> Alfred Försterling: Als Funker beim Untergang des Dampfers "Feodosia"

Alfred Försterling: Als Funker beim Untergang des Dampfers "Feodosia"

Dieser Eintrag stammt von Alfred Försterling (*1925) aus Hamburg, November 2007:

 

Bei Tagesanbruch nehmen wir Kurs auf Stettin. Es geht zunächst im engen Fahrwasser zwischen den Minenfeldern an der Küste von Rügen entlang. Die weißen Kreidefelsen sind in der Ferne zu sehen. Nach meinen Überlegungen müssten wir gegen Abend in Stettin sein. Landgang winkt! Deshalb nach der Mittagswache schnell noch mal ein Stündchen aufs Ohr legen, um abends fit zu sein. Gerade habe ich mich hingelegt, da geht ein eigenartiges Knirschen und Rütteln durch das Schiff. Da ist etwas nicht normal. Ich höre aufgeregte Stimmen von der Brücke. Nun bin ich aber hellwach. Schnell raus aus der Koje und nach draussen. Der Zugang zur Funkbude mit meiner Kammer nebenan geht nur durch die Kommandobrücke. Dort steht fassungslos der wachhabende 3. Offizier. Auch der Kapitän ist jetzt zur Brücke gestürmt und prüft die Situation. Da wird auch schon Wassereinbruch im Vorschiff gemeldet. Das ist bedenklich. Bei der Erzladung kann das Schiff schnell vollaufen. Bald schon sehe ich, wie das Vorschiff ganz langsam tiefer geht. Jetzt bleibt auch meine Petroleumlampe in der Funkstation nicht mehr in ihrer ruhigen Lage. Das Schiff neigt sich nach vorne, wie die Lampe anzeigt.

Aus den Gesprächen zwischen dem Wachhabenden und dem Kapitän entnehme ich, dass wir über ein U-Boot-Wrack gelaufen sind. Das Wrack liegt quer mitten im Fahrwasser und ist durch Bojen gekennzeichnet. Wegen der beidseitigen Minenfelder glaubte der 3. Offizier, die Bojen seien die Begrenzung an der schmalsten Stelle der Fahrrinne und steuerte genau dazwischen. Aber genau da lag das Wrack.

Langsam gehen wir vorne immer tiefer. Mit Bordmitteln ist hier nichts zu machen. Ich erhalte vom Kapitän den Auftrag, über Rügen-Radio Hilfe durch "Pumpen-Dampfer" anzufordern. Das Verschlüsseln der Meldung mit ist bald geschehen, die Meldung an Rügen Radio mit geringster Sendeenergie schnell abgesetzt. Es vergeht Zeit. Noch keine Hilfe in Sicht. Inzwischen sinkt das Vorschiff immer tiefer. Das Wasser dringt schon in den Maschinenraum ein, obwohl alle Schotten dicht gemacht wurden. Jetzt nochmals an Rügen Radio wegen der Dringlichkeit in offner Sprache: "Wir sinken, dringend Hilfe notwendig". Der Kapitän lässt jetzt das Schiff mit voller Kraft zur pommerschen Küste laufen mit dem Ziel, im seichten Wasser auf sandigen Grund zu gehen. Die bordeigenen Lenzpumpen laufen mit voller Leistung. Das Wasser im Maschinenraum ist aber nicht mehr aufzuhalten. Es steigt langsam aber ständig. Bald müssen die Feuer in den Kesseln gelöscht werden, damit es keine Explosion gibt. Wieder ist einige Zeit vergangen. Da nähert sich ein Marineprahm und kommt längsseits. Wasser abpumpen kann er nicht, aber er kann die Besatzung mit ihren persönlichen Habseligkeiten übernehmen. Das Vorschiff steht nun schon unter Wasser und hat sich in den weichen Grund gebohrt. Die Feuer sind aus. Langsam läuft nun auch das Achterschiff voll und geht immer tiefer. Mein Koffer mit den hastig zusammengesuchten Habseligkeiten ist schon in Sicherheit. Jetzt ragen nur noch die höheren Decksaufbauten und die Kommandobrücke aus dem Wasser. Erst als der Kapitän "Alle Mann von Bord" gibt, verlasse ich auch die noch aus dem Wasser herausragende Funkstation. In aller Eile und mit Hilfe der Besatzung reise ich Empfänger und Sender aus ihren Halterungen und Verkabelungen. Zusammen mit Ersatzröhren und anderem wichtigen Zubehör verladen wir diese wertvollen Gegenstände auf das Marinefahrzeug. Dann wird es höchste Zeit, das Schiff zu verlassen. Gerade noch die Brücke mit Funkstation ragen aus dem Wasser.

Das Marineboot mit der geretteten Besatzung verlässt den gesunkenen Dampfer. Ade, Feodosia, du bist also doch ein Unglücksschiff. Der 3. Offizier kam später vor ein Kriegsgericht und wurde verurteilt mit Bewährung. Bei einer späteren Norwegenfahrt kam er ums Leben. Das Wrack habe ich noch bei meiner letzten Fahrt im August 1944 dort liegen gesehen.

Jetzt lese ich im Buch, dass die Feodosia am 4.4.1945 auf Norwegenfahrt nach einem Fliegerangriff mit Munition explodiert sei. Die Erzladung muss wohl geborgen, das Wrack gehoben und wieder repariert worden sein. Das Unglück hat sie auch dann nicht verlassen.

     

lo