Mit Highspeed in eine bessere und bequemere Zukunft, das versprechen „Moderne Verkehrsmittel“ oder technische Neuerungen im Allgemeinen zu allen Zeiten. Mit diesem „Legespiel“ etwa aus dem Jahr 1935 konnten Jugendliche selbst an dieser glänzenden Zukunft mitpuzzeln.
Mobilität für alle?
Wäre das Puzzle 1938 in den Handel gekommen, dann hätten die Kinder vermutlich auch diesen KdF-Wagen zusammenbasteln können. Auf Wunsch Adolf Hitlers sollte Ferdinand Porsche ein Auto für das Volk bauen, einen Volkswagen (VW) also, der schnittig, kompakt, familientauglich, innovativ und gleichzeitig bezahlbar sein würde. Ganz so versprach es diese mehrseitige Werbebroschüre.
Nebenbei wird hier auch allen gezeigt, welches Geschlecht in der Familie für Technik und Lenkung zuständig sein soll.
„Kraft durch Freude“ (KdF)
Die Organisation Kraft durch Freude der Nationalsozialisten sollte vor allem den Arbeitern attraktive Angebote machen und sie für den NS-Staat gewinnen. Durch den regelmäßigen Kauf von Sparmarken sollte jeder die Möglichkeit haben, sich einen KdF-Wagen zu ersparen und stolzer Autobesitzer zu werden. Ein sensationelles Versprechen in einer Zeit, in der es weniger als 500.000 Autos in Deutschland gab. Aber auch ein trügerisches Versprechen: Das auf Sonderkonten eingezahlte Geld nutzte die Regierung zur Herstellung militärischer Fahrzeuge, die zum Teil auf dem Vorläufer des VW Käfers basierten. Kein Sparer hat je einen KdF-Wagen erhalten.
„... Aber Hitler hat doch die Autobahnen gebaut!“
Diese Antwort bekam und bekommt man bisweilen immer noch zu hören, um Kritik am Nationalsozialismus zu entkräften.
Jedoch: Vieles von dem, was zwischen 1933 und 1945 technisch verwirklicht und in Serie produziert wurde, schlummerte bereits zu Zeiten der Weimarer Republik ab 1919 als Prototyp in den Schubladen. Die Nationalsozialisten griffen Ideen und Innovationen aus dieser Epoche auf.
Das gilt exemplarisch für die Autobahnbauprojekte, von denen in der Weimarer Republik bedingt durch die Weltwirtschaftskrise bis 1932 nur ein kleiner Teil umgesetzt werden konnte. Als Modernisierer und Türöffner, wie hier im Jahresprogramm des hessischen KdF-Katalogs, präsentierte sich erfolgreich jedoch erst die nationalsozialistische Regierung. Und dies, obwohl auch sie nur rund die Hälfte der geplanten Autobahnkilometer in Beton umsetzten konnte.
Dies gilt aber auch für das Prinzip der kostengünstigen Serienproduktion und des funktionalen Designs. Beides hatte die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) bereits in der Weimarer Republik zum Standard gemacht. Die AEG war außerdem eine der ersten Firmen, die einen eigenen Produktdesigner beschäftigte.
Der Architekt Peter Behrens war ab 1907 dafür zuständig, technische Funktion mit ansprechendem Design zu verbinden. Alle AEG-Produkte sollten einen Wiedererkennungseffekt haben, etwas, das wir heute Corporate Design nennen würden.
Corporate Design
Unter Corporate Design versteht man das einheitliche Auftreten einer Firma oder einer Organisation. Logo, Schriftzug und Farben werden außenwirksam verwendet und sollen die Wiedererkennbarkeit einer Marke sicherstellen. Dieses einheitliche Design ist wiederum nur ein Teil der Corporate Identity, die darüber hinaus auch bestimmte Inhalte einer Marke transportiert. Dies dient der Abgrenzung zu anderen Marken, der Schaffung einer Stammkundschaft und liefert Argumente, dieser Marke treu zu bleiben.
Was Peter Behrens für die AEG war, stellte Edwin Redslob für die Weimarer Republik dar. Als Reichskunstwart war er zuständig für die Gestaltung von Staatsakten und öffentlichen Bauten, dem Design von Staatssymbolen und der Währung sowie der staatlichen Kunst- und Kulturpolitik.
Die Nationalsozialisten bekämpften zwar vehement Werte und Freiheiten der Weimarer Republik, nicht jedoch die technischen Errungenschaften der Moderne. Den Gebrauch moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel professionalisierten sie in bis dahin einzigartiger Weise. Auch die Idee einer Corporate Identity entwickelte das Reichspropagandaministerium unter Joseph Goebbels zugunsten der NSDAP weiter: 1933 musste Redslob in den Ruhestand gehen und seine Aufgaben und Kompetenzen an Goebbels abgeben.
„[…] Der Reklame-Fetisch der Nazis ist das Hakenkreuz, das besser propagiert wird als je ein Fabrik- oder Handelszeichen.“
Ernst Growald, 1932 (zitiert in: Werbekunst, S.286)
Viele technische Neuerungen wurden zunächst von staatlichen Institutionen genutzt, bevor sie in der Bevölkerung Verbreitung fanden. Dies gilt beispielsweise für dieses Wandtelefon von ca. 1895, das hauptsächlich Behörden diente und erst später in Privathaushalten genutzt wurde. Ähnliches betraf auch das Medium Film, das seine Karriere in Deutschland nicht zuletzt dem Militär verdankte. Das Bild- und Filmamt produzierte und nutze Filme im Ersten Weltkrieg zur Propaganda und Unterhaltung der Truppen an der Front. In den Zwanziger Jahren hatte sich der Film als Kunst- und Unterhaltungsform für ein breites Publikum etabliert.
Staats- und Regierungssysteme mit totalitärem Charakter haben den Anspruch, alle Lebensbereiche, auch das Private, einer möglichst umfassenden Kontrolle und Beeinflussung zu unterziehen. Dazu braucht es entsprechende technische Voraussetzungen und Kommunikationsmittel. Unter anderem deshalb sind diese totalitären Systeme anders als reine Militärdiktaturen erst im Zwanzigsten Jahrhundert anzutreffen – als die entsprechende Technik zur Verfügung stand.
„Nur nicht langweilig werden. Nur keine Öde."
„Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsinstrument, das es überhaupt gibt. Der Rundfunk muss der Regierung die fehlenden 48 Prozent zusammentrommeln und haben wir sie dann, muss der Rundfunk die 100 Prozent halten, muss sie verteidigen, muss sie so innerlich durchtränken mit den geistigen Inhalten unserer Zeit, dass niemand mehr ausbrechen kann. […] Nur nicht die Gesinnung auf den Präsentierteller legen. Der Rundfunk soll niemals an dem Wort kranken, man merkt die Absicht und wird verstimmt.“
Joseph Goebbels, am 25. März 1933 (zitiert in: Werbekunst, S.289)
Hitler, Goebbels und sein Propagandaministerium wären jedoch weitgehend ungehört geblieben, hätte ihnen nicht ab 1933 dieses kleine, handliche Radio, der Volksempfänger, zur Verfügung gestanden. Ab 1938 konnte bereits die hier gezeigte günstigere Version für etwa einen Wochenlohn erworben werden. Dass der Rundfunk bereits am Ende der Weimarer Republik 1932 durch Reichskanzler von Papen verstaatlicht worden war, erleichterte den Nationalsozialisten die exklusive Beherrschung dieses Mediums.
Ab 1922, elf Jahre bevor Hitler Reichskanzler wurde, kommunizierte er verbal hauptsächlich noch auf diese Weise mit seiner potenziellen Anhängerschaft. So hielt er, wie hier auf dem Foto von 1923 gezeigt, Reden im Bau des Zirkus Krone in München vor 2000 bis 5000 Menschen. Das Foto ist aus Sicht des Redners von Hitlers persönlichem Fotografen, Heinrich Hoffmann, aufgenommen. Ein Menschenmeer steht vor und offensichtlich unterhalb des Redners. Beleuchtung, feierliche Stimmung, disziplinierte Aufmerksamkeit und das Gemeinschaftsgefühl der Zuhörerinnen und Zuhörer erinnern an eine gottesdienstähnliche Veranstaltung. Auch wenn es sich hierbei bereits um eine Massenveranstaltung handelt - Millionen von Zuhörerinnen und Zuhörern waren erst mit Radio und Film zu erreichen.
Selbst wenn dank Serienfertigung und Massenproduktion ein Radio auch für weniger Betuchte erschwinglich war, besaß noch 1941 etwa ein Drittel aller deutschen Haushalte keinen Volksempfänger.
Es war durchaus üblich, mit Freunden zu Hause oder an öffentlichen Orten gemeinsam Radio zu hören. Das ermöglichte auch eine Kontrolle, wer nicht zuhörte, wenn wichtige NS-Politiker sich an die Bevölkerung wandten. Das Plakat behauptet: wer Radio hört, steht auch in Kontakt zur Volksgemeinschaft und deren Anführer Hitler. Alle anderen machen sich jedoch verdächtig.
[Transkription: "Auch das ist ein Bekenntnis zur Volksgemeinschaft daß man Rundfunkteilnehmer wird und sich dadurch jederzeit mit dem Führer und dem Leben seines Volkes verbunden weiß"]
Integration durch Ausgrenzung?
Diese unmissverständliche Einladung zur Teilhabe an der Volksgemeinschaft galt jedoch nicht für alle. Corporate Design, Uniformierung, und Kommunikationstechnik ermöglichen stets nicht nur die Herstellung von Gemeinschaft, sondern ebenso auch den Ausschluss aus ihr. Exklusivität wird dadurch erreicht, dass eben nicht jeder dazugehört und mitmachen darf. Beides, Integration und Exklusion, sollte nicht allein im Nationalsozialismus durch Aufmärsche und kollektive Großveranstaltungen allen vor Augen geführt werden.
„Die Massenveranstaltung stellte ein Mittel dar,
um die Ideologie des Nationalsozialismus für die Bevölkerung
sinnlich erfahrbar zu machen.“
Werbekunst, S.287
Genau hierfür war dieses Gebäude vorgesehen. Die „Halle des Volkes“ wurde nie gebaut, jedoch sollte sie das weltweit größte Gebäude werden und bis zu 180.000 Menschen Platz bieten. Doch sie war nur ein Mosaikstein eines gigantischen Umbauprogramms, das ganz Berlin betraf.
Durch neue städtebauliche Konzepte sollte anhand von Sichtachsen, Aufmarschstraßen und Plätzen Berlin in „Germania“ umgestaltet, oder modern gesprochen, umdesignt werden. In dieser Form sollte die Stadt die Kulisse für die Inszenierung der „Volksgemeinschaft“ und die Leistungsfähigkeit der nationalsozialistischen Regierung bieten.
Die kleine schwarze Figur entspricht maßstabsgetreu einem erwachsenen Menschen. So erhält man eine ungefähre Idee von der Größe des geplanten Bauwerks.
Ausschluss von Teilhabe an Kommunikation und Volksgemeinschaft fand im Nationalsozialismus auf verschiedenen Ebenen statt. Eine davon lässt sich an diesem Telefonbuch nachvollziehen:
In der Ausgabe des Berliner Fernsprechbuchs von 1941 sind die Telefonanschlüsse der jüdischen Gemeinde und ihrer Einrichtungen noch auf zwei Seiten verzeichnet. Im 1943 veröffentlichten Nachdruck sucht man sie vergebens; die wenigen zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin lebenden Juden waren damit nicht mehr erreichbar. Das galt auch für andere Kommunikationswege: Juden war der Besitz eines Führerscheins ebenso verboten wie der eines Bibliotheksausweises, eines Radios oder einer Brieftaube.
Was darf der Staat?
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem totalitären NS-Staat stellte sich die Frage, welche technischen Möglichkeiten Staaten nutzen dürfen, um ihren Verwaltungsaufgaben nachzukommen oder für Sicherheit zu sorgen. In freiheitlichen politischen Systemen ist die Antwort auf diese Frage idealerweise das Ergebnis eines öffentlichen Aushandlungsprozesses. Dieser sollte Schaden und Nutzen sowie die Rechte des Individuums und die gemeinschaftlichen Interessen der Gesellschaft sorgfältig gegeneinander abwägen. Die Arbeit von Geheimdiensten oder die Verwendung einmal gesammelter Daten entziehen sich jedoch häufig der Kontrolle oder der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger.
Unter dem Stichwort „Rasterfahndung“ wurde die Debatte um staatliche Befugnisse in der Bundesrepublik erbittert geführt. 1971 führte Horst Herold im Bundeskriminalamt den Computer und die Digitalisierung von Fingerabdrücken ein. Damit sollte der Staat im Kampf gegen die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) die Oberhand gewinnen.
Ziel war es, auf diesen Platten und Bändern möglichst viele Daten abzuspeichern und zwar auch von unbescholtenen Personen. Mittels bestimmter Suchkriterien sollte der Computer dann die Personen herausfiltern, auf die entweder alle oder nur ganz bestimmte Kriterien zutrafen. Problem: verdächtig ist demnach grundsätzlich jeder und jede; konsultiert und gespeichert werden Daten aller Art.
Algorithmen
So wie die Rasterfahndung Daten und Informationen nur nach bestimmten, von Ermittlungsbeamten festgelegten Parametern und Kriterien verknüpfen konnte, so funktionieren auch personalisierte Werbung, von Facebook oder Amazon getätigte Kauf-oder Leseempfehlungen, mit solchen Algorithmen. Künftig wird künstliche Intelligenz dabei den Menschen immer mehr ersetzen und eigenständig, also unabhängig von menschlichen Erwägungen, Daten miteinander in Bezug setzen.
Eine sehr analoge Variante der Datenerhebung ermöglicht nebenstehendes Gerät. Der Aufdampftopf wurde in der DDR von Mitarbeitern der Stasi eingesetzt, um die Klebenaht von Briefen mit heißem Wasserdampf zu öffnen. So konnte der Staat die Post seiner Bürger mitlesen und den Brief im Anschluss wieder spurenlos verschließen.
Stasi
Eigentlich Ministerium für Staatssicherheit. Die Stasi war seit 1950 als Geheimpolizei und Nachrichtendienst für die breite Überwachung der DDR-Bürgerinnen und Bürger und die Auslandsspionage zuständig. Zuletzt arbeiteten ca. 91.000 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Geheimdienst. Es bestand in der DDR keine Möglichkeit, gerichtlich gegen Verfassungsverstöße, wie das Abhören von Wohnungen oder das Aufdampfen von Briefen, vorzugehen.
In solchen 535 Kilogramm schweren Umlaufkartenschränken archivierte die Stasi gesammelte Daten. Auf der Karteikarte F 16 fanden sich die Klarnamen aller bei der Stasi erfassten Personen. Detailliertere Informationen zu diesen Personen, dem Grund ihrer Erfassung und ihre Decknamen waren nur auf der Karteikarte F 22 zu erfahren.
Beide Kartentypen waren getrennt voneinander gelagert und nur mittels einer Registriernummer durch Stasi-Mitarbeiter einander zuzuordnen.
Technik und Design wurden in beiden deutschen Staaten zusammengedacht und in Abhängigkeit voneinander weiterentwickelt. Die Motivation hierfür war aber zumindest bis in die 1970er Jahre durchaus unterschiedlich. In der DDR machte häufig der Mangel an Rohstoffen oder Hilfsmitteln die Ingenieure erfinderisch und zwang sie zu möglichst effizienten und vielseitig einsetzbaren Produkten. In dem marktwirtschaftlichen System der Bundesrepublik kamen Design und Technik vor allem die Funktion zu, das jeweilige Produkt aus der unüberschaubaren Warenvielfalt herausstechen zu lassen und zusammen mit dem Produkt einen bestimmten Lebensstil zu verkaufen.
Ist die DDR ist an ihrem Design gescheitert?
So lautet jedenfalls die These des Philosophen Harry Lehmann über die Rolle von staatlicher Produktgestaltung und Konsumlenkung in der DDR. Er meint damit keinesfalls, dass die DDR überwiegend schlecht designt hätte. Vielmehr sei das Versprechen, durch eine Kaufentscheidung zugleich auch eine individuelle Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil treffen zu können, im Sozialismus nicht einlösbar gewesen: „Design als sozialistischer Grundwiderspruch“. (Lettre International 86, Herbst 2009, S.125 ff.)
1972 richtete die DDR das Amt für Industrielle Formgestaltung (AiF) ein. Qualitätskontrollen, die Vergabe der hier gezeigten Medaille für „gutes Design“ und Beeinflussung der Produktgestaltung gehörten zu den Aufgaben der Behörde.
Einerseits sollten die DDR-Bürgerinnen und Bürger durch attraktives Design mehr kaufen. Andererseits sollte eine ansprechende Gestaltung die Exportchancen der DDR-Produkte auf dem internationalen Markt verbessern.
„[…] to make the world more open and connected“
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg
zur Frage nach den Errungenschaften von Facebook
Stilprägend zu sein, heißt, den Ton angeben zu können. Herrschaft über Kommunikationsmittel und Technik zu besitzen, bedeutet Macht und Einfluss auszuüben. Das gilt umso mehr im Zeitalter digitaler Speicherung und Verwertbarkeit von Daten. Wer Kommunikationsmittel nutzt, kann sich ins Gespräch bringen, macht sich aber auch verwund- und kontrollierbar. Wem sie entzogen werden, wird ausgegrenzt oder auch buchstäblich mundtot gemacht. Technische Neuerungen und das Design haben immer dazu beigetragen, Kommunikation und Zugehörigkeit attraktiv, bequem – und verführerisch – zu machen.
Literatur- und Lesetipp:
Kleberg, Lars: Stalin am Apparat. Macht und Mythologie des Telefonsystems in der Sowjetunion, in: Lettre International 103, Winter 2013.
Meißner, Jörg (Hg.): Strategien der Werbekunst 1850-1933, Berlin 2004.