> Edith Stampe: Schulzeit von April 1936 bis April 1944

Edith Stampe: Schulzeit von April 1936 bis April 1944

Dieser Eintrag stammt von Edith Stampe (*1930) aus Hamburg, August 2002:

Ostern 1936 war ich ABC-Schütze in der Schule Karl-Theodor-Str. in Ottensen. Ich war noch keine 6 Jahre alt und war so stolz, dass ich schon in die Schule kam. Im darauffolgenden Jahr kam ich in die Schule für Mädchen in die Lagestr. (heute Gaußstr.) in Ottensen, hier blieb ich bis zu meiner Schulentlassung.

Ich war so schüchtern - was mir heute wohl kaum einer abnimmt - z.B. wenn meine Mutter mich zu spät los schickte und es klingelte schon auf dem Flur in der Schule bevor ich im Klassenzimmer war, da bin ich wieder umgekehrt und habe meiner Mutter gesagt, sie hätte Schuld und darum müsste sie mir eine Entschuldigung schreiben. Ich bin gerne zur Schule gegangen. Geographie war eines meiner Lieblingsfächer. Der Hausmeister hatte auf dem Schulhof einen Hühnerstall, und wenn uns unser Pausenbrot nicht schmeckte, dann hatten wir immer gute Abnehmer. Als Hitler die katholischen Schulen abschaffte, da bekamen wir eines Tages eine Lehrerin aus der katholischen Schule, sie hieß Frl. Kowitz, ich habe nie wieder so viel und so gut gelernt wie bei dieser Lehrerin.

Während des Krieges mussten wir Knochen sammeln und Verschlüsse von Zahnpastatuben (Stanoil). Die Knochen wurden immer von zwei Mädchen gesammelt in einem Eimer und dann mussten wir sie zu einer Abnahmestelle tragen und da konnte einem schon auf dem Weg schlecht werden, so stanken die Knochen.

Es gab auch Fahnenappell, der mir gar nicht zusagte, zumal ich von Haus aus gar nicht damit vertraut war. Weihnachten mussten wir immer blaue Kerzen zu Gunsten der Deutschen im Ausland verkaufen, das war eine richtige Bettelei bis man uns mal eine Kerze abkaufte. In der 4. Klasse wurden die Begabten ausgesucht, Englisch zu lernen, darunter war auch ich, aber wir mussten morgens um 7.00 Uhr schon in der Schule sein, und weil wir wegen der vielen Fliegerangriffe nachts ein paar Mal hoch mussten, war ich immer entsprechend müde und meine Lust hielt sich in Grenzen. Dafür bin ich dann als Erwachsene 6 Jahre zur Volkshochschule gegangen, um das Versäumte nachzuholen.

Vom Mai 1942 bis Oktober 1942 war ich mit der Klasse in Siebenbürgen in der Kinderlandverschickung, da hat es mir gut gefallen und ich habe heute noch ein Faible für die Ungarn, obgleich wir ja bei Deutschen untergebracht waren, die vor 800 Jahren nach Siebenbürgen eingewandert waren. Meine Pflegemutter brachte mir im Fluss Mieresche das Schwimmen bei und ich machte meinen Freischwimmer und dadurch konnte ich auch das Jungmädelleistungsabzeichen machen. Da es 1942 in der Heimat mit der Verpflegung schon sehr mau war, habe ich bei den Pflegeeltern, die Pflegemutter kochte so gut, zuviel reingehauen, so dass mein Vater mich beim Heimkommen fast nicht erkannte. In Siebenbürgen schenkte man mir auch ein Poesiealbum, welches ich heute noch besitze, und dann mussten erst mal die Pflegeeltern, die Lehrer im KLV-Lager und dann zu Hause die Großeltern, dann die Eltern und die Lehrer und Klassenkameradinnen eintragen. Wenn ich es heute lese, bringt es immer wieder Spaß, auch kann man bei den Lehrern ganz genau die Linie ihrer Politik, die sie vertraten, erkennen.

Dann ging der Unterricht in Hamburg mit vielen Unterbrechungen durch die Fliegerangriffe weiter. Es war Tradition, dass der Rektor die letzte Klasse vor dem Schulabgang unterrichtete. Vor dem Rektor hatte man immer sehr viel Respekt, aber er war ein netter und gerechter Lehrer und mein Abgangszeugnis war sehr gut. Im März 1944 verließ ich die Schule und danach musste ich ins Pflichtjahr, über diese Zeit habe ich eine separate Geschichte geschrieben. Es dauerte immerhin noch über ein Jahr, bis dieser unselige Krieg beendet war. Eine Lehrstelle zu finden, war zu der Zeit nicht einfacher als heute. In Hamburg sagt man ja Kontor und da wollte ich hin und habe es geschafft und bekam 1948 meinen Kaufmannsgehilfenbrief für das Versicherungsgewerbe.

lo