> Friedhelm Weihe: Brennesseln gegen den Hunger

Friedhelm Weihe: Brennesseln gegen den Hunger

Dieser Eintrag stammt von Friedhelm Weihe (*1928) aus Hamburg, Juli 2002:

Mit 16 Jahren gehörten wir jungen Kameraden zum "letzten Aufgebot" Hitlers. Die Front stand bereits tief in Deutschland, als ich im April 1945 ohne Heimaturlaub nach meinem abgeleisteten Reichsarbeitsdienst am Flugplatz Nordholz direkt zur Infanterie-Division Schlageter in Munster-Lager einberufen wurde. Vier Tage später wurden wir mit dem Ziel Berlin in Marsch gesetzt - zu Fuß, in Nachtmärschen, denn tagsüber griffen die Tiefflieger ständig an. Es waren unglaubliche Strapazen. Den Gedanken an Fahnenflucht verwarfen wir, da wir von der drohenden Todesstrafe wußten und immer noch an die versprochene, kriegsentscheidende Wunderwaffe glaubten.

Der abenteuerliche Marsch führte über Lüneburg, Lauenburg, Boizenburg, Hagenow, Ludwigslust, Parchim bis östlich von Lübz. Hier kamen uns russische Panzer entgegen. Nicht weit hinter uns amerikanische Truppen. Ich konnte zum Glück den Russen entweichen und begab mich am 2. Mai in amerikanische Gefangenschaft. Ich war froh, unversehrt davongekommen zu sein.

Das Kriegsende - den 8. Mai - erlebte ich in einem großen Gefangenenlager in Erdlöchern auf einem mecklenburgischem Acker. Es gab kaum Verpflegung: Nachschubschwierigkeiten der Amis. Die Gefangenschaft bei Hunger und Kälte dauerte länger als erhofft.

Erst Ende Mai wurden wir verladen, mit 80 Kameraden in einen Güterwaggon. Über Schwerin und Lübeck ging die Fahrt nach Neustadt/Holstein in englische Kriegsgefangenschaft. Von Neustadt marschierten wir in großen Kolonnen in mehreren Tagesmärschen bis nahe Lütjenburg in ein Zeltquartier.

Hier verlebte ich meinen 17. Geburtstag. Von Entlassung war immer noch nichts zu hören. Nur üble Gerüchte! Auch hier quälte uns der Hunger. Wir kochten Brennesseln und scharrten in der Not Pflanzkartoffeln aus dem Acker. Mitte Juni standen bevorzugt Landarbeiter zur Entlassung an. Ich war zur Landarbeit bereit und bekam in Eutin von der britischen Militärbehörde meine Entlassungspapiere. Nur nach Hause...

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