeschichte
des Auszeichnungswesens, und im zweiten Teil werden Entstehung und
Schicksal der Auszeichnungssammlung im Berliner Zeughaus vom vorigen
Jahrhundert bis zur Gegenwart betrachtet. Ein anschließender
Katalogteil enthält Zusatzinformationen zu allen abgebildeten
Orden und Ehrenzeichen aus der Sammlung des Deutschen Historischen
Museums.