> Der Deutsch-Dänische Krieg 1864

Rückblick: Der Deutsch-Dänische Krieg 1864

Am 1. Februar vor 147 Jahren überschritten Truppen Preußens und Österreichs die Eider. Der Fluss markierte die Südgrenze des Königreiches Dänemark, gegen das die verbündeten Armeen des preußischen Königs Wilhelm I. und des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. zu Felde zogen. Schon wenige Jahre später bewerteten Zeitgenossen den vergleichsweise kurzen Waffengang als Auftakt der drei sogenannten Reichseinigungskriege: den deutsch-dänischen Auseinandersetzungen 1864 folgten zwei Jahre später der Deutsche Krieg und 1870/71 der Deutsch-Französische Krieg.

Anlass des Deutsch-Dänischen Krieges war der seit langem schwelende Konflikt um die Herzogtümer Holstein und Schleswig. Wie Holstein war auch Schleswig in Personalunion mit der dänischen Krone verbunden, gehörte aber im Gegensatz zu Holstein nicht dem Deutschen Bund an, sondern war altes dänisches Reichslehen. Während die Bevölkerung in Holstein deutsch war, stellten die Dänen in Nordschleswig die Bevölkerungsmehrheit. Sie waren wie führende Politiker in Dänemark bestrebt, das Herzogtum Schleswig mit dem Königreich Dänemark zu einem Nationalstaat zu verschmelzen, dessen Südgrenze die Eider bilden sollte. Die deutschgesinnten Schleswig-Holsteiner beriefen sich hingegen auf den 1460 abgeschlossenen Ripener Vertrag: In ihm hatten die Stände beider Länder in Hinblick auf die Zukunft von Holstein und Schleswig festgelegt, "dat se bliven ewich tosamende ungedelt".

Den Nationalitätenkonflikt um die staatliche Zugehörigkeit Schleswigs konnten weder militärische Auseinandersetzungen von 1848 bis 1851 noch diplomatische Vereinbarungen befriedigend lösen. Er war lediglich bis zur nächsten Krise vertagt worden, die mit dem Tod des dänischen Königs Friedrich VII. (1808-1863) am 15. November 1863 eintrat. Dessen Nachfolger Christian IX. (1818-1906) unterzeichnete drei Tage später auf Drängen seines Kabinetts eine neue Verfassung, die das Herzogtum Schleswig dem dänischen Staatsverband einverleibte. Der neue Monarch hatte damit gegen internationales Recht verstoßen, nachdem die europäischen Großmächte sich mit Dänemark in den Londoner Protokollen von 1852 auf die Einhaltung des Status quo in der Schleswig-Holstein-Frage und damit auf die Unteilbarkeit der Herzogtümer geeinigt hatten.

Im Deutschen Bund war die Empörung groß. In seltener Einmütigkeit forderten Preußen und Österreich als Signatarmächte der Londoner Protokolle am 16. Januar 1864 Christian IX. ultimativ auf, die eiderdänische Verfassung zurückzunehmen. Zugleich einigten sich die beiden deutschen Großmächte auf eine gemeinsame "Pfandbesetzung" Schleswigs, um Dänemark auf diesem Weg zur Rücknahme der Verfassung von 1863 zu zwingen. Nachdem Dänemark das 48-Stunden-Ultimatum in der vagen Hoffnung auf englische Hilfe hatte verstreichen lassen, rückten preußische und österreichische Truppen am 21. Januar 1864 zunächst in das von dänischen Truppen geräumte Holstein, elf Tage später auch in das stark verteidigte Schleswig ein.

Die preußisch-österreichische Waffenbrüderschaft sowie der vergleichsweise schnelle militärische Sieg über die dänischen Truppen, der mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen im April 1864 praktisch entschieden war, riefen bei nationalgesinnten Deutschen und Österreichern Begeisterung hervor. Im Frieden von Wien musste Dänemark am 30. Oktober 1864 die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg abtreten. Sie wurden zunächst unter die gemeinsame Verwaltung Preußens und Österreichs gestellt. Nach langen Verhandlungen unterzeichneten beide Staaten am 14. August 1865 die Gasteiner Konvention: Schleswig wurde preußischer, Holstein österreichischer Verwaltung unterstellt, Lauenburg mit Preußen in Personalunion verbunden. Nachdem der preußisch-österreichische Konflikt um die Vorherrschaft in Deutschland im Sommer 1866 zum Deutschen Krieg eskaliert war, musste das geschlagene Österreich die Neugestaltung Deutschlands durch preußische Annexionen zustimmen. In Folge dessen ging u.a. aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein die preußische Provinz Schleswig-Holstein hervor.

Zwar war die dänische Minderheit im 1871 gegründeten Kaiserreich keiner so radikalen "Germanisierungspolitik" unterworfen wie die Polen im Osten des Reiches, die Unterdrückung ihrer Sprache in der Öffentlichkeit und im Bildungswesen traf die Dänen in Nordschleswig aber hart. Viele versuchten durch Auswanderung nach Dänemark dem Assimilierungsdruck zu entgehen. Die aus dem Krieg von 1864 hervorgegangene Grenzziehung wurde von Dänemark erst 1907 durch den deutsch-dänischen Optantenvertrag widerstrebend anerkannt. Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg kochten angesichts eines möglichen neuen Grenzverlaufes die nationalen Leidenschaften in beiden Ländern erneut hoch: Der Versailler Vertrag legte 1919 fest, dass in verschiedenen Grenzgebieten des Deutschen Reiches Volksabstimmungen über die staatliche Zugehörigkeit entscheiden sollten, so auch in Schleswig. Begleitet von einer beiderseitigen Propagandaschlacht votierten am 10. Februar 1920 in der ersten, dänisch dominierten Abstimmungszone 74,2 Prozent der Bevölkerung für den Anschluss an Dänemark. Im südlichen Teil des Abstimmungsgebietes stimmten am 14. März rund 81 Prozent der Bevölkerung für den Verbleib im Deutschen Reich.

Die neue deutsch-dänische Grenze wurde am 26. Mai 1920 festgelegt, am 15. Juni erfolgte die Abtretung Nordschleswigs an Dänemark, wo der Anschluss des als "Südjütland" bezeichneten Gebietes euphorisch gefeiert wurde. Als 20 Jahre später die Wehrmacht in Dänemark einmarschierte, begrüßten die Angehörigen der deutschen Minderheit mehrheitlich die gewaltsame Besetzung des Landes, das in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten für die meisten von ihnen nicht zu ihrem Heimatland geworden war. Allerdings wurde ihre Hoffnung enttäuscht, dass das NS-Regime Nordschleswig wieder dem Deutschen Reich einverleiben würde: Adolf Hitler beließ es bei der 1920 erfolgten Grenzziehung, die auch heute noch ihre Gültigkeit besitzt. In der Bundesrepublik Deutschland genießt die rund 50.000 Menschen umfassende dänische Bevölkerungsgruppe einen Minderheitenschutz, gleiches gilt für die bis zu 20.000 Menschen zählende deutsche Minderheit in Nordschleswig. Gefördert werden vor allem die Pflege von Sprache, Kultur und Tradition der jeweiligen Minderheit in Kindergärten, Schulen und anderen Institutionen sowie in Vereinen.

Arnulf Scriba, Februar 2024

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